Als umstrittener Sänger der Punk-Rrock-Gruppe Feine Sahne Fischfilet hat Jan Gerkow, den alle „Monchi“ nennen, mindestens drei sehr gute bis hervorragende Alben zu verantworten, was im deutschsprachigen Raum Mitteleuropas eine recht ansehnliche Leistung darstellt! Für das gute Standing der Band sind aber vor allem deren frenetisch gefeierte Live-Auftritte verantwortlich. Und da wiederum ist der Typ vorne als zentraler Blickfang am Mikrofon entscheidend: Ein Koloss von Mann, schwitzend, brüllend, die Leute über Stunden zum Mitmachen und Austoben anfeuernd. Was 2004 als Schülerband in der tiefsten Provinz von Mecklenburg-Vorpommern begann, gipfelte 2018 mit dem Einstieg des Albums „Sturm und Dreck“ in die Top Ten der bundesdeutschen Hitparaden. Innerhalb weniger Monate waren Feine Sahne Fischfilet vom Anheizer im Vorprogramm irgendwelcher Rockgrößen zur Hauptattraktion von Konzerten und Open-Air-Festivals aufgestiegen. Dieser kommerzielle Erfolg ist Ausdruck eines tiefergehenden soziokulturellen Phänomens, das der Schauspieler/Tausendsassa Charly Hübner in einer Filmdokumentation („Wildes Herz“, 2017) zumindest festzuhalten versuchte: Aus Feine Sahne Fischfilet und vor allem Monchi wurden ab Mitte der 2010er Jahre so etwas wie Identifikationsfiguren für eine Szene, die sich vom Staat im Kampf gegen rechts im Stich gelassen fühlte. Monchi selbst bekam von Neonazis Dresche und meinte bei der Frage nach einer Anzeige bei der Polizei: „Die ermitteln doch nicht gegen ihre Söhne, Neffen und Freunde.“ So schaut es aus im Land und wer es sehen will, kann das auch – denn überall dort, wo der Wettbewerbsgesellschaft die Puste ausgegangen ist, haben sich Ressentiments gegen demokratische Strukturen festgesetzt – und davon wiederum profitieren rechte Netzwerke.
Erzwungene Pause
Von alldem schreibt Monchi in seiner Biografie „Niemals satt: Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage“, vor allem aber geht es um die schier unglaubliche Leistung, innerhalb von gerade mal zwei Jahren mit Intervallfasten und Sport 65 Kilo Lebendgewicht loszuwerden! Dass dies kein mechanischer Vorgang sein kann, sondern intensivste Selbstbefragung und Kritik voraussetzt, versteht sich einerseits von selbst. Andererseits ist genau diese Reflexion über das eigene Leben sozusagen der Erzählgrund, aus dem Monchi etwas geschaffen hat, das großen Respekt abnötigt. Denn sein Weg zum umjubelten und aktuell heftig von bislang anonym gebliebenen Aktivist*innen wegen sexueller Übergriffe gescholtenen Rockstar war keineswegs vorgezeichnet. Mit steigendem Bekanntheitsgrad von Feine Sahne Fischfilet türmten sich merkwürdigerweise auch Monchis Pfunde zu einer regelrechten Bedrohung auf. In der Fotostrecke des Buchs sieht man ihn mit freiem Oberkörper backstage abgelichtet sitzen und mit einem Fotoapparat hantieren – der Buddha des Punk-Rock! „Der Höhepunkt“ steht unter der Aufnahme, womit auf den einsamen Rekord von 182 Kilo verwiesen wird, die Monchi auf keine herkömmliche Kaufhaus-Waage wuchten konnte, ohne das Gerät schachmatt zu setzten. Nur ein Beispiel, das aber in die Richtung zeigt, an dessen Ende der Schlüsselsatz der Biografie steht: „Die komplette Selbstaufgabe brachte ein Gefühl von Freiheit mit sich.“ Doch was ist die wert, wenn man unter der Last der Kilos zusammenzubrechen droht? Für den Anfang Dreißigjährigen ist schon vor dem Arztbesuch klar, dass er über kurz oder lang durch kaputte Gelenke, durch Zucker, Herzinfarkt oder einen gediegenen Gehirnschlag in die Knie gezwungen werden wird. Und so entscheidet er sich während der durch die Corona-Pandemie erzwungenen Pause gegen den jahrelang gelebten Exzess und die Entgrenzung fürs Leben, fürs Abnehmen, für die ständige Angst vor dem berüchtigten „Jo-Jo-Effekt“, für das Glücksgefühl, das die Überwindung des inneren Schweinehundes mit sich bringt, immer wieder, jeden Tag aufs Neue.
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