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WohnenWie Topverdiener von Luxemburgs Wohnungsbaupolitik profitieren

Wohnen / Wie Topverdiener von Luxemburgs Wohnungsbaupolitik profitieren
Wohnungsbauminister Henri Kox Foto: Editpress/Alain Rischard

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Von der aktuellen wohnungsbezogenen Sozial- und Steuerpolitik profitieren auch Spitzenverdiener in Luxemburg. Das ist das Resultat einer Analyse der nationalen Beobachtungsstelle für Wohnraum („Observatoire de l’habitat“), die Wohnungsbauminister Henri Kox am Montag zusammen mit dem Wissenschaftler Antoine Paccoud bei einer Pressekonferenz vorstellte.

Luxemburg hat bereits seit langen Jahren ein Problem am Wohnungsmarkt. Bereits vor 40 Jahren war die prekäre Situation ein Wahlthema. Seitdem haben alle großen Parteien sich daran abgearbeitet – ohne Erfolg. Auch die aktuelle Regierung konnte bislang nicht verhindern, dass die Preise immer schneller steigen und sich selbst Mitglieder aus der Mittelschicht keine bezahlbare Bleibe mehr leisten können.

Dabei war Luxemburg lange stolz drauf, dass sehr viele Menschen in ihren eigenen vier Wänden leben. Doch auch das hat sich in den letzten Jahren gedreht. Während die Quote 2007 noch bei 74,5 Prozent lag, lag sie 2020 bei 68,4 Prozent und damit unter dem europäischen Durchschnitt.

Dass die verschiedenen Parteien in Regierungsverantwortung untätig waren, kann hingegen nicht unterstellt werden. Immerhin wurden zahlreiche Weichen gestellt. Jetzt wurde untersucht, wohin dieses Geld – ob in Form von Finanzhilfen oder Steuervorteilen – fließt. Große Überraschungen gab es nicht. Von den Initiativen profitieren Geringverdiener, aber eben auch gut Betuchte.

Mehr als die Hälfte (56%) der Gewinne aus den derzeitigen wohnungsbezogenen sozial- und steuerrechtlichen Regelungen fließt in die Taschen von Immobilieneigentümern, die zu den Top 40 der Einkommensstärksten zählen (33% der Haushalte). Weitaus weniger (18,5%) fließt in die Taschen derjenigen, die zu den 40 Prozent am anderen Ende der Skala zählen (20% der Haushalte).

Eine erhebliche Rolle bei den Berechnungen spielt die „Nichtbesteuerung von unterstellten Mieten“. Im Klartext: Würden Eigentümer von sich selber Miete verlangen, müssten sie darauf Steuern zahlen. Tun sie das nicht, kann das als ein Steuervorteil gesehen werden. Dieser Vorteil kommt natürlich vor allem Topverdienern zugute, die öfter in den eigenen vier Wänden leben und noch dazu ein größeres Zuhause haben.

Eine Rolle spielt auch die steuerliche Absetzbarkeit von Immobiliendarlehen. 88.000 Haushalte haben Schulden gemacht, um sich eine Immobilie leisten zu können. Die damit verbundenen steuerlichen Vorteile kommen vor allem gut Betuchten zugute, fand die Studie heraus.

Mietzuschüsse

Eine der bekanntesten Hilfen beim Wohnungskauf in Luxemburg ist der „Bëllegen Akt“. Dabei handelt es sich um einen Steuerkredit auf notarielle Urkunden im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Immobilie. Alleine 2020 profitierten 13.373 Menschen davon. Die Obergrenze des Steuerkredits ist auf 20.000 Euro festgelegt. Jeder, der eine Immobilie kauft, kann hiervon profitieren – egal ob Topverdiener oder Geringverdiener. Allerdings: 20.000 Euro fallen für eine arme Familie weitaus mehr ins Gewicht als für Reiche.

Geringverdiener profitieren vor allem von Hilfestellungen im Mietbereich. Etwas mehr als 4.000 Haushalte wohnen in Luxemburg in einer Mietwohnung zu einem ermäßigten Mietpreis. 73 Prozent der Haushalte, die eine solche Wohnung mieten, gehören zu den 20 Prozent mit den niedrigsten Einkommen. Staatliche Mietzuschüsse erhalten nur die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen.

Kaum eine Rolle hingegen spielt die Grundsteuer. Seit einigen Jahren steht eine Grundsteuerreform im Raum. Premierminister Xavier Bettel hatte bei seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt, bald einen Gesetzentwurf dafür vorzulegen. Daneben soll auch eine Spekulationssteuer eingeführt werden. Im Interview mit dem Tageblatt hatte der damalige LSAP-Präsident Yves Cruchten gesagt, die Grundsteuer solle sich im Idealfall nach der Bebaubarkeit und anderen Eigenschaften des Grundstückes richten. Aktuell sind die Grundsteuersätze in Luxemburg sehr niedrig.

Die aktuelle Studie wirft Fragen auf. Laut Studie haben 26,1 Prozent der befragten Haushalte ausgesagt, Eigentümer zu sein (Wohnungen, Büros, Land …), aber nur 13,1 Prozent der befragten Haushalte gaben an, Mieteinkünfte zu beziehen. Das könnte den Schluss zulassen, dass die Hälfte dieser Objekte leer steht. Aber Paccoud beschwichtigt: Hierbei handele es sich um Selbstauskünfte, es könne durchaus sein, dass viele keine korrekten Aussagen gemacht haben. Auf die Frage, warum keine Daten der Steuerverwaltung und der Gemeinden verwendet wurden, sagte Paccoud, dies sei sehr kompliziert, weil die Daten über so viele Administrationen verteilt seien; und gab zu bedenken, dass auch der Datenschutz hierbei zum Tragen komme.

Im Januar hatte Henri Kox Gesetzesvorhaben präsentiert, mit denen die aktuellen Gesetze über den bezahlbaren Wohnraum und die Finanzhilfen überarbeitet werden sollen. Die vorgestellte Studie dürfte auch als Orientierungspunkt für die Diskussion rund um das neue Gesetz dienen.

Ziel der Reform ist es, einen Bestand staatlicher Wohnungen zu schaffen, die der Staat nutzen kann, um sie den Bürgern zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen, abseits des für Spekulationen anfälligen privaten Immobilienmarkts. Andere Länder in Europa haben einen weitaus größeren Bestand an Wohnungen. Kox nannte Deutschland und die Niederlande. Musterbeispiel sei die Stadt Wien, wo 60 Prozent der Menschen in staatlich geförderten Wohnungen lebten. Wien baut sich seinen Bestand allerdings bereits seit 100 Jahren auf. In Luxemburg wurde dies in der Vergangenheit versäumt. Der Anteil liegt hier bei ca. 4 Prozent vom gesamten Bestand.

Grober J-P.
7. Februar 2022 - 10.02

"daran abgearbeitet – ohne Erfolg." Falsch, denen war es sowas von egal. Leere Versprechen im Wahlkampf.