Wer kennt es nicht? Das Märchen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“? Vor fast einem halben Jahrhundert wurde der Film gedreht, seit vielen, vielen Jahren ist er einer der Hauptfilme im jährlichen Weihnachtsprogramm der europäischen Fernsehsender. Die Geschichte handelt von einem jungen Mädchen, dessen Vater verstorben war. Die böse Stiefmutter zieht ihre leibliche Tochter vor und behandelt die Erstgeborene ihres Mannes wie eine Magd – deshalb erfahren wir auch ihren Namen nicht und kennen sie nur unter Aschenbrödel. Da sie ein freundliches Wesen ist – zu allen Menschen und Tieren gut – geht die Geschichte schließlich glücklich aus und sie bekommt ihren Prinzen. Aufgeschrieben hat diese Geschichte die tschechische Schriftstellerin Bozena Nemcova. Sie hatte den Stoff aus alten Erzählungen übernommen, in ihrer Fassung jedoch alle Gewalt entfernt. Wichtig ist, dass am Ende alles gut ausgeht. Und da sind wir schon bei einem wichtigen Kern eines Märchens: Es kann so erzählt werden, dass sich alle Beteiligten am Ende wohlfühlen können.
Was ist ein Märchen?
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Märchen und einer Sage oder Legende (oder der wirklichen Geschichtsschreibung) ist, dass es sich hierbei um eine frei erfundene Erzählung handelt. In diesen meist kurzen Geschichten geht es oft darum, dass arme, jedoch meist gutherzige und fleißige Menschen nach langen Mühen vom Leben und Glück doch noch einmal belohnt werden. Häufig ist mit einer solchen Erzählung auch eine moralische Lehre verbunden. In Sagen und Legenden hingegen werden meist wirkliche Ereignisse im Laufe der Zeit beim Wiedererzählen mit fantastischen Zusätzen geschmückt.
Märchen wurden viele Jahrhunderte in fast allen Völkern mündlich übertragen. Oft gab es sogar Märchenerzähler, die von Markt zu Markt, von Ort zu Ort zogen und dort ihre Geschichten vortrugen. Dafür erhielten sie dann ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Vergleichen wir die Märchen verschiedener Völker, so können wir feststellen, dass eine ähnliche Erzählung an ganz anderen Orten ähnlich wiedergegeben wird. Diesen Vergleich können wir jedoch erst von jenem Zeitraum anstellen, als die eigentlich mündlich überlieferten Geschichten von Schreibkundigen auch aufgeschrieben wurden und wir nun verschiedene Textversionen besitzen.
Neben diesen aufgezeichneten Volksmärchen gibt es aber auch noch Erzählungen, die von Schriftstellern aufgeschrieben wurden. Diese Geschichten nennen wir Kunstmärchen. Im Gegensatz zu den ursprünglich erzählten Volksmärchen, denen man keinen bestimmten Urheber zuweisen kann, haben die Kunstmärchen einen benennbaren Autoren. Beispiele hierfür sind das Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ des dänischen Dichters Hans Christian Andersen oder auch die ziemlich moderne Geschichte „Der Kleine Prinz“ von Antoine De Saint-Exupéry. Weitere Autoren von Kunstmärchen sind unter vielen Wilhelm Hauff, Oscar Wilde oder auch J.R. Tolkien (vielen bekannt vom „Herrn der Ringe“).
Und wie war das mit dem Aschenputtel?
Aschenputtel oder Aschenbrödel, so nannte man im Mittelalter Mädchen oder Jungen, die die niedrigsten Küchendienste verrichten musste, so eben den Herd säubern und in der „Asche herumputteln“. In den verschiedenen Versionen eines erzählten Volksmärchens kommt im Französischen zur Geschichte von Cendrillon, einem Küchenmädchen, das schließlich von einem Prinzen begehrt wird, der ihm einen gläsernen Schuh anpasst. Das Stück hat der Märchensammler Charles Perrault 1697 veröffentlicht. In der italienischen Variante von Giovanni Battista Basile spielt bereits 1674 „Cenerentola“ diese Rolle des aus armen Verhältnissen aufstrebenden Mädchens. Die im deutschsprachigen Raum wohl verbreitetste und bekannteste Version ist die der Gebrüder Grimm. Sie veröffentlichten „Aschenbrödel“ in ihrer Märchensammlung 1812. In der Geschichte wächst ein Mädchen in behüteten Verhältnissen auf, bis die Mutter stirbt. Nach der Trauerzeit heiratet der Vater eine Witwe mit zwei Töchtern, die das Mädchen im Haus aber peinigen. Für einen Ball beim König putzen sich die Stieftöchter auf und die ebenfalls böse Stiefmutter möchte eine von ihnen mit dem Prinzen verheiraten. Allerdings hat Aschenbrödel noch eine Chance: Bei der Beerdigung der Mutter wünschte sich diese, dass die Tochter einen Haselnussbaum aufs Grab pflanzt, von diesem könne sie sich Wünsche erfüllen lassen. So erhält Aschenbrödel ein schönes Kleid und kann ebenfalls, wenngleich unerkannt, auf den Ball gehen. Das Ende des Märchens ist euch sicher allen bekannt.
Bei Grimm ging es allerdings ziemlich blutig zu: Als die eine Tochter in den ihr zu kleinen Schuh wollte, musste sie sich eine Ferse abhacken, bei der anderen waren es die Zehen.
Für die tschechische Dichterin Bozena Nemcova war das zu viel Gewalt. In ihrer Version „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ darf sich das Mädchen auch etwas wünschen, der Prinz jedoch findet sie einfach, indem er ihr den verlorenen – und passenden – Schuh zurückgibt.
Und wer sich das Märchen noch einmal am Fernsehschirm anschauen möchte, kann das bestimmt in den kommenden Tagen tun, vor allem, wenn draußen kalte Winde wehen und man es mit der Familie kuschlig haben möchte.
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