Winter ade, Scheiden tut weh – so heißt es in einem alten deutschen Volkslied. Was sich darin auf den Abschied von der kalten Jahreszeit bezieht, haben Soziologen der University of Washington auch bei den zwischenmenschlichen Beziehungen herausgefunden. Nach den Feiertagen – Weihnachten, Silvester und Heilige Drei Könige – beginnt ein Boom der Scheidungsanträge, der seinen ersten Höhepunkt im Jahr nach den Winterferien im März findet. Ähnliches, so die Wissenschaftler um Soziologieprofessorin Julie Brines und ihrem Doktoranden Brian Serafini, lässt sich im Jahr nur für den August beschreiben, wenige Wochen, nachdem die Paare ihren letzten gemeinsamen Urlaub verbracht hatten.
Die US-Wissenschaftler untersuchten das Trennungsverhalten in einer über 15 Jahre andauernden Langzeitstudie und kamen dabei zu dem Schluss, dass sich die Trennungen offensichtlich nach einem häuslichen Ritual vollziehen. Die sich in der Krise befindenden Ehepaare versuchen, bevorstehende Festtage nochmals als letzte Möglichkeit, die Familie zu kitten, wahrzunehmen. Argumente wie „Lasst uns nochmals ein glückliches Weihnachten feiern“ sind häufig der letzte Versuch, einen Ausweg aus der Ehekrise zu finden. Denn Feiertage sind geheiligt und für Scheidungen ein absolutes Tabu, Ähnliches gilt nur noch für den großen Sommerurlaub. Paare, die jedoch daran scheitern, ihre Eheprobleme zu lösen, ziehen im Anschluss dann die Notbremse und landen unmittelbar nach den Fest- oder Urlaubstagen beim Scheidungsanwalt. „Die Erwartungen, die die Eheleute an Feiertage oder auch Ferien stellen, sind in der Regel einfach zu hoch, der Absturz dann umso tiefer“, erklärt Brines das Phänomen.
Vor Weihnachten Scheidungsflaute
Folgt man US-Statistiken, so ebbt das Verlangen, sich zu trennen, vor den Weihnachtstagen deutlich ab. Die zerstrittenen Paare – vor allem in Familien mit Kindern – bereiten sich auf die hohen Festtage vor. Nicht nur, dass allerorten Weihnachtseinkäufe getätigt werden, die psychologische Stimmung rings um das Weihnachtsfest verspricht auch Frieden und Liebe.
Wenn jedoch alle Bemühungen, den Konflikten beizukommen, gescheitert sind, bricht Streit dann umso vehementer durch. Einen Beitrag leistet dabei oft auch noch der höhere Alkoholkonsum während der Festlichkeiten.
Am Silvesterabend entstehen dann traditionell Wünsche und Hoffnungen, die mit dem Beginn des neuen Jahres verbunden werden. Silvesterschwüre versprechen dann nicht nur, dass im kommenden Zeitlauf mit dem Rauchen aufgehört wird, sondern stellen auch einen Neubeginn der Lebensweichen, eventuell ohne den aktuellen Ehepartner, in Aussicht. Anfang bis Mitte Januar können sich dann Familienrechtler kaum über leere Agenden beklagen.
Auch im EU-Bereich haben Scheidungen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Das Großherzogtum Luxemburg zählt dabei zu den europäischen Spitzenreitern, nur übertroffen von den baltischen und skandinavischen Staaten. Könnte man für die Nordregionen das kalte und raue Klima mitverantwortlich machen, das die fehlende familiäre Wärme noch deutlicher spürbar macht, so müsste man sich bei den Luxemburgern fragen, ob nicht der hohe Lebensstandard verbunden allerdings mit gleich hohem beruflichen Stress Ehen und Partnerschaften gefährde. 2018 standen 1.896 Eheschließungen 1.230 Scheidungen gegenüber. Statistisch wurden je 1.000 Luxemburger 2,4 Ehen geschieden, nicht erfasst sind jene Paare, die bislang ohne Trauschein zusammenlebten und sich trennten.
Scheidung schmerzarm gestalten
Psychologen raten, bei einem beabsichtigten Trennungswunsch zunächst das Gespräch mit dem Partner zu suchen. Bei einem geeigneten Zeitpunkt sollte sie oder er mit dem Problem konfrontiert werden. Ein solches in Ruhe geführtes Gespräch kann wesentlichen Einfluss auf den Fortgang des Scheidungsprozesses haben, klären, ob es traditionell strittig oder doch mittels einer Mediation, die viel Ärger und Kummer ersparen kann, vonstattengehen soll. Erst wenn ein solches Gespräch mit dem Partner geführt wurde, sollte der Scheidungsanwalt aufgesucht werden. Der Prozess wird nie schmerzlos vorübergehen, doch es bleibt die Option, den Weg schmerz- und auch kostenarm anzugehen.
Und vielleicht ging bei manchen Paaren ja doch die Hoffnung in Erfüllung, dass ein liebevoll verlebtes Weihnachtsfest – verbunden vielleicht mit einem klärenden Gespräch – den drohenden Bruch repariert hat.
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