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KlangweltenLieder wie Filmszenen: El Michels Affair und Black Thought

Klangwelten / Lieder wie Filmszenen: El Michels Affair und Black Thought
The-Roots-Rapper Black Thought hat zusammen mit der Soul-Band El Michels Affair ein fantastisches Werk geschaffen Foto: Crillmatic

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Leon Michels cineastische Soul-Band El Michels Affair hat sich für das vor Kurzem erschienene Album „Glorious Game“ (9 Punkte) mit Tariq Luqmaan Trotter, dem seit Jahren hoch angesehenen The-Roots-Rapper Black Thought, zusammengetan. Was die beiden erschaffen haben, ist fantastisch. El Michels Affair und Black Thought bieten eine perfekte nostalgische Synthese aus wortgewandtem Hip-hop der alten Schule und Soul – und das ohne auffälligen neumodischen Technik-Firlefanz. Die Songs strahlen eine unglaubliche Wärme und Ruhe aus und nehmen einen sanft in den Arm.

Michels und Black Thought, der im letzten Jahr schon als Sparingspartner von Danger Mouse auf dem gemeinsamen Album „Cheat Codes“ brillierte, kennen sich schon länger. Doch erst jetzt kam es zu ihrer ersten Zusammenarbeit. Im Lockdown fragte der Rapper den Musiker einfach, ob dieser ihm nicht Songs schicken wolle, zu denen er Texte schreiben könne. Michels ging in sein Studio, nahm Soulsongs auf (teils Neuinterpretationen seiner eigenen Stück), sampelte und editierte diese und hatte am Ende zahlreiche organische Instrumental-Tracks, über die Black Thought rappen konnte. „Für mich sind diese Lieder wie Szenen aus einem Film, der mein Leben darstellt. Das ist die Art und Weise, wie sie sich entwickelt haben“, sagt dieser. Hoffentlich war es nicht die letzte Zusammenarbeit der beiden.

Übrigens, wer mehr von El Michels Affair hören will, dem sei das 2009er-Wu-Tang-Clan-Coveralbum „Enter The 37th Chamber“ und dessen Nachfolger „Return To The 37th Chamber“ aus dem Jahr 2017 empfohlen.


Facettenreich: „Exotico“ von Temples

 Foto: Aurelien Guichard

Niemand Geringeres als Sean Ono Lennon, der Sohn von Yoko Ono und John Lennon, hat das vierte Album der englischen Psychedelic Rocker Temples produziert. Der Titel „Exotico“ (7 Punkte) kann in zweierlei Hinsicht verstanden werden: Es geht unter anderem um exotische Inseln, die zwar kartografiert wurden, sich aber aufgrund von Wasserspiegelungen als Täuschungen und damit als nicht-existent herausstellten. Es sind Phantom-Inseln. Andererseits wohnt der Musik von James Bagshaw (Gesang, Gitarre), Tom Walmsley (Bass), Adam Smith (Keyboard, Gitarre) und Rens Ottink (Schlagzeug) eine gewisse Exotik inne. Waren sie auf ihrem Debütalbum „Sun Structures“ dem psychedelischen Sixties-Rock verfallen, kamen im Verlauf der Jahre psychedelisch-progressiver Synthie-Pop à la Tame Impala und Dream-Pop hinzu. „Exotico“ vereint diese Einflüsse. Wer also das Rockige des Quartetts aus Kettering bevorzugt, muss etwas Nachsicht mitbringen.

Die Band hat es laut eigener Aussage genossen, sich ohne Limitierung stilistisch auszutoben. In Lennon fand sie einen geeigneten Mitstreiter hierfür. „Es gibt Lieder zum Tanzen, Lieder zum Nachdenken, und dadurch haben wir jeden Aspekt unseres musikalischen Vokabulars erforscht“, erklärt Bagshaw. Und weiter: „Bei den vorherigen Alben haben wir alles selbst aufgenommen, daher war es eine fantastische kreative Erfahrung, mit jemandem wie Sean zu arbeiten. Wenn wir eine Idee hatten, aber nicht unbedingt sicher waren, wie wir den exakten Sound hinbekommen, konnten wir ihm mitteilen, wonach wir suchten, und er hatte schon alles vorbereitet, bevor wir den Satz überhaupt beendet hatten.“ Temples schöpfen auf „Exotico“ aus dem Vollen und zeigen viele Facetten. Man muss dem Album nur Zeit geben, bis es wie in der Auskopplung „Gamma Ray“, in „Cicada“ oder in „Inner Space“ seine Schönheit vollends offenbart.


Befreiender Schmerz: „Rat Saw God“ von Wednesday

Dem entgegnen Wednesday mit verzerrten Gitarren und Feedback. Ihr Album „Rat Saw God“ (7 Punkte) eröffnet krachend mit „Hot Rotten Grass Smell“. Kopf der Band ist Karly Hartzman, Songschreiberin, Sängerin und Gitarristin in Personalunion. Eine Frau, die in ihrer Musik voll aufgeht und am Mikrofon alles gibt. In „Bull Believer“ schreit sie wie von schrecklichsten Schmerzen geplagt. Man sieht förmlich vor dem geistigen Auge, wie sie sich windet und ihr Körper sich verbiegt. Beeindruckend.

Nun ist „Rat Saw God“ aber kein Riot-Grrrl- oder Noiserockalbum. Das könnte man vielleicht aufgrund der ersten Songs annehmen. Es folgt jedoch „Formula One“, eine Ballade, in der das US-Quartett seine Hingabe für Country-Rock und Americana zur Schau stellt. Eine erstaunliche Wendung, die ihr bereits fünftes Album da nimmt. Jetzt ist auch klar, warum im Begleitschreiben von „dem wimmernden Skuzz von Neunzigerjahre-Shoegaze und klassischem Country-Twang“ die Rede ist und wieso neben Gitarrist Jake Lenderman und Schlagzeuger Alan Miller ein gewisser Xandy Chelmis als Lap- und Pedal-Steel-Spieler aufgeführt ist. Eine interessante Mischung. (Kai Florian Becker)