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Platte der Woche„Carpe Demon“: „In Times New Roman“ von den Queens of the Stone Age

Platte der Woche / „Carpe Demon“: „In Times New Roman“ von den Queens of the Stone Age
 Foto: Andreas Neumann/Beggars Group Germany/dpa

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Lange war es still um die Queens of the Stone Age, deren letzte von Mark Ronson produzierte Platte „Villains“ nicht nur auf Gegenliebe stieß – in einigen aktuellen Rezension wird der Kritikerkniff, die Vorgängerplatte als schlechtestes Werk der Diskografie zu schmälern, um den Trumpf der neuen zu verstärken, herbeibemüht, so ganz kann das aber an dieser Stelle nicht stehen gelassen werden, gab es doch unter den neun Songs der Platte einige herausragende Tracks und andere, die Mut zur Horizonterweiterung hatten.

Zusammen mit dem hässlichen Entlein aus dem Jahr 2017 und dessen Vorgänger „Like Clockwork“ (huch: 2013) bildet „In Times New Roman“ nun eine Trilogie, die nach dem ungestümen selbstbetitelten Erstling, den beiden Platten für die Ewigkeit („Rated R“ und „Songs for the Dead“ (2002)) und den allgemein unterschätzten „Lullabies to Paralyze“ (2005) und „Era Vulgaris“ (2007) das Spätwerk der Queens darstellen soll.

Vielleicht zählt man die drei Platten aber auch als Trilogie, weil die Besetzung der Queens seit „Like Clockwork“ die gleiche geblieben ist – was für Josh Homme seit dem Rauswurf von Bassist Nick Olivieri wegen zu krassen Drogenkonsums (auf Französisch sagt man dazu: c’est l’hôpital qui se fout de la charité) lange keine Selbstverständlichkeit ist.

„In Times New Roman“ merkt man auf jeden Fall zu jeder Sekunde an, dass hier ein eingespieltes Team von Vollblutmusikern zusammentrifft – mit dem Schlagzeuger Jon Theodore (Mars Volta), dem Bassisten Michael Shuman, dem Gitarristen und Multiinstrumentalisten Dean Fertita (The Raconteurs, The Dead Weather, Eagles of Death Metal) und Troy Van Leuuwen (A Perfect Circle) umgibt sich Homme seit 2013 von einigen der besten Musiker der zeitgenössischen Rockszene.

Entstanden ist die Platte, während Homme eine schwere Zeit durchlebte – die Trennung mit Distillers-Frontfrau Brody Dalle hinderte ihn erst mal daran, überhaupt noch Musik zu schreiben. Es war dann aber die Rückbesinnung auf das Musikschreiben, die Homme nach eigener Aussage den Arsch rettete – in hochtrabenderen Kreisen hätte man das Katharsis genannt.

Queens of the Stone Age – „In Times New Roman“
Queens of the Stone Age – „In Times New Roman“ Foto: Beggars Group Germany/dpa

Die hohe Kunst der Schwermut

Textlich verarbeitet Homme diese Schicksalsschläge nicht immer ganz subtil, was die Kollegen der Visions dazu verleitete, Hommes Abrechnung mit Dalle als misogyn zu bezeichnen (wenig konsequenterweise wurde das Album trotzdem zur Platte des Monats erkoren) – dabei sind verbale Gefechte der dem/r Expartner*in ein lieu commun der Rockmusik, der einige hervorragend kathartische hervorgebracht hat – wer als Teenager mit Herzschmerz das textlich ultrafiese „Fuck U“ von Archive nicht irgendwann gefeiert hat, werfe den ersten Stein.

So ist „Paper Machete“, auch wenn der Song textlich tatsächlich ein bisschen gemein ist, eines der frühen musikalischen Highlights der Platte, das die Geschwindigkeit nach dem gemächlichen Opener „Obscenery“ ein bisschen anzieht – und auf dem man sich, dank Hommes Crooner-Stimme und Gitarrensoli sofort wieder auf vertrautem Terrain fühlt.

Denn spätestens bei „Negative Space“ wird klar: Nach den Experimenten in Richtung Disco der Vorgängerplatte fokussiert sich die Band auf „In Times New Roman“ wieder auf das klassische Instrumentarium einer Stoner-Band: Gitarren, die gerne mal durch die Effektgeräte laufen dürfen und die sich so viel jauchzendes Bending und Soli trauen, wie man anno 2023 nicht mehr für zeitgemäß halten würde, ein Bass, der ungemein groovt, ein präzises, staubtrockenes Schlagzeug und Hommes Falsetto, das hier mehr als sonst an die Platte mit den Them Crooked Vultures erinnert.

Zünden tut auf Anhieb nur wenig, einige Tracks klingen schwer, teilweise auch etwas schwerfällig, von den frenetischen Rhythmen und den Hymnen wie auf „Songs for the Deaf“ bleibt nur wenig übrig: „In Times New Roman“ ist eine Platte, die sich langsam entfaltet – die tollen Melodien von „Obscenery“ brauchen ein paar Durchläufe, um sich zu gedeihen – und einen feststellen lässt, dass die Monotonie des Stoner-Genres (falls das hier dann überhaupt noch Stoner ist) am besten funktioniert, wenn die Songs Geschwindigkeit und das gewisse Brachiale wirksam verbinden.

So funktioniert zum Beispiel „Time & Place“ dank seines Grooves und seiner Riffs ganz besonders gut, das zähe, überlange und orientierungslose „Made to Parade“, das darauf folgt, hat eher das Zeug zur interessanten B-Seite und bremst den Flow, den die Platte gerade aufgenommen hatte.

Glücklicherweise gelingt das darauffolgende, bereits vorab veröffentlichte „Carnavoyeur“, weil die Band hier schwermütig und leichtfüßig zugleich klingt und mit Streichern und Keys das bisher staubtrockene Klangbild vervielfältigt.

Überhaupt ist die B-Seite der Platte einen Tick entspannter, dringlicher und experimentierfreudiger als die manchmal etwas schleppende erste Hälfte – „What the Peephole Say“ ist nicht nur bedeutend besser als sein etwas lahmes Wortspiel, sondern hat zudem einige der besten Riffs und Basslines der Platte und traut sich ein tolles Call-Response-Finale – und die Vorabsingle „Emotion Sickness“ funktioniert definitiv besser im Albumkontext. Wem der orchestrale Pomp von „Sicily“ etwas zu sehr nach QOTSAs Version von „Kashmir“ klingt, kann sich mit dem neunminütigen Finale „Straight Jackett Fitting“ vertrösten: Hier zieht die Band noch mal alle Register, verneigt sich vor Josh Hommes als Lebensphilosophie verkleidetem Wortspiel („Carpe Demon“) – und beendet die Platte mit einem wunderschönen instrumentalen Part.

So gelingt es den Queens zwar wie bereits auf „Villains“ wieder nicht, das späte Meisterwerk „Like Clockwork“ zu übertrumpfen – dennoch ist „In Times New Roman“ ein freudiges Wiedersehen mit einer der letzten großen Rockbands und ein würdiges Addendum zur Diskografie.

Bewertung: 8/10

Anspieltipps: „Carnavoyeur“, „Paper Machete“, „Time & Place“