Anlässlich des nahenden zweiten Jahrestags der Corona-Pandemie in Luxemburg habe ich in der vergangenen Woche etwas im Tageblatt-Archiv gestöbert. Dort traf ich auch auf einen alten Bekannten, den ich zwar nicht vergessen, aber doch in den vergangenen beiden Jahren etwas ignoriert habe: einen Leitartikel vom 13. Februar 2020, also kurz bevor die Pandemie zum alles bestimmenden Objekt wurde. Das Thema des Meinungsstücks: Ist das Coronavirus gefährlich?
Nun, im Nachhinein ist man immer etwas schlauer, deshalb hatte ich vor der Betrachtung meiner Ergüsse von damals nicht die allergrößten Erwartungen. Aber interessanterweise behandelte das Werk ein Problem, das zwei Jahre später mindestens genauso aktuell ist. Ein Augenmerk legte es nämlich ausgerechnet auf Verschwörungstheorien, die aufkamen, als das Virus in Fernost Fahrt aufnahm. Während die einen Covid-19 schon damals und vor jedweden wissenschaftlichen Erkenntnissen als harmloses Sommergrippchen abtaten, sahen die anderen die von geheimen Mächten gesteuerte Apokalypse kommen.
Zahlreiche wirre Internetseiten hatten vor diesem Hintergrund vor allem eine Verbindung zwischen dem Ausbau des 5G-Handynetzes und, tja, der Verbreitung des Coronavirus ausgemacht. Kurz vor Ausbruch der Pandemie in Wuhan – das behaupteten die Verschwörungs-Erzähler – wurden dort nämlich die ersten 5G-Antennen aufgebaut.
Der belgische Soziologe Bruno Frère sagte im Tageblatt-Interview am Wochenende, dass einige Menschen während der Pandemie vor allem aus folgendem Grund zu Verschwörungstheoretikern wurden: Weil sie nicht mehr an kollektiven Ereignissen teilnehmen konnten, bei denen sie ihre Leidenschaften oder ihre Hilflosigkeit in einem überlegten und gebildeten Rahmen ausdrücken konnten.
Durch tatkräftige Hilfe von Facebook und Populisten haben sich Verschwörungstheorien und Fake News aus einer Nerd-Nische hinaus und immer mehr in die Newsfeeds von Normalo-Bürgern geschlichen. Die 5G-Verschwörungstheorie gab es schon vor Corona. Und auf diese Flammen regnete in den Echokammern der sozialen und „alternativen“ Medien dann das Benzin der Pandemie – und katalysierte für einige ein erschöpfendes, umfassendes Gefühl der Unsicherheit.
Dieses Gefühl der Unsicherheit ist es auch, was einige Menschen auf die Straße treibt. Denn insgeheim haben die meisten, die in Luxemburg und andernorts demonstrieren, trotz allen Gebrülls wohl nur einen einzigen, relativ bescheidenen und nachvollziehbaren Wunsch: Sie wollen, dass alles wieder so wird wie vorher. Auch der Soziologe Frère meint: „Die Menschen werden aufhören, auf die Straße zu gehen, wenn ihnen erlaubt wird, ein normales gesellschaftliches Leben zu führen.“
Das „alles wie vorher“ rückt jedoch umso weiter in die Ferne, je mehr die Menschen Lügnern, Populisten und Verschwörungstheoretikern auf den Leim gehen, die sie mit aller Gewalt weiter vom Rest der Gesellschaft wegzuziehen versuchen. Denn wenn Populisten eines können – und das hat uns die Geschichte beileibe gelehrt –, dann das: ein Gefühl der Unsicherheit zu säen und auszunutzen. Sie gießen Öl ins Feuer und starten fragwürdige Aktionen, um den Weg zurück immer länger zu machen.
Übrigens: Im Land des ewigen Netzausbaus – Deutschland – hat man auf der Autobahn zwischen Trier und der Luxemburger Grenze stellenweise noch immer nicht einmal „2G“. Dennoch gab und gibt es im Nachbarland überraschenderweise den einen oder anderen Corona-Fall.
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