Mittwoch10. Dezember 2025

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Kinder der Sechziger

Kinder der Sechziger
(Tageblatt/Hervé Montaigu)

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In Blue-Jeans und einem mindestens drei Größen zu weiten Blazer schlappte sie hinauf, auf die Bühne im Rockhal-Club. Sie grinste in die Menge, griff in die Saiten ihrer Gitarre und schmetterte los.

Patti Smith live zu erleben war sicherlich für viele Kinder der Sechziger die Erfüllung eines Traums. In den ersten Reihen des Rockhal-Clubs dominierten die Weißhaarigen. „You are fucking beautiful“ schrieen sie ihr entgegen, „I love you!“

Logo" class="infobox_img" />Beth Ditto kam nach dem Konzert ihrer Band Gossip in den Club, um zu den letzten Liedern Patti Smiths richtig abzugehen. (Bild: Tageblatt/Hervé Montaigu)

„Nie könnte ich einen Artikel über das Konzert von ihr schreiben, Patti Smith repräsentiert viel zu sehr meine eigene Geschichte“, meinte ein Journalistenkollege – mit weißen Haaren. Ganz aufgeregt war er, dass sie, die Punk-Altmeisterin, die Übriggebliebene, die Überlebende aus dem New York der Sechzigerjahre, nun zum ersten Mal in ihrer Karriere auf einer Luxemburger Bühne zu sehen war.

Gestrandet in Luxemburg

Doch es sei nicht ihr erster Aufenthalt im Großherzogtum, ließ Patti Smith ihre Fans gleich zu Beginn wissen. Damals – sie war Anfang zwanzig – strandete sie gemeinsam mit ihrer Schwester auf ihrer ersten Europareise in Luxemburg. Ohne Geld und nur das Flugticket Richtung Island in der Tasche, suchten sie nach etwas Essbarem.

Und da machte der Zufall ihnen einen Gefallen. Es war der 21. Juli 1969. Die Amerikaner landeten gerade auf dem Mond. Mit offenen Armen wurden die beiden „girls“ von „ein paar kleinen Italienern“ empfangen und mit haufenweise Spaghetti und Litern Rotwein gefüttert. Kein Wunder! Ein Abend, den Patti Smith in bester Erinnerung hat, eine Anekdote, die dem einheimischen Publikum runterging wie Öl.

Hommage an Bulgakow & Co.

Patti Smith zeigte sich den ganzen Abend über sehr kontaktfreudig und kommunikativ. Im Gegensatz zu vielen ihrer Altersgenossen, die – trotz kaputter Stimme und Motivationslosigkeit – nicht Abschied nehmen können von der Bühne, gehört Patti Smith genau dorthin. Sie amüsierte sich mit sich selbst, ihrer Band und dem Publikum und präsentierte zwischen den Klassikern von ihrem Album „Horses“ ihr neues Album „Banga“ – eine Mischung aus Punk, Rock und Balladen. Zudem ist fast jedes ihrer neuen Lieder eine Hommage: an ihren Freund Johnny Depp, der auch so manches Mal mit ihr gemeinsam auftritt, an Amy Winehouse („This is the girl“), an die Schauspielerin Maria Schneider und natürlich in erster Linie an „Banga“ selbst, den Hund aus Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“.

Als sich dann zur Zugabe noch Beth Ditto von Gossip, die zeitgleich im großen Saal der Rockhal auftrat, über die Sicherheitsabsperrungen wuchtete, sich in die erste Reihe vordrückte und zu den letzten drei Liedern von Patti Smith so richtig abging, war der Abend perfekt. Nicht nur für die Weißhaarigen, sondern auch für die Jüngeren, die der Altmeisterin des Punks auch nicht übelnehmen konnten, dass sie manchmal etwas zu sehr predigte. Ihr „Musik verändert die Welt“-Pathos verleitete sogar zum Träumen von nicht gekannten Zeiten, ihre „Lasst uns gemeinsam Beten“-Hymnen verbuchte man bereitwillig unter Altersspiritualität einer Frau, die in ihrer Jugend so ziemlich alles ausprobiert hat.