Wer den „Faust“ gelesen hat, dem ist die Gretchenfrage sicher ein Begriff. Sie soll die Absichten und die Gesinnung aufdecken – und bringt den Gefragten dabei, so wie etwa Faust selbst, ziemlich in Bedrängnis. Die Vereinigung „CID Fraen an Gender“ wollte von neun Parteien vor dem Wahljahr 2023 wissen, wie sie es mit dem Thema Gleichberechtigung halten. Sieben haben auf den Fragenkatalog geantwortet, Fokus und KPL wollten sich nicht positionieren. Die Antworten der Parteien wurden anschließend von der Vereinigung „so objektiv wie möglich“ ausgewertet und in einer Tabelle zusammengefasst, um der Wählerschaft einen Überblick zu liefern, wie sich die Parteien zum Thema äußern. Alle Antworten sind auf der Webseite des CID frei einsehbar.
„Wir waren bei den vergangenen Wahlen mit unseren Forderungen an die Parteien etwas spät dran und die Wahlprogramme standen schon fest. Deswegen wollten wir den Spieß dieses Mal umdrehen“, erklären Isabelle Schmoetten und Claire Schadeck vom CID-FG. „So können wir erstens sehen, wie viele Gedanken sich die Parteien bisher zum Thema Gender gemacht haben und welche konkreten Ideen auf dem Tisch liegen – in einem zweiten Schritt werden wir dann mit konkreten Wahlforderungen an die Parteien herantreten.“
Dass das Thema Gender eines der zentralen Themen bei den Wahlen 2023 sein wird, da sind sich die beiden Frauen sicher. „Insbesondere für die junge Generation gehört es zu den Themen, die als besonders wichtig bewertet werden.“ Doch man wolle mehr als nur leere Versprechen, mit denen sich die Parteien nur im Wahlkampf profilieren könnten. „Gibt es keine konkreten Pläne, die umgesetzt werden sollen, kommen wir nicht voran.“
Beim Thema Geschlechtergleichheit liegt Luxemburg nach dem Gender Equality Index 2021 auf Rang neun, mit einer Gesamtbewertung von 72,4 von 100 Punkten. Während laut der EU-Studie die Gehälterkluft fast geschlossen ist (92,4 von 100 Punkten), sieht es unter anderem bei den Themen Zeit (69,1 Punkte) und Macht (53,4 Punkte) deutlich schlechter aus. Unter Zeit fällt zum Beispiel die Care-Arbeit (also wer sich um den Haushalt kümmert) und das Umsorgen pflegebedürftiger Familienmitglieder, wo Frauen in Luxemburg immer noch deutlich mehr leisten als Männer. Macht umfasst die Punkte politische Beteiligung und Führungspositionen. In Luxemburg sind derzeit nur ein Drittel der politischen Ämter von Frauen besetzt (auf kommunaler Ebene sind es sogar nur ein Viertel). Kurzum: Bis zur Gleichberechtigung der Geschlechter bleibt noch viel zu tun.
So positionieren sich die Parteien
„Eine zentrale, wenn auch wenig überraschende Erkenntnis der Umfrageauswertung ist, dass die Regierungsparteien in der Regel eher strategisch und vage geantwortet haben“, erklärt Schmoettgen. „Für die Opposition ist es natürlich leichter, konkrete Maßnahmen zu fordern. Sie werden da weniger drauf festgenagelt.“
Die DP habe sich bei ihren Antworten vor allem auf das bisher Erreichte konzentriert. „Das war aber nicht gefragt. Den Status quo kennen wir“, so Schmoettgen. Von den drei Regierungsparteien bleibt die DP dann auch am undeutlichsten und erteilt deutlich mehr Punkten eine klare Absage als die anderen beiden Parteien, u.a. der Arbeitszeitverkürzung, dem Mutterschutz und der Elternzeit für Frauen und Männer mit einem politischen Mandat. Von der LSAP sei man überrascht, dass in puncto Arbeitszeitbegrenzung nur zwei Stunden weniger gefordert werden. „Immerhin unterstützt die Partei doch die Plattform JIF und sollte sich bewusst sein, dass zwei Stunden nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind.“ „Déi gréng“ wiederum seien die genderpolitisch sensibelste Partei, mit nur sechs vagen Antworten und nur einem klaren Nein. „Was deutlich wird: Bleibt es bei der aktuellen Positionierung, geht es mit den drei Regierungsparteien in dieser Konstellation nur sehr zäh voran. Auch wenn eine Partei viel fordert: Wenn die anderen nicht mitziehen, dann geht es nicht voran. Vor allem, wenn Schlüsselministerien von jener Partei besetzt sind, die sich am meisten sträubt.“
Bei den Oppositionsparteien fällt die CSV vor allem durch die vielen unkonkreten Antworten auf. Insgesamt 18 Mal bezog die Partei keine klare Position. „Da hätte man sich mehr erwarten können, vor allem da sie christlich und sozial sein wollen. Aber aus der Umfrage geht deutlich hervor, dass Genderfragen keine große Priorität haben“, erklärt Schadeck. Schmoettgen präzisiert, dass die Antworten der Partei auch spät zurückgesendet wurden. „Ob sie bei der richtigen Person ankamen, die sich mehr mit dem Thema auskennt, wissen wir nicht.“ Insbesondere im Vergleich mit anderen Partei fällt auf, dass die Antworten der CSV deutlich kürzer sind.
Die ADR zeigt sich am konservativsten bei den Genderfragen und erteilt die meisten klaren Absagen. Ein Nein gibt es unter anderem für jede Art von „Quotenlogik“, eine Arbeitszeitverkürzung, Genderbudgeting (unterschiedliche Lebensrealitäten von Frauen und Männern finanziell zu berücksichtigen) … Die Partei sei auch die einzige, die eine Antwort mit „potenziell menschenrechtsfeindlichen Maßnahmen“ gegeben habe. Auf die Frage, wie man bezahlbaren Wohnraum für besonders vulnerable Personengruppen schaffen könnte, antwortet die ADR: „Weil die ADR eine andere Asylpolitik möchte als die aktuell von der Regierung durchgeführte, könnten viele Heime für Antragsteller auf internationalen Schutz in Zukunft für andere soziale Zwecke genutzt werden.“
Déi Lénk „ist eine klassisch feministische Partei“, die zusammen mit den Piraten die meisten konkreten Forderungen stellt. „Da die beiden Parteien in der Opposition sind, trauen sie sich auch, Maßnahmen vorzuschlagen, die vermutlich nicht bei allen Wählern gut ankommen würden.“ Wenn man die Antworten allerdings im großen Kontext betrachte, „heißt das aber nicht, dass sie kohärent mit dem Rest der Parteipolitik oder finanziell machbar sind“.
In nur einem einzigen Punkt sind sich alle Parteien einig: die Abschaffung der Armut von Alleinerziehenden. Alle Parteien nennen bei der Umfrage konkrete Maßnahmen, die jedoch teilweise sehr auseinander gehen. Das bedingungslose Grundeinkommen hingegen stößt auf breite Ablehnung. Einzig die Piraten können sich dies vorstellen.
„Aus den Antworten ging allerdings deutlich hervor, dass die Parteien den intersektionalen Ansatz nicht wirklich verstehen“, sagt Schadeck. Intersektionalität bezeichnet die Überschneidung mehrerer Diskriminierungen gegenüber einer Person, eine Realität, die unter anderem queere Frauen, Frauen mit Behinderung oder Farbige erleben. „Meistens wurde dann mit einer humanistischen Floskel geantwortet. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass manche Minderheiten sich vor doppelt und dreifachen Hürden befinden.“
„Es muss den Parteien klar werden, dass Gender bei allen großen Themen eine Rolle spielt“, fordert Schmoetten. „Ob bei arbeitsrechtlichen Fragen, den Problemen im Wohnungsbau oder bei der Sozialpolitik, man kann nicht einfach mit der Gießkanne drübergehen, und erwarten, dass die Hilfe überall gleich ankommt. Wir wissen doch längst, dass der Ansatz nicht klappt.“
* Die nebenstehende Grafik zeigt nur einen Teil der abgefragten Themen. Die komplette Grafik sowie die vollständigen Antworten der Parteien finden Sie auf der Webseite des „CID Fraen an Gender“
Gleichbereechtegung Jo,
Mee Genderen, NEE, daat ass Vergewaltegung vun der Sprooch wei' mer se vun eisen Eltern an Gro'usseltern gelei'ert go'ufen !
Genderen ass ee falschen Problem wellen lei'sen !