Es ist mal wieder an der Zeit, einen Blick in die härteren Musikgenres zu werfen. Aus dem schwedischen Umeå, bekannt für seine florierende Hardcore-Szene (Refused), stammen Cult Of Luna. Die sechsköpfige Band hat seit ihrer Gründung anno 1998 schon einige Alben veröffentlicht und mit Sludge, Doom-, Prog- und Post Metal experimentiert. Fast 70 Minuten lang ist „The Long Road North“ (9 Punkte) geworden. Die dichten Songs ziehen einen schnell in ihren Bann. Ähnlich wie Neurosis, verstecken sie hinter einer mächtigen schwarzen Wand aus düsteren, schwerfälligen metallischen Sounds Melodien, die diese locker durchdringen können. Pure Schönheit können sie auch: In dem ruhigen „Beyond I“ gastiert Sängerin Mariam Wallentin von Wildbirds and Peacedrums. Es ist noch nicht zu spät, dieser Band mehr Aufmerksamkeit zu schenken. „The Long Road North“, mit seinen zehn ausufernden Songs, hat diese absolut verdient.
Kommen wir zu „Zero And Below“ (7 Punkte), dem zwölften Album von Crowbar. Die Sludge-Metal-Band um Sänger/Gitarrist Kirk Windstein bleibt ihrem Stil treu. Windstein, der auch bei der All-Star-Band Down eine wichtige Rolle spielt, serviert eine Kombination aus temporeichen Songs und langsamem Doom-Sludge. Dies garniert er mit Melodien und Gesangseinlagen, die im Ohr hängen bleiben („Confess to nothing“, „Chemical Godz“). Für Fans der Band, die 1990 vom einzig verbliebenen Urmitglied Windstein mitbegründet wurde, ist alles drin, was das Herz begehrt.
In Sachen Tempo haben ihnen Napalm Death allerdings einiges voraus. Auf ihr 1987er Album „Scum“ packten sie 40 Grindcore-Eruptionen, die in der Summe 33 Minuten lang waren. 35 Jahre später haben ihre Songs mehr Struktur und Melodien, an Härte und Lautstärke mangelt es ihnen aber nicht. Von der neuen EP „Resentment is always seismic – A final throw of throes“ (8 Punkte) seien stellvertretend „By proxy“ (mit herrlichem Geknüppel und keifendem Gesang) und weite Teile von „Man bites dogged“ genannt. Das Beste ist, dass Napalm Death auch Ohrwürmer wie „Resentment always simmers“ schreiben können, die man immer und immer wieder hören kann, und einen guten Geschmack bei der Auswahl ihrer Coversongs haben. Diesmal fiel die Wahl auf die Industrial-Rock-Vorreiter SLAB! und ihren 1988er Song „People pie“ und auf „Don’t need it“ von den Bad Brains (von ihrem selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 1982).
Die Geschichte von Napalm Death begann 1981. Die der Kanadier Voivod ein Jahr später. Ihre musikalische Reise führte sie von ihren rohen Thrash/Speed-Metal-Anfängen über Prog/Avantgarde-Metal und Alternative Metal hin zu einer Melange aus alledem. Auf ihrem 15. Studioalbum „Synchro Anarchy“ (8 Punkte), ist so ziemlich alles zu finden, was die Band bis dato ausgezeichnet hat – natürlich auch die unverkennbare Stimme von Denis „Snake“ Bélanger und der einzigartige Gitarrensound, den Daniel „Chewy“ Mongrain (seit 2008 dabei) von Denis „Piggy“ D‘Amour (2005 verstorben) übernahm. Hinzukommt das Cover-Artwork, das wie immer Schlagzeuger Michel „Away“ Langevin entwarf.
Thrash Metal im klassischen Sinne machen Vio-lence. Die Band, bei der früher Robb Flynn (heute Machine Head) Gitarre spielte, ist seit 2019 wieder aktiv – u.a. mit Gründungsmitglied Phil Demmel (von 2003 bis 2018 Gitarrist bei Machine Head) und dem ehemaligen Overkill-Gitarristen Bobby Gustafson. Bay Area-Thrash Metal-Fans bekommen bei dieser EP „Let the world burn“ (9 Punkte) möglicherweise feuchte Augen. Es ist eine Reise zurück in eine denkwürdige Zeit des Metal … und der Beleg dafür, dass dieses Subgenre längst nicht abzuschreiben ist (siehe „Screaming Always“ und den Titeltrack).
Gutes Stichwort: Im Januar 2020 veröffentlichten die Death-Thrasher Schizophrenia ihre Debüt-EP „Voices“. Kurz darauf wurden einige renommierte Plattenfirmen auf sie aufmerksam, doch was machen die Belgier? Sie entscheiden sich dazu, ihr erstes Album in Eigenregie zu veröffentlichen. Verrückt und unglaublich mutig zugleich. Jetzt können Schizophrenia das Lob für „Recollections of the insane“ (7 Punkte) – zusammen mit ihrem Produzenten Francesco Paoli von Fleshgod Apocalypse – alleine einstreichen. In den Songs geben sie Vollgas und stellen (neben das Thrash-Metal-Riffgewitter) für Death Metal-typische Blastspeed-Schlagzeug-Attacken („Cranial disintegration“). Der Spagat zwischen Tradition und Moderne ist gelungen, und zum Glück klingt die Produktion organisch, und nicht so steril und computerisiert wie so manches in den letzten Jahren.
Deutlich langsamer lieben es Konvent. Die vier Däninnen hatten bereits auf ihrem Debüt „Puritan masochism“ (2020) mit pechschwarzem Black Metal/Doom-Sound und gutturalen Lauten der Sängerin Rikke Emilie List beeindruckt. Im Vergleich zu „Puritan masochism“ steigen sie auf „Call down the sun“ (8 Punkte) in noch tiefere, entlegenere Abgründe ab. Anstatt sich mehr Hörer mit Eingängigkeit zu erschließen, scheinen sie sich lieber in der hintersten, dunkelsten Ecke verstecken zu wollen. Lists Artikulationen sind noch unverständlicher und unmenschlicher. Die Musik ist so schwarz und Gute-Laune-negierend – es ist eine Freude. Ja, Freude! Mitsingen kann man zwar nicht, aber die „Hits“ „Grains“ und „Pipe Dreams“ gehen auch so in den Körper über.
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