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Corona-Tagebuch (49)Mittwoch, 13. Mai: Von der Pandemie in die Psychose

Corona-Tagebuch (49) / Mittwoch, 13. Mai: Von der Pandemie in die Psychose
Einfach mal wieder raus, Sonne und Energie tanken. Dem Autor würde es auf jeden Fall guttun. Foto: privat

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Das Coronavirus beherrscht das Leben in Luxemburg. Die Lage scheint jetzt etwas entspannter, ist aber immer noch weit entfernt von gewohnter Normalität. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, um seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden wir und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch des Tageblatt gibt Einblick in diese Gedankenwelt.

Liebes Tagebuch, war es das? Neigt sich unsere gemeinsame Zeit nun dem Ende zu? Draußen, auf den Straßen, läuft das Leben ja schon fast wieder normal. Trauten sich in den letzten Wochen schon die Menschen trotz Ausgangsbeschränkungen wieder vermehrt ins Freie, dürfen wir seit Montag endlich auch wieder ohne schlechtes Gewissen (und Ausrede für die Polizei) aus dem Haus.

Was haben wir diesen Moment doch herbeigesehnt: endlich wieder die Freunde treffen, Familienmitglieder sehen, die sozialen Kontakte pflegen. Auf einen Einkaufsbummel haben wir uns gefreut, neue Kleidung und den Termin beim Frisör. Onlineshopping ist schön, aber nicht das Gleiche. Oder einfach nur rein in den Wagen und raus in die freie Welt – oder zumindest bis zu den Grenzen. Weiter dürfen wir ja noch nicht.

Ganz spurlos aber sind die letzten sieben Wochen nicht an mir vorbeigezogen. Dabei will ich die paar Pfunde, die ich mir angesichts mangelnder Bewegung im Lockdown angelegt habe, mal außen vor lassen. Auch die wilde Haarpracht auf meinem Haupt ist nicht damit gemeint. Sondern das Gefühl, das sich in mir breitmacht, wenn mir draußen, auf meinen Einkaufstouren oder Arbeitsfahrten, eine andere Person nur etwas zu nahe kommt.

So hat das Wort „Intimsphäre“ eine ganz neue Bedeutung erhalten. War mir bislang noch nie aufgefallen, wie nahe wir uns Menschen im Supermarkt doch kommen, so muss ich jetzt immer wieder zurückschrecken, wenn mir bei der Begutachtung der Milchprodukte (daher wohl auch die Extrapfunde) plötzlich eine fremde Person zur Seite springt, um sich eine Packung Milchreis zu schnappen.

In der Quarantäne scheint sich auch der Spießbürger in mir entfaltet zu haben: Immer wieder ertappe ich meine Argusaugen bei der Suche nach kriminellen Verbrechern, die sich ohne Maske in die Öffentlichkeit trauen. Glücklicherweise scheinen sich die meisten Menschen aber an die Vorgaben zu halten.

Liebes Tagebuch, ich bitte um etwas Verständnis. Wochenlang haben sie uns vor der unsichtbaren Gefahr aus dem Nichts gewarnt. Seit März gibt es kein anderes Thema mehr als Corona. Zu sehr wurde in den letzten sieben Wochen darauf gepocht, dass die Heimtücke der Krankheit vor allem der hohen Ansteckungsrate geschuldet ist. Zu oft wurde uns eingebläut, soziale Kontakte absolut zu meiden. All diese Schreckensbotschaften müssen jetzt mal verdaut werden.

Bei mir sind die Barriere-Gesten bereits so weit ins Blut übergegangen, dass mir beim Anblick einer ganz gewöhnlichen Umarmungsszene auf Netflix mulmig wird. Für den Bruchteil einer Sekunde will der Spießbürger in mir die beiden Schauspieler an die Mindestabstände erinnern. „Und wo sind eure Masken?“, schießt mir durch den Kopf, bis mir klar wird, dass es sich nur um eine TV-Serie handelt.

Vielleicht sollte ich mich tatsächlich wieder ins Freie wagen, dem Lagerkoller entkommen. Nicht, dass die Pandemie in mir noch zur Psychose heranwächst. Mein Verstand würde sich bedanken. Und mein Körper sowieso. Extrapfunde und so …

Das Tageblatt-Tagebuch

Das Leben ist, wie es ist. Corona hin oder her. Klar, die Situation ist ernst. Aber vielleicht sollte man versuchen, ein wenig Normalität in diesem Ausnahmezustand zu wahren. Deshalb veröffentlicht das Tageblatt seit dem 16. März (s)ein Corona-Tagebuch. Geschildert werden darin persönliche Einschätzungen, Enttäuschungen und Erwartungen verschiedener Journalisten.