Donnerstag11. Dezember 2025

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Naivität prallt auf Nahost-Konflikt

Naivität prallt auf Nahost-Konflikt
(KuFa)

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Am Freitag hielt Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas seine wichtige Rede vor den UN in New York, am Samstag hatte das Theaterstück "My name is Rachel Corrie" in der Kulturfabrik Premiere.

Schon mit zehn Jahren saß Rachel Corrie auf dem Podium zur Pressekonferenz anlässlich des Welthungertages und sprach im Namen ihrer Schule über ihre Forderungen für eine bessere und vor allem gerechtere Welt. Gut zehn Jahre später ist sie in Gaza. Engagiert sich als Mitglied des «International Solidarity Movement» für die Rechte der Palästinenser. Hilft wo sie kann. Und schreibt auf. In ihr Tagebuch. Oder in Briefe an ihre Eltern. Am 16. März 2003 wird sie von einem Bulldozer der «Israel Defense Forces» getötet. Sie war 23 Jahre alt.

My name is Rachel Corrie, Regie: Anne Simon

Letzte Vorstellung am 29. September um 20 Uhr, in der «Galerie Terres rouges» in der KuFa, in englischer Sprache

www.kufa.lu
www.ill.lu

Kindliche Manier

Aus den Aufzeichnungen der jungen Amerikanerin machten die englische Journalistin Katharine Viner und der englische Schauspieler Alan Rickman eine Bühnenfassung. Beobachtungen eines jungen Mädchens, das in noch sehr kindlicher Manier aufschreibt, was sie sieht, fühlt und denkt. Rachel Corrie erzählt von ihren Begegnungen mit palästinensischen Familien, von ihren Träumen von einer besseren Welt, von ihrem Heimweh, von den Plänen für ihre eigene Zukunft, von dem Spannungsfeld zwischen großer Politik und individuellem Engagement.

Den Texten wohnt eine Unschuld inne, die zwar berührt, dennoch ist dieser naive Blick auf die Geschehnisse im Gazastreifen gleichzeitig auch befremdend. Um diese auch an kitschigen Formulierungen und romantischen Vorstellungen nicht sparende Textstruktur aufzubrechen und den Zuschauer davor zu bewahren, aufgedrücktem und deshalb heuchlerischem Betroffenheitstheater zu verfallen, hat Regisseurin Anne Simon sich etwas Cleveres einfallen lassen. Sie stellte den Aufzeichnungen Rachel Corries jene des amerikanischen Soldaten Jon Trouern-Trend hinzu, der etwa zur selben Zeit im Irak stationiert war und einen Blog führte.

Doch anstatt, wie erwartet, von grausamen Geschehnissen im Krieg zu erzählen, schreibt der begeisterte Vogelbeobachter nahezu ausschließlich über seine Naturerfahrungen. Durch seine Textpassagen trifft den Zuschauer eine banale und doch wuchtige Erkenntnis: Auch im Krieg ist der Irak nicht nur ein Schlachtfeld, sondern vor allem ein Land voller Naturschönheiten und seltener Vogelarten.

Das Zusammenspiel zweier Texte ermöglicht auch den zwei Schauspielern Elisabet Johannesdottir und Nickel Bösenberg eine Interaktion, die die Aufführung auflockert.

Barfuß und blond

Beide überzeugten durch ihre gradlinige Darbietung. Elisabet Johannesdottir, barfuß und mit blonden Haaren, nahm man die Rachel Corrie von den ersten Sätzen an ab. Sie spielte ein Mädchen, das trotz der schrecklichen Ereignisse um sie herum niemals ihren Glauben verliert, etwas verändern zu können. Und Nickel Bösenberg sah mit seiner Kaki-Hose, Militärstiefeln und Fernglas wirklich so aus, als käme er vom Vögelbeobachten direkt in die KuFa.

Der Abend wirkte dennoch vielleicht nicht auf jene Art, die beabsichtigt war. Das Publikum durch Zeugenaussagen eines unschuldigen Opfers über die Geschehnisse im Gazastreifen aufzurütteln und so zu berühren, dass etwas bleibt, kann wahrscheinlich nicht funktionieren. Dafür sind wir wohl alle, die die naiven 23 Jahre überschritten haben, zu abgebrüht. Zu oft haben wir die Bilder gesehen und die dazugehörenden Geschichten gehört.
Was dem Abend jedoch gelang, war, uns genau diese Abgebrühtheit unter die Nase zu reiben. Während die Aufführung lief, tobte nebenan ein Heavy-Metal-Konzert. Jugendliche grölten und lachten, Bierflaschen fielen zu Boden und die Aussagen Rachel Corries wurden mit dröhnenden Beats unterlegt. Das Leben geht weiter. Zwar nicht für Rachel – und all die Todesopfer im Irak und in Nahost –, aber für uns. Und so gingen die Zuschauer nach der Vorstellung nach Hause, Hühnersuppe essen oder eben ein Bier trinken. Morgen wird sicher ein anstrengender Tag. Und Tragödien aus dem Nahen Osten werden wir auch in Zukunft noch viele hören. So ist das eben.