Kapitän Marc Boulanger und der Erste Offizier Tom de Ligt haben den Bordcomputer mit allen nützlichen Flugdaten gespeist. Flug LG775 nach Funchal auf Madeira ist «ready for take off».
Kurz nach dem Aufheulen der Triebwerke werden die Passagiere in die bequemen Ledersessel der Boeing gepresst und die 737-700 mit der Kennung LX-LGS streckt die Flügel dem Himmel entgegen. Flugkapitän Boulanger steuert die zweistrahlige Maschine, während der Kopilot auf Anordnung des Chefs Fahrgestell und Klappen einfährt und sich zugleich um den Funkverkehr kümmert. Nachdem die positive Steigrate erreicht ist, wird der Autopilot aktiviert.
Kapitän Boulanger zeigt sich entspannt und scheint mit dem Start zufrieden zu sein. «Ich liebe diese Maschine», lacht er und gibt uns zu verstehen: «Die LX-LGS ist eigentlich mein Lieblingsflugzeug unserer Boeing-Flotte. Ich fliege sie praktisch seit den ersten Stunden, wo sie zu uns gestoßen ist.»
Für die rund 2.670 Kilometer lange Strecke nach Madeira hat der erfahrene Pilot rund 14 Tonnen Kerosin tanken lassen, wohlwissend, dass der Verbrauch für die normale Reise so um die 8 Tonnen liegen mag. Als möglicher Ausweichflugplatz ist Porto Santo, auf der Nachbarinsel von Madeira, vorgesehen, aber mit der Reserve von 6 Tonnen Treibstoff könnte das Flugzeug problemlos auch Teneriffa-Süd erreichen.
Der Flughafen auf Madeira gilt besonders bei Insidern als hochinteressant und es soll sogar Fluzeugbegeisterte geben, welche die meiste Zeit ihres Madeira-Urlaubs nahe an den Start- und Landebahnen des Aeroporto verbringen. Aber was macht diesen Flughafen so spannend und wie bereitet sich die Crew auf diesen Flug vor? Das wollten wir vom Flugkapitän wissen.
«Aufgrund seiner Topographie ist der Flughafen Funchal, um es mal nett auszudrücken, leicht problematisch. Zu jedem Moment können Faktoren wie Wetter, die ständig wechselnden Winde, sowohl in Stärke als auch Richtung, und mögliche Windscherung durch Fallwinde den Flug beeinträchtigen. Die Enge des Flugplatzes, der zwischen Hügeln mit Wohngebieten und dem Ozean liegt, macht die Sache nicht einfacher. All dies macht den Verkehr auf Madeira schwierig. Außerdem ist eine spezifische Ausbildung durch die zuständigen Behörden erforderlich. Die von der Fluggesellschaft ausgewählten Piloten müssen ein Spezialtraining am Flugsimulator absolvieren und einen Flug mit einem Instrukteur durchführen, um so die Schwierigkeiten von Madeira zu erfassen. Für uns Piloten ist aber jeder Flug, ob nach Madeira oder sonst wo, immer mit einer Herausforderung verbunden. Zu jedem Zeitpunkt müssen wir vorbereitet sein, um im gegebenen Moment richtig und fachgerecht zu handeln.»
Im wahrsten Sinne des Wortes vergeht die Zeit wie im Flug. Reims, Paris, Amiens, Nantes, Santiago und Lissabon sind passiert und rund 140 Meilen, etwa 200 Kilometer vor dem Reiseziel, haben die Piloten bereits den Sinkflug eingeleitet und die Landeprozeduren durchgecheckt. Einzelne Wolken in einer Höhe von 500 Metern, 23 Grad Celsius bei leichtem Wind aus östlichen Richtungen bestimmen die Wetterlage auf Madeira. Durch die dünne Wolkendecke sind erstmals die höchsten Berggipfel der Blumeninsel sichtbar und durch das linke Cockpitfenster erblicken wir Porto Santo. Dem Luxair-Flug LG775 wurde die Landebahn 05 zugewiesen. Ein Instrumentenlandesystem gibt es auf Madeira nicht, so dass der Pilot auf Sicht fliegen muss. Uns steht eine enge 25- bis 30-Grad-Rechtskurve bevor, die in der Endphase geflogen werden muss, also eine eher sportliche Landung, welche Piloten bestens beherrschen, aber Flugkapitän Boulanger mit seiner 25-jährigen Luxair-Erfahrung und 17.900 Flugstunden im Logbuch warnt: «Der Flugverkehr auf Madeira induziert immer eine gewisse Gefahr. Vor einem Dutzend Jahren wurde die Piste verlängert, was uns ein wenig mehr Spielraum gibt. Wir müssen stets bescheiden bleiben, ganz unabhängig von unserer Erfahrung und Fachkompetenz, denn Madeira bleibt Madeira.»
Die Flugzeugnase ist zur Landepiste ausgerichtet, das Fahrgestell ausgefahren und die Landeklappen sind in Position gebracht. Die Bahn vor uns ragt in den Atlantik hinaus und vermittelt den Eindruck, als würde man direkt auf einem Flugzeugträger landen. In wenigen Sekunden setzt Kapitän Boulanger den Mittelstreckenjet bei einer Anfluggeschwindigkeit von um die 250 km/h gekonnt auf, die Bremsen greifen und die Schubumkehr trägt ihres dazu bei, dass die 737-700 verlangsamt und problemlos zum Gate einbiegen kann. Die Landung auf einem der gefährlichsten Flughäfen der Welt ist gemeistert – aber keine Panik – die meisten Fluggäste merken hiervon kaum etwas und können gleich nach Verlassen des Flugzeuges die Schönheiten dieser erstklassigen Feriendestination, die übrigens von Luxair auch während der Wintersaison angeflogen wird, in vollen Zügen genießen. In diesem Sinne: «Have a nice flight to Madeira!»
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