Draußen regnet es in Strömen und heulen Sirenen. Webers Chefin ruft an und staucht ihn zusammen, weil er noch immer nicht in der Firma war. Überhaupt: Frauen! Große Eroberungen lagen schon eine Weile zurück. Jetzt lebt er in einer mehr aus Gewöhnung denn Liebe eingegangenen Beziehung. Wenn es um Emotionen geht, liegt ihm sein Sportwagen deutlich näher am Herzen. Selbstzweifel überkommen ihn praktisch zu jeder Stunde des Tages. „War er glücklich (…) oder war er auch nur so ein karrieregeiles Arschloch“ wie all die anderen? Und überhaupt, „wie fühlt man sich als glücklicher Mensch? Wenn er ein glücklicher Mensch war, dann bedeutete es, dass sein Glück ein großer Haufen Scheiße war.“ Am liebsten würde er „einfach abhauen, alles hinter sich lassen, möglichst weit weggehen“. Aber reicht „Island, Färöer, die Shetlandinseln“ als Fluchtperspektive? Webers Selbstbezichtigungen nehmen derartige Ausmaße an, dass es schwerfällt, Stefan Frankes Novelle „Die kataleptische Starre“ überhaupt noch ernst zu nehmen. Schaut man sich Frankes vorheriges Buch „Der Konzern“ (2021) und dessen sozusagen spirituelle Nähe zu Werken von Franz Kafka vergleichend an, fällt der Gedanke leicht, dass es sich bei diesem Nicht-ernst-nehmen-können durchaus um einen Auftrag des Autors an seine Leserschaft handeln könnte. Es ist ja bekannt, dass Kafka beim Vorlesen seiner Texte immer wieder schallend lachte – und damit große Verwunderung bei seinem Freund Max Brod auslöste. Was in Gottes Namen ist so komisch am „Prozess“ oder der „Verwandlung“? Möglicherweise ein zu viel von allem, wenn die Zuspitzung einen Grad erreicht, den wir als überspitzt wahrnehmen, als Groteske. Selbstredend geht es in Stefan Frankes schönem, weil entschieden aufgesetztem Buch um existenzielle Fragen des Lebens. Warum verhalten wir uns so, als gäbe es noch eine zweite Chance zu leben, eine dritte, vierte? Nur als Beispiel. Wobei am Ende die Frage nach dem Sinn des Buchtitels steht und ob es überhaupt ein Leben vor dem Tod gegeben hat.
thk
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