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QuergelesenElefanten – Würdenträger der Schöpfung

Quergelesen / Elefanten – Würdenträger der Schöpfung
Im Okavango-Delta im Norden von Botswana kommt es seit Mai 2020 zu einem rätselhaften Elefantensterben

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Liebenswürdigkeit, Gelassenheit und Klugheit sehen ihnen förmlich aus den Augen, findet René Oth zu Recht.

Berichte über das unnötige Abschießen großer Elefantenherden in Afrika durch habsüchtige und sensationslüsterne Großwildjäger haben Tier- und Naturfreunde in aller Welt deprimiert und erschüttert. In der Tat hat das „weiße Gold des Schwarzen Kontinents“, wie die elfenbeinernen Stoßzähne der afrikanischen Riesen manchmal poetisch umschrieben werden, den meisten Wilddieben horrende Gewinne gebracht. Seitdem es aber unter dem Einfluss von Alarm schlagenden Artenschützern und Umweltgruppen zu wirksamen Gegenmaßnahmen gekommen ist, haben sich in Afrika neue Elefantenbestände entwickelt, die zurzeit im Okavango-Delta im Norden von Botswana durch eine bislang unbekannte Seuche bedroht sind.

In diesem riesigen Binnenfluss-Delta kommt es nämlich seit Mai 2020 zu einem rätselhaften Elefantensterben. Viele der toten Tiere sind nach vorne auf Brust und Gesicht gekippt. Noch lebende Dickhäuter verhalten sich auffällig. Sie wirken lethargisch und stolpern teils im Kreis herum, was ein Hinweis auf eine neurologische Schädigung sein könnte.

Anmut, Güte und grazile Eleganz

Als Hommage an das größte lebende Landsäugetier der Erde, mit seinen großen Ohren, der faltigen Haut und der plump gewölbten Hinterhand das Symbol par excellence für das urwüchsige Afrika, ist die außergewöhnliche Neuerscheinung „Sanfte Riesen, Hoffnung für die wilden Elefanten“ (1) gedacht. Darin hat Art Wolfe (Fotos und Anmerkungen) eine Fülle von bisher unbekannten Informationen über das soziale Verhalten der grauen Riesen aus Afrika und Asien, ihre Umwelt und ihre Intelligenz gesammelt und dem Leser mit spektakulären Bildern selten Gesehenes visuell erschlossen – in Wäldern, Savanne und Wüste: „In meiner unreifen Jugend betrachtete ich Elefanten einfach als riesige, graue Klötze. Nun, heute kann ich nach mehreren Reisen nach Afrika sagen, wie falsch ich bei meinem ersten Besuch lag. Mittlerweile verstehe ich die Elefanten und schätze sie wirklich. Es handelt sich um charismatische, anmutige Tiere von erstaunlicher Persönlichkeit. Es ist faszinierend, sie an einer Wasserstelle interagieren oder mit anderen Wildtieren über die Steppe ziehen zu sehen – dominant unter Raubtieren, Primaten und Beutetieren. Sie sind die Rudelführer, die Tiere, denen alle anderen Respekt zollen. Aber noch wichtiger – ich verstehe nun ihren unverwechselbaren Charakter, wie die geringste Bewegung sie in Alarmzustand versetzt und wie sie instinktiv auf Situationen reagieren.“

Geselligkeit, Empathie und große Weisheit

In seiner Einführung mit dem Titel „Sorge um Elefanten“ beschreibt Jeffrey Moussaieff Masson die grauen Riesen als „erstaunlich mitfühlende Wesen, besonders gegenüber ihren Jungen“: „Eine Herde wird ein verletztes Kalb nie verlassen, auch wenn das bedeutet, alle in Gefahr zu bringen. Das Mitleid erstreckt sich auf Tiere jeder Größe.“ Dieser Familiensinn der ganz besonderen Art im Tierreich hat vor allem in Indien tiefen Eindruck hinterlassen, sodass Elefanten dort bereits vor Jahrtausenden als Halbgottheiten betrachtet wurden und noch heute weiser als Menschen gelten. Äußerlich erweist sich die asiatische Variante des Tiers als feingliedriger, dunkler und eleganter als sein afrikanisches Pendant, das bulliger, schwerer und größer ist.

Trotz seiner Wertschätzung ist der Elefant in Asien gleichzeitig königlich und gewöhnlich, Herr und Diener. Einerseits ist der geschmückte Koloss der krönende Höhepunkt religiöser Feste und wird auf Tempelmauern verewigt, andererseits muss der ausgesprochen soziale Dickhäuter sich abrichten lassen, für seinen Lebensunterhalt betteln, vor Touristen Kunststücke vorführen und seine Kraft als Arbeitstier einsetzen.

In seinem längeren Textbeitrag „Die Wilderer-Krise“ äußert sich Samuel K. Wasser zu den weitreichenden Auswirkungen der entsetzlichen Jagdfrevel an afrikanischen Elefanten, die wegen ihrer Stoßzähne grausam getötet werden. Um sie vor der mörderischen Verfolgung durch skrupellose Elfenbeinjäger zu bewahren, wartet er mit wegweisenden Methoden zur Bekämpfung der illegalen Wilderei auf.

Ein Elefant vergisst nie

Tief beeindruckt von der vorsichtigen Neugier und gutmütigen Duldsamkeit der majestätischen Herrscher der afrikanischen Steppe berichten Theo B. Pagel und Brian Batstone ganz spannend in ihrem rezenten Werk „111 Dinge über Elefanten, die man wissen muss“ (2) über Lebensweise und Rangordnung, über Territorialverhalten und Rivalitätskämpfe, über Liebeswerben und Familiensinn, über Jungtiere und alte Einzelgänger …

Elefanten halten anscheinend nicht viel von Sexspielen, haben dafür aber eine sehr enge Beziehung zum Tod und empfinden Trauer, wenn ihnen nahestehende Artgenossen sterben. Auch können sie ihre Erfahrungen an nachfolgende Generationen weitergeben und sich in einem Spiegel wiedererkennen.

Die grauen Dickhäuter sind höchst raffinierte Tiere, die wie auch Delfine oder Menschenaffen über ein Ich-Bewusstsein verfügen und in der Herde dank ihres hoch entwickelten Sozialverhaltens die Führungsrolle der intelligentesten und in der Problembewältigung erfahrensten Elefantenkuh ohne Wenn und Aber akzeptieren.

Lesetipps

(1) Art Wolfe (Fotos und Anmerkungen) & Samuel Wasser (Textbeitrag): „Sanfte Riesen, Hoffnung für die wilden Elefanten“ (Frederking & Thaler Verlag in der Bruckmann Verlag GmbH, München 2019, 240 Seiten mit ca. 200 Abbildungen, Format 26,2 x 28,2 cm, Hardcover mit vierfarbigem Schutzumschlag, 49,99 €, ISBN 978-3-95416-306-9, mit einer Einführung von Jeffrey Moussaieff Masson);

(2) Theo B. Pagel & Brian Batstone: „111 Dinge über Elefanten, die man wissen muss“ (Emons Verlag, Köln 2018, 240 Seiten mit zahlreichen Fotos, Format 13,5 x 20,5 cm, Broschur, 16,95 €, ISBN 978-3-7408-0349-0)