„Inaudible“, steht bei diesem Film dort, wo normalerweise die Sprachangabe fungiert. Unverständlich. Treffender könnte man den Film kaum umschreiben: Unverständlich ist nicht nur das Kauderwelsch, in dem sich die sinistren Gasmaskenträger ausdrücken, die die postapokalyptische Welt von Rolf de Heers Film bevölkern, unverständlich ist auch erst mal, was hier vor sich geht.
Zu Beginn sieht man tyrannische Miniaturfiguren wie aus Rithy Pans letztjährigem Berlinale-Beitrag „Everything Will Be OK“, dazu hört man gutturale Töne in einer barbarischen Sprache – so wird sich die Menschheit wohl ausdrücken, wenn jede Spur von Zivilisation verschwunden ist. Schnell merkt man, dass es sich um einen perspektivischen Trugschluss handelt: Die Figuren zieren bloß einen Kuchen, den sich Menschen mit Gasmaske feierlich herumreichen, während im Hintergrund eine Schwarze Frau in einem Käfig hockt.
Um diese namenlose Frau – im Abspann fungiert sie als BlackWoman – wird es gehen, deren mobiler Käfig am Morgen nach der Feier in einer Wüstenlandschaft abgestellt wird. Die Frau, so viel ist klar, soll auf äußerst grauenhafte Art den Hitzetod sterben. Wieso, weshalb und warum all das passiert, versteht man ebenso wenig, wie die Entführung der Hauptfigur in „Old Boy“ zu Beginn des Kultfilms verständlich ist.
Im Gegensatz zu Park Chan-wooks Revenge-Thriller wird es hier jedoch, dies dürfte jedem klar sein, gar keine Antwort geben – außer die, dass eine Spezies, die zu den Genoziden der letzten 100 Jahre fähig war, keine Beweggründe mehr für Hass, Sadismus, Tortur und Rassismus hat.
Während BlackWoman, der es irgendwann gelingt, aus ihrem Käfig auszubrechen, durch eine verwüstete Welt läuft und Bilder des Schreckens sammelt, die gleichzeitig poetisch sind, macht sich beim Zuschauer die Erkenntnis bereit, dass dies, wie bereits bei Cormac McCarthys „The Road“, vielleicht gar keine Dystopie ist: Diese Welt, in der alle dunkelhäutigen Menschen radikal exterminiert, versklavt oder gequält werden, diese von einer mysteriösen Seuche geplagte Welt, die langsam ihrem Ende zusteuert, ist gar nicht (so) fremd.
Und der einzige Hoffnungsschimmer ist in de Heers Fiktion wie auch in der Wirklichkeit die Resistenz, auch wenn sie, wie in „The Survival of Kindness“, nicht mehr laut sein darf, sondern nur noch stumm ausgeübt werden kann.
Nein, dieser Berlinale-Beitrag ist alles andere als ein Feel-Good-Movie. Aber gerade deswegen ist dieser Film, in dem 96 Minuten lang kein verständlicher Satz geredet wird und in dem wir Bilder von extremster Brutalität durchstehen müssen, ein wichtiger Beitrag – weil er uns zeigt, wie schwer, aber auch wie wesentlich das Überleben der Wohlgesinnung ist. Auch, oder gerade weil die Welt „inaudible“ geworden ist.
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