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EditorialWas Russland nach dem Krieg leisten muss – und warum die EU nichts aus dem Krieg gelernt hat

Editorial / Was Russland nach dem Krieg leisten muss – und warum die EU nichts aus dem Krieg gelernt hat
Eine Leiche liegt auf dem Boden, während Beamte im Rahmen einer Untersuchung von Kriegsverbrechen zwei Leichen aus einem Grab in einem Dorf exhumieren, das nur wenige Tage zuvor von ukrainischen Streitkräften befreit worden war. Die Behörden gaben an, dass die beiden Leichen Anzeichen von Folter aufwiesen. Foto: David Ryder/ZUMA Press Wire/dpa

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Die ukrainische Gegenoffensive hat mit der Geschwindigkeit der voranschreitenden Rückeroberungen ostukrainischer Gebiete nicht nur Beobachter überrascht, sondern vor allem auch die russische Armee. Diese hat fluchtartig den Rückzug – pardon, die Umstrukturierung – angetreten. Der Krieg aber wird auch nach der Rückeroberung aller besetzten Gebiete noch lange nicht vorbei sein – die Aufarbeitung des Krieges in Russland und dem Rest der Welt wird andauern.

„Ohne Benzin oder ohne dich? Ohne dich. Ohne dich oder ohne Licht? Ohne dich. Ohne Wasser oder ohne dich? Ohne dich. Ohne Essen oder ohne dich? Ohne dich.“ So lautet eine Übersetzung von Wolodymyr Selenskyjs Wutgedicht, gerichtet an den russischen Aggressor. Die Nachricht könnte deutlicher nicht sein – und lässt erahnen, dass die Wunden, die in diesem Krieg aufgerissen wurden, noch lange schmerzen werden.

Berichte und Bilder von Hinrichtungen und Folter ziviler Opfer in Butscha, Raketenangriffe auf Einkaufszentren – die Liste der Gräueltaten, die die russischen Besatzer in der Ukraine angerichtet haben, ist bereits unvorstellbar lang. Mit dem hastig angetretenen Rückzug der russischen Besatzer aus der Ukraine wird diese Liste weiter ergänzt. Mit jedem befreiten Dorf, mit jedem zurückeroberten Quadratkilometer werden in den sozialen Medien weitere Videos geteilt, in denen hingerichtete Zivilisten aus Massengräbern geborgen werden und Folteropfer von ihren Erfahrungen berichten.

Das sind Bilder, die auch nach dem militärischen Sieg der Ukraine nicht an Relevanz verlieren werden. Denn nach dem Krieg wird sich die Politik und Zivilgesellschaft in Russland und dem Rest der Welt mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie mit dem zukünftigen Russland umgegangen werden soll. Eine zentrale Frage wird sein, ob sich Putin auch nach dem verkorksten „Drei-Tage-Krieg“ gegen Kiew an der Macht halten kann. Doch ob mit oder ohne Putin: Russlands Zivilgesellschaft muss sich in Zukunft mit dem Geschehenen auseinandersetzen und es vollumfänglich aufarbeiten. Ein Fünkchen Hoffnung bieten derzeit einzelne Volksvertreter in Moskau, die sich in einem Brief offen gegen Putin auflehnen – und somit zeigen, dass zumindest Teile der russischen Gesellschaft eher einem demokratischen Wertekatalog als Putins Propagandaapparat folgen wollen.

Fest steht, dass Russland für die nahe Zukunft jegliche Brücken verbrannt hat. Eine (Re-)Integration in die westliche Weltordnung ist derzeit unvorstellbar. Ohne Parallelen zu Nazi-Deutschland und den damals menschenverachtenden Verbrechen ziehen zu wollen, die in ihrer Tragweite jeweils einer ganz eigenen Einordnung bedürfen: Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen zeigt, dass nach Ende des Krieges erst ein jahrzehntelanger Prozess beginnt, der auch 80 Jahre nach Kriegsende noch nicht zwangsläufig abgeschlossen sein muss. Es liegt am Nachkriegs-Russland, den ersten Schritt zu machen. Und es obliegt allein der Ukraine, wie sie damit umgehen will.

Damit Despoten und Diktaturen in Zukunft nicht nach Gutdünken souveräne Nachbarstaaten überfallen können und diese Kriege mit Europas Geldern bezahlen können, ist es aber auch an Europa und der Europäischen Union, die richtigen Lehren aus der russischen Aggression zu ziehen. Ein erster Schritt wäre, die Energie- und Außenpolitik zu überdenken und sich nicht in eine strategische Abhängigkeit von einigen wenigen zu begeben. „Wertebasierte Außen- und Handelspolitik“ war das hochgehandelte Buzzword nach Beginn des Krieges. Doch es scheint, als wäre die Message noch nicht überall angekommen. Im Juli hat sich Europa für eine Verdopplung der Gaslieferungen an Aserbaidschan gewandt – das Land, das am Dienstag seinen lange verfeindeten Nachbarn Armenien im Streit um die Region Bergkarabach angegriffen hat. Und die EU? Die schweigt – bisher.

Leila
17. September 2022 - 17.04

Bux

Sie verwechseln da was! Fragen Sie lieber (wenn Sie es wirklich interessiert) welcher Jahrgang Phil ist und wieviel Jahre dieses Thema schamhaft in Schulen totgeschwiegen wurde. Sie unterstellen ihm unterschwellig eine Wald- und Wiesenschule, ohne wirklich was zu wissen!

Bux /
16. September 2022 - 8.42

@ Phil,
Als 1964 geborener bestand meine Pflichtlektüre in der Schule aus dem „Tagebuch der Anne Frank“, „Damals war es Friedrich“, „Furcht und Elend des dritten Reichs“ ect. Begleitet wurde die Lektüre von den damals ersten filmen über den Holocaust, Gesprächen mit Überlebenden und besuchen von Gedenkstätten. Ob das ausreicht mag ich nicht beurteilen, aber das Thema war alles andere als ein „Tabu“. Ich weiß ja nicht wo Sie zur Schule gegangen sind, aber offensichtlich wurde dort noch alles unter den Teppich gekehrt.

Filet de Boeuf
15. September 2022 - 17.29

Mir maachen eben alles fir d'Demokratie, souguer wann mer dueno am Zelt virum Lagerfeuer setzen an Weldschwäin mam Bou fenken ginn. Mist een vläit mol rem eng "Kosten-Nutzen-Etude" finanzéieren.

Phil
15. September 2022 - 14.36

Deutschlands Zivilgesellschaft hat sich bis heute noch nicht zur Gänze mit den Geschehnissen im 2ten Weltkrieg auseinandergesetzt resp. solche aufgearbeitet. Im Geschichtsunterricht nach dem Krieg wurde einfach nicht darüber gesprochen, das Thema war tabu. Sie tun sich heute, 80 Jahre nach dem Holocaust, noch immer schwer mit ihrer Identität und glauben mit Geldgeschenken, Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen ihre "Erbschuld" sühnen zu müssen. Anstatt die Geschehnisse im Laufe der Jahre sich im tiefen und dunklen Brunnen der Geschichte immer weiter absacken zu lassen, wird bei jeder Gelegenheit alles wieder aufgewühlt. Wohlwissend der Fakten, und wenn man das alles in Betracht zieht, sind die Überreaktionen einer Frau Baerbock, mit der Hilfestellung einer Frau von der Leyen, was die Sanktionen gegenüber Russland betrifft bzw. das Überreagieren der Hilfestellung der Ukraine eine logische, geschichtliche Schlussfolgerung.

Robert Hottua
14. September 2022 - 15.06

"Russlands Zivilgesellschaft muss sich in Zukunft mit dem Geschehenen auseinandersetzen und es vollumfänglich aufarbeiten": Das gilt auch für das ab 1933 in Luxemburg Geschehene. Die Idealisierung von seit 1925 angekündigten drakonisch-martialisch-barbarischen Maßnahmen im allein seligmachenden päpstlichen "Luxemburger Wort" ist eine immerwährende Aufarbeitungsverpflichtung, von der bis heute im luxemburger Rechtsstaat nicht mal der Anfang gemacht wurde. So bleibt die traumatisierende Vergangenheit ewig traumatisierende Gegenwart.
MfG
Robert Hottua

Bréimer
14. September 2022 - 10.51

Jorelâng falsch westlech Politik. An déi gréisste Fehler no deem dréckegen russeschen Iwerfall. Opgehetzt an ugestachelt vun den Yankeeen an ugeschass a belunn vum ukrainesche Theater-Clown an Heeschert.
Et géif Zéit wann Europa sech géng besënnen an ophalen séng Bierger ze bedréien an ofzezocken. Mir si net am Krich mat Russland, an d'Ukraine gehéiert och net zou ons. Wann d'Preise méngen se missten, da solle se!

oswaldcl
14. September 2022 - 10.03

Ech ka mer virstellen, dass vill Russe behaapten, si hätten näischt vun de Grausamkeeten zu Butscha an op aner Plazen an der Ukrain gewosst, a fir dës Grausamkeete wieren aner Leit verantwortlech. No rechtsstaatleche Prinzipien ass och ménger Meenung no jidderee fir séng perséinlech Dote verantwortlech ; also mussen déijeneg Leit (Zaldoten) zur Verantwortung gezu ginn, déi perséinlech un de Grausamkeete bedeelegt waren. Et kann een net e ganzt Vollek kollektiv bestrofen.

Ech ka mer och virstellen, dass jonk a manner jonk Russe sech schwéier dinn, mat enger „Ierwsënd“ ze liewen, déi hinne quasi vum Ausland opgezwonge gëtt. Si wäerte sech géint dës „Ierwsënd“ wieren, oder sech hirer ze entzéie versichen. An deem Fall kann d‘Ukrain nach ganz laang op den éischte Schrëtt waarden.

Phil
14. September 2022 - 8.50

Aserbaidjan... majo dann... ech hätt geduecht d'EU wéilt juste nach mat Demokratien Handel bedreiwen. Vom Regen in die Traufe.
Aktivéiert dach endlech Nord Stream ll. Déi Pipeline huet villzevill Geld kascht fir déi broch do léien ze loossen. Déi Sanktiounen géint Russland hun sech als Bumerang géint den Initiator Europa gedréint an kaschten d'Aen aus dem Kapp. Deem seng Bierger mussen elo schon massiv ënnert de Konzequenzen leiden... an de Wanter ass nach do! Egal wien an Russland d'Soen huet, mir kënnen Russland net négéieren an wéi en Tumor aus dem Globus erausoperéieren, och wann verschidden Leit aus dem "gudden" Westen dat gären esou hätten. Vun deem mat allen Waasser - ausser Weiwaasser - gewäschenen Comedy-Star aus der Ukraine hun mir jiddefalls näischt ze erwarden... nëmmen give me, give me - give me Money, give me Weapons! An déi Roll spillt hien gutt!

w.d.
14. September 2022 - 7.58

Da die russische Ultranationalisten schon lange ein viel härteres Vorgehen gegen die Ukraine einfordert, ebenso die Kommunisten, bin ich auf die kommenden Artikel der Journalisten gespannt. Denn ob die westlichen Werte so erstrebenswert sind, liegt in der Einstellung und Analyse eines jeden selbst. Da die Ukrainer ja die Vorzeige und Gutmenschen schlechthin sind, mit tollen, westlichen Waffen und Geld für einen Stellvertreterkrieg missbraucht, die von Ihren Präsidenten mit schauspielerischen Talent weiter angestachelt werden, müssen sich dann über eine noch schlimmer Eskalation nicht wundern. Und auch die westliche Welt nicht. Aber das werden auch noch Journalisten lernen!