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Bonneweg wird zum Spielplatz

Bonneweg wird zum Spielplatz

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Das Künstlerkollektiv MASKéNADA betreibt mit seinem neuesten Projekt „Plan B“ kreative Nachbarschaftspflege.

Als die „Banannefabrik“ in der rue du Puits im Luxemburger Stadtviertel Bonneweg im September 2011 offiziell eröffnet wurde, waren die Erwartungen groß. Mal sehen, wie sich das neue Kulturzentrum, das sechs Organisationen ein Dach über dem Kopf bietet, Probesäle bereitstellt und bewusst als Ort kreativen Schaffens gegründet wurde, sich in dem Viertel integrieren würde. Ob es ein „huis clos“ für Eingeweihte bleibt oder ob es gelingt, die Türen auch für neues Publikum zu öffnen. Das sogenannte „Trois du Trois“, eine Tanzveranstaltung, die das Trois C-L jeden dritten des Monats in der „Banannefabrik“ veranstaltet – umsonst und offen für alle –, ist in dieser Hinsicht als Erfolg zu verbuchen.

Jetzt geht das unabhängige Künstlerkollektiv MASKéNADA, das mittlerweile etwa 30 Mitglieder aus den unterschiedlichsten Disziplinen umfasst und seit 20 Jahren ungewöhnliche Orte bespielt, um etablierte Strukturen der kulturellen Kreation zu verlassen, einen Schritt weiter: Zwei Wochen lang soll Bonneweg zum Spielplatz werden, wie sich Claude Mangen von MASKéNADA auf der gestrigen Pressekonferenz, bei der auch Xavier Bettel, „der berühmteste Bonneweger“, kurz vorbei schaute, ausdrückte.

Sechs Künstler von MASKéNADA haben kleine Projekte entwickelt, die sich alle in irgendeiner Art und Weise mit dem Alltagsleben in Bonneweg beschäftigen. Und um die Bewohner von Bonneweg direkt mit einzubeziehen, werden die Veranstaltungen an verschiedenen Orten in Bonneweg stattfinden, drinnen und draußen. Die Einwohner des Viertels stolpern demnach beim täglichen Gang zum Bäcker oder in die Kneipe über eines der Projekte. Und wer einmal eines entdeckt hat, der wird sicherlich motiviert sein, den gesamten Parcours nachzulaufen und sich an den unterschiedlichen Spielstätten überraschen zu lassen. Mit vier dauerhaften Installationen, die ab dem 14. Juni im „Dernier Sol“, in der route de Thionville, in der rue Sigismond und auf dem Platz Léon XIII aufgebaut sein werden, sollen Passanten neugierig gemacht und dazu angeregt werden, eventuell auch eine oder mehrere der Abendveranstaltungen am 14., 15., 16., 28. oder 29. Juni jeweils um 18.30 Uhr zu besuchen.

Zusammenarbeit mit „Foyer Ulysse“

Die Künstlerin Alexandra Bentz hat für dieses Projekt mit dem „Foyer Ulysse“ zusammengearbeitet. Sie hat sich mit den Menschen aus dem Foyer unterhalten, sich ihre Geschichten erzählen lassen und sie nach ihren Lieblingsliedern gefragt. Daraus hat sie dann das Stück „Nur Menschen“ entworfen.

Larisa Faber und Misch Feinen haben sich in Recherchen über die Geschichte des Viertels vertieft und sind dabei auf das Leben von der blinden Marie gestoßen. Mariechen lebte Anfang des 20. Jahrhunderts als junges Mädchen mit ihren Eltern im Klosterhof von Bonneweg und verlor bei einem Bombenangriff während des Ersten Weltkrieges ihr Augenlicht. Seitdem war sie als Marie l’Aveugle bekannt und ging auch unter diesem Namen in die Geschichte ein. Larisa Faber nutzte die Pressekonferenz auch für einen Aufruf: Falls irgendjemand mehr über Marie l’Aveugle weiß oder gar ein Nachkommen des Mädchens ist, soll er/sie sich bitte bei MASKéNADA melden. Misch Feinen und Larisa Faber haben nun auf der Basis der Informationen, die sie bis dato gefunden haben, eine fiktive Geschichte geschrieben, die sie mit Hilfe von Video- und Audio-Installationen erzählen werden.

Auch das Projekt „Passages“ beschäftigt sich mit den Menschen aus Bonneweg, allerdings mit denen von heute. Im Cour du Couvent sollen durch eine gewisse vorgegebene Struktur, die sich an Handkes „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ orientiert, aber vor allem auch durch den Zufall Alltagsszenen entstehen, die auf die Mitarbeit aller Passanten sowie der Künstler von MASKéNADA angewiesen sind.

Weil die Nachbarschaftspflege für MASKéNADA nicht im eigenen Viertel aufhört, hat man sich auch noch mit dem Theater und der Tuchfabrik aus Trier zusammengetan, um die Veranstaltungen auch über die Grenzen wandern zu lassen. Und wenn die Veranstaltungen nicht wandern, dann doch zumindest das Publikum. Im Rahmen des Trierer Festivals „Maximierung Mensch“ feiert das neue Stück von Elfriede Jelinek „Aber sicher!“ am 18. Juni in der „Banannefabrik“ Premiere. Und für „Stadt in Aufruhr“, ein theatraler Stadtrundgang, werden Interessierte aus Luxemburg am 19. Juni mit dem Bus, in dem auch Performances stattfinden, nach Trier gefahren.

MASKéNADA scheint mit ihrem „Plan B“ den Begriff der aktiven Nachbarschaft neu zu überdenken. Ein guter Plan ist dies allemal.