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Lust zu lesen„Hinter Rankweil“

Lust zu lesen / „Hinter Rankweil“
Alois Hotschnig Foto: Ruppert Larl

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Die Mutter Gerd (nicht Gerda) Hörvold des Erzählers Heinz Fritz kommt aus dem norwegischen Kirkenes. Sie hat sich während des Zweiten Weltkrieges mit Anton Halbsleben, einem österreichischen Soldaten, eingelassen, ist schwanger geworden, weshalb sie in Norwegen nicht mehr geduldet wird. Erst nach und nach erfährt man, dass sie kein Einzelfall ist, dass fast zweihundert Kinder aus solchen Verbindungen dort geboren wurden und dass der größte Teil der einheimischen Bevölkerung sehr gut mit den Nazis klarkam.

Die Mutter Gerd (nicht Gerda) Hörvold des Erzählers Heinz Fritz kommt aus dem norwegischen Kirkenes. Sie hat sich während des Zweiten Weltkrieges mit Anton Halbsleben, einem österreichischen Soldaten, eingelassen, ist schwanger geworden, weshalb sie in Norwegen nicht mehr geduldet wird. Erst nach und nach erfährt man, dass sie kein Einzelfall ist, dass fast zweihundert Kinder aus solchen Verbindungen dort geboren wurden und dass der größte Teil der einheimischen Bevölkerung sehr gut mit den Nazis klarkam. Nach der sogenannten rassenhygienischen Untersuchung wird es Gerd Hörvold im Rahmen des SS-Lebensborn-Vereins erlaubt, ins Deutsche Reich zu reisen und dort ihr „arisches“ Kind zur Welt zu bringen. Aber beide kommen in dieser neuen Heimat nie wirklich an. Zwar erreichen sie Vorarlberg, leben kurz bei der Familie von Anton, aber die Mutter hat epileptische Anfälle. Irgendetwas ist auf der Reise passiert. Der kleine Heinz kommt zu einer Pflegefamilie, in der er misshandelt wird, während die Mutter „hinter Rankweil“ eingeliefert wird. Dort steht die psychiatrische Anstalt „Valduna“. Ein paar Jahre später holt die Mutter ihren Sohn wieder zu sich und der Junge dankt es ihr sein ganzes Leben lang, obwohl sie ihm ständig sagt, er sei wohl verwechselt worden, er könne nicht von ihr sein. Wurde Gerda Hörvold in ihrer Heimat als „Nazi-Hure“ bezeichnet, ist sie nun die „Norweger-Hure“. Sie heiratet einen anderen Mann, Reinhard Fritz, der den kleinen Jungen zwingt, mit ihm im Keller Tiere zu schlachten. Bald hat man als Leser das Gefühl, die ganze Gegend liege „hinter Rankweil“.

Alois Hotschnig lässt Heinz seine Geschichte sprechen. Heinzens Sprache ist eine, die stolpert und mit jedem Satz das eigene Fremdsein dokumentiert. Es ist ein Reden, um sich der eigenen Identität zu vergewissern, sie überhaupt erst zu finden, eine Art Therapie, um das Leben auszuhalten, das man sich nicht ausgesucht hat. Das ist kunstvoll gemacht und berührt. Und es ist stimmig, weil die Hauptfigur zum einen kein von Kind an gebildeter Mensch ist, der sich gerne schriftlich ausdrückt. Zum anderen besucht Heinz später die Schauspielschule, spielt immer Nebenrollen, erlebt aber so auf der Bühne die eigene Geschichte als Rollenspiel. Heinz spricht, um nicht dem Beispiel seiner Freunde zu folgen, die sich entweder erhängen oder in eine Schlucht stürzen. Er spricht, weil er sucht. Und tatsächlich tauchen am Schluss Briefe auf, die Gerd und Anton sich geschrieben haben, aber auch andere Familienmitglieder, Briefe, die ein völlig neues Licht auf die Verhältnisse werfen und doch nichts endgültig klären.

Mit „Der Silberfuchs meiner Mutter“ hat der Kärntner Autor einen spannenden, sich entlang der Lebensgeschichte des Schauspielers Heinz Fitz entwickelnden Roman geschrieben, der das Semidokumentarische in große Literatur verwandelt.

GuH

Alois Hotschnig<br />
Der Silberfuchs meiner Mutter<br />
Kiepenheuer & Witsch 2021<br />
224 S., 20 Euro
Alois Hotschnig
Der Silberfuchs meiner Mutter
Kiepenheuer & Witsch 2021
224 S., 20 Euro