Beim Reiseunternehmen Tui in Stockholm muss man nicht Ali Baba heißen, um eine Tür mit einer Handbewegung zu öffnen. Das Signal zum «Sesam öffne dich» kommt von einem kleinen Chip, der in die Hand der Angestellten implantiert ist.
Wenn Magnus Hüttenberend am Morgen ins Büro der Stockholmer Niederlassung des Reiseunternehmens TUI kommt, muss er nicht lange im Rucksack nach seiner Mitarbeiterkarte wühlen, um mit ihr die Eingangstür zu öffnen. Er hält einfach seine linke Hand an den Sensor und schon springt die Tür auf. Möglich macht das ein kleiner Chip, der unter die Haut zwischen seinem Daumen und Zeigefinger implantiert wurde. Darauf ist seine Mitarbeiternummer gespeichert, die das Lesegerät an der Eingangstür erkennt.
Seit eineinhalb Jahren hat der 33-Jährige diesen Mikrochip im Körper und hat es keinen Moment bereut: «Mit nur einer Handbewegung kann ich meinen Spint öffnen, in der Kantine bezahlen und mein Fahrradschloss entsperren.» Den Datenträger in der Größe eines Reiskorns unter die Haut gespritzt zu bekommen, war keine große Sache. «Es war ungefähr so, wie Löcher in die Ohren stechen», beschreibt er das Gefühl. «Nach ein paar Sekunden war der Schmerz vorüber.» Nun denkt er kaum noch an den Fremdkörper. «Nur wenn ich nervös bin, spiele ich damit wie mit meinem Ehering.»
Hüttenberend ist nicht der einzige in Schweden, der sich hat «chippen» lassen. «Wir schätzen, das zwischen 4500 und 5000 Menschen in Schweden inzwischen diese Technologie nutzen», sagt Jowan Österlund von der Firma Biohax, die Tui mit dem Chip ausgerüstet hat. Allein in den vier Tui-Niederlassungen in den nordischen Ländern haben 115 der 500 Mitarbeiter Ja zum Chip gesagt. Für den Technik-Freak Österlund ist das nur der Anfang. Er rechnet damit, dass in Zukunft die Hälfte aller Techniknutzer solch ein Implantat tragen werden.
«Unbegrenzte Möglichkeiten»
«Der Chip ist nichts anderes als ein Personalausweis», versichert er. «Der User selbst entscheidet, welche Informationen auf ihm gespeichert werden.» Die Programmierung erfolgt über das eigene Handy. Passwörter, Codes, Schlüsselkarten und Token könnten damit der Vergangenheit angehören. Die Einsatzmöglichkeiten seien unbegrenzt, meint Österlund.
Unternehmen aus Europa, den USA, den Vereinten Arabischen Emiraten, Australien und Indonesien seien interessiert. Vor allem im Bereich Sicherheit, also Zugang zu Gebäuden, Computern oder anderen geschlossen Systemen, biete der Chip gute Lösungen. Außerdem könne er eine große Hilfe im medizinischen Bereich sein. «Stell dir vor, du hast ein schwaches Herz, kippst auf der Straße um, und die Sanitäter können alle Informationen, die sie haben müssen, auf deinem Chip lesen», bringt Österlund als Beispiel.
Auch die Schwedische Bahn fand die neue Technologie interessant und ermöglichte es 2500 Kunden, die bereits einen Mikrochip tragen, ihn als Ticket zu nutzen. Doch nach zwei Jahren wurde das Experiment wieder eingestellt. «Die Technologie funktionierte nicht reibungslos», erklärt Stephan Ray von der Transportgesellschaft SJ. «Wir haben uns entschieden, die Sache nicht weiter zu verfolgen, weil wir glauben, dass es in ein paar Jahren sowieso keine Fahrkarten mehr geben wird.»
Keine Angst vor Hackern
Dass der Chip in der Hand zum Zahlungsmittel wird, sieht auch Österlund erstmal nicht kommen. «Das geht erst, wenn der Handel sicherstellen kann, dass diese Zahlungsweise zuverlässig ist.» Auch vor Hackern ist dem Schweden nicht bange. «Wir arbeiten mit den besten Hackern zusammen, damit diese Technologie so sicher wie möglich ist.» Österlund vertraut dem Implantat mehr als einem Fingerabdruck, eben weil es unter der Haut ist. «Was man nicht sehen kann, kann man nicht kopieren.»
In Deutschland steht man der Entwicklung offenkundig skeptischer gegenüber als in Schweden. «Wenn ich meinen deutschen Kollegen von dem Chip erzähle, fragen sie gleich besorgt: Wer kann dich damit tracken?», erzählt Hüttenberend. «In Skandinavien werde ich gefragt: Was kannst du damit tun?»
Wohl auch deshalb hat Tui erst einmal keine Pläne, den Chip seinen Mitarbeitern in Deutschland anzutragen. Unternehmenssprecher Kuzey Esener sagte der Deutschen Presse-Agentur in Hannover, die schwedische Tochter sei so etwas wie ein «digitales Labor» des Konzerns: «Die sind sehr offen für digitale Innovationen.» Die Idee mit den Mikrochips sei dort aufgekommen und nicht vom Konzern vorgegeben worden.
Dass es Skeptiker gibt, kann auch der Entwickler Österlund verstehen. «Wir kennen den Chip bislang nur aus Kinofilmen, in denen es um Tracking, Explosionen und andere böse Absichten geht.» Das sei irreführend. «Der User hat die volle Kontrolle», ist Österlund sicher. «Die Leute, die Angst davor haben, dass ihre Daten gestohlen werden, sollten sich mehr vor Facebook fürchten.»
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