Was ist eigentlich Thanksgiving?
Thanksgiving ist ein Erntedankfest, das in den Vereinigten Staaten jedes Jahr am vierten Donnerstag im November gefeiert wird. Offiziell erinnert der Tag an das erste Erntedankfest der europäischen Siedler in der Neuen Welt 1621. Der Legende nach war das ein trautes Zusammensein von Siedlern und Indigenen in Plymouth, im heutigen Massachusetts, wo die Europäer ein Jahr zuvor mit der Mayflower gelandet waren. Auch gilt Thanksgiving, wie der englische Name verrät, als Tag der Dankbarkeit.
Doch Thanksgiving wurde nicht immer am vierten Donnerstag im November gefeiert. 1863 bestimmte Abraham Lincoln den letzten Donnerstag des Monats als nationalen Thanksgiving-Tag. 1865 wurde das Fest nach dem Willen von Präsident Andrew Johnson am ersten Donnerstag gefeiert, 1869 änderte es Präsident Ulysses S. Grant auf den dritten Donnerstag. Danach galt wieder der letzte Donnerstag im November als Thanksgiving. 1939 dann machte die „National Retail Dry Goods Association“ Druck auf Präsident Franklin D. Roosevelt, das Fest um eine Woche vorzuverlegen, um so die Weihnachtsshopping-Saison zu verlängern. Nach einigem Hin und Her – Texas und Colorado feierten z.B. einfach zweimal Thanksgiving – wurde es 1942 gesetzlich festgehalten, dass in den USA am vierten Donnerstag im November der nationale Feiertag stattfindet.
Kanada feiert das Thanksgiving-Fest übrigens nicht im November, sondern über einen Monat vorher: Der zweite Montag im Oktober ist hier traditionell frei, oft wird das Fest aber schon am Sonntagabend gefeiert. Auch ist hier der Gedanke des – auch in Europa bekannten – Erntedankfests eher gefestigt als eine Erinnerung an das Zusammentreffen von Siedlern und Indigenen.
Nicht so friedlich wie dargestellt
Obwohl der Legende nach das Treffen 1621 in Plymouth absolut friedlich verlief, ist historisch belegt, dass die Zusammentreffen von Europäern und Ursprungsbevölkerung alles andere als harmonisch abliefen. Beide Gruppen waren schon vorher aufeinandergestoßen – und meistens endeten diese Kontakte blutig. Die Europäer schleppten außerdem Krankheiten ein, die die in den USA ansässigen Stämme dezimierten. Unter anderem die Wampanoag, jene indigene Gruppe, die mit den Europäern 1621 in Plymouth verhandelte, um sich gegen die Kolonisatoren zu schützen, fielen den Krankheiten anheim und wurden schließlich von ihren Ländern vertrieben und ermordet.
Wegen der gewaltsamen Geschichte haben die Eingeborenen Neuenglands Thanksgiving zum Nationalen Tag der Trauer erklärt. Indigene Organisationen halten an dem Tag häufig Protestveranstaltungen ab. Es ist eine Bewegung, die auch in Mexiko und Kanada immer mehr erstarkt und unter anderem fordert, dass die Kolonisation Nordamerikas und deren Auswirkungen für die Ursprungsvölker in den Schulbüchern wahrheitsgetreu wiedergegeben werden.
Thanksgiving in Luxemburg
Einer Studie des luxemburgischen Statistikamts Statec von Anfang 2022 zufolge leben ungefähr 4.900 Nordamerikaner im Großherzogtum. So ergibt es Sinn, dass immer mehr Events organisiert werden, um auch hier im Land das Erntedankfest zu feiern. „Thanksgiving ist ein Tag, der hauptsächlich für Familie, Freunde und Geliebte ist, mit denen man auf das Jahr zurückschaut und Dankbarkeit ausdrückt“, heißt es vom amerikanischen Botschafter Tom Barrett gegenüber dem Tageblatt. Das Fest werde also meistens im engsten Kreis gefeiert. Doch die American Chamber of Commerce in Luxembourg (Amcham) organisiert für Thanksgiving eines der größeren Events in Luxemburg: ein Gala-Dinner im Cercle Cité. Das findet auch in diesem Jahr wieder statt, und zwar am 25. November (also einen Tag nach „Thanksgiving“ nach unserer Zeitzone), bestätigt eine Organisatorin gegenüber dem Tageblatt. Geladen sind etwa 250 Gäste, unter anderem auch Botschafter, Minister und Repräsentanten des finanziellen und industriellen Sektors in Luxemburg. Wer am Fest teilnehmen möchte, muss sich im Vorfeld Tickets bei der Amcham besorgen.
Liebhaber der Geschichte finden im Nationalen Museum für Militärgeschichte in Diekirch eine kleine Thanksgiving-Referenz: „Im Museum ist eine Szene eines Thanksgiving-Abendessens von amerikanischen Soldaten und Luxemburgern in einem Diorama dargestellt“, erzählt ein Mitarbeiter des Museums gegenüber dem Tageblatt. Zeitzeugen zufolge haben die Soldaten im Jahr 1944 in Munshausen zusammen mit den Einwohnern der Stadt Thanksgiving gefeiert. Diese Begebenheit wird jedes Jahr auch wieder in Uniform schauspielerisch aufgeführt.
Auch andere Organisationen, wie die American Luxembourg Society, feiern Thanksgiving jährlich mit einem großen Festessen. Dies konnte die letzten beiden Jahre pandemiebedingt nicht stattfinden, jedoch soll das Festessen dieses Jahr wieder organisiert werden, bestätigt die Organisation. Und in den Luxemburger Restaurants wird die Tradition immer mehr zum Trend: Verschiedene organisieren Thanksgiving-Menüs, wo man den Abend mit Familie und Freunden im Restaurant verbringen kann.
Was ist Brauch?
Wie genau Thanksgiving gefeiert wird und was auf den Tisch kommt, hängt oft von der Familie ab. Insbesondere bei den Beilagen gehen die Bräuche weit auseinander. Eines ist jedoch bei vielen Familien auf dem Tisch: der gefüllte Truthahn. Er gilt als Symbol von Thanksgiving und auch die luxemburgischen Supermärkte versuchen das anzubieten. Doch kein Vergleich mit den USA: Hier erreichen die Supermärkte für Thanksgiving ihren Höhepunkt im Verkauf von Essen.
„Viele Europäer unterschätzen die Bedeutung von Thanksgiving in der amerikanischen Gesellschaft“, meint Eric Hamus. Der Tageblatt-Journalist hat enge familiäre und freundschaftliche Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. „In vielen Familien steht das Erntedankfest auf einer Stufe mit Weihnachten. Mit dem Unterschied, dass es an Thanksgiving ungezwungener zugeht“. Jede Familie habe so ihre Traditionen, bei denen Football und die Parade in New York im Mittelpunkt stünden.
Für viele gehört die Übertragung der Macy’s Thanksgiving Parade in New York zum Erntedankfest dazu. Die große Parade ist bekannt für ihre riesigen Ballons, die bereits am Vortag aufgeblasen werden. Da sie oft populäre Charaktere wie Olaf aus Frozen, das Pokemon Pikachu oder Ronald McDonald von McDonald’s darstellen, glänzen insbesondere Kinderaugen. Wer lieber Sport mag, der schaltet wohl eher zu den NFL-Thanksgiving-Spielen.
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