„Bei Kindern ist es so: Wenn sie etwas erleben, was sie noch nicht kennen, dann ist das wie bei einem Computer“, sagt Frank Liehr, Geschäftsführer bei der Initiative „Pflasterpass“. Kinder gingen zurück auf Werkseinstellung. „Bis zu dem Moment, als noch alles okay war. Sie verhalten sich dann manchmal ganz irrational, weil sie nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen“, erklärt Liehr.
„Pflasterpass“-Kurse ab vier Jahre
Genau darum geht es in „Pflasterpass“-Kursen. Hier lernen Kinder ab einem Alter von vier Jahren bis zur zweiten Klasse, was ein Notfall ist und wie sie selbst helfen können. „Kinder bringen schon fast angeboren die Grundlagen für die Erste Hilfe mit“, sagt Liehr. Das ist vor allem ein großes Maß an Empathie. „Die kleine Michelle fällt hin und Sarah, ihre Freundin, weint erst mal mit, streichelt sie und pustet auf die Wunde.“ In der Ersten Hilfe nennt man das Zuwendung zu einer verunfallten Person.
Auch der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) bietet Erste-Hilfe-Trainings für Kinder an, diese starten schon mit den Dreijährigen. „Eins können auch Kinder immer tun: Hilfe holen“, erklärt Edith Wallmeier, Geschäftsführerin Einsatzdienste und Bildung beim ASB-Bundesverband. Ein ganz wichtiger Punkt ist daher, dass Kinder die Notrufnummer 113 kennen und auch wissen, dass sie dort anrufen dürfen.
„Wenn wir Kinder im Kurs fragen, ‚Dürft ihr schon die Notrufnummer wählen?’, dann kommt zu 90 Prozent ein Nein“, sagt Liehr. In diesem Punkt können auch Eltern zu Hause ihren Kindern Mut machen: Sie dürfen und sollen im Notfall den Rettungswagen rufen.
Während die Sieben- bis Zehnjährigen schon selbst einen Notruf absetzen können, können die Kleineren zumindest jemanden bitten, das zu tun. Um beim Rettungsruf Auskunft geben zu können, sollten Eltern solche Anrufe mit den Kindern üben. „Laut und deutlich sprechen und seinen Namen nennen“, erklärt Edith Wallmeier. „Sagen, wo man ist, und wenn man das nicht weiß, jemanden danach fragen.“
Selbst praktisch helfen können Kinder entsprechend ihres Alters. Bei den Kleinen geht es unter Anleitung darum, Pflaster zu kleben oder eine Wunde zu verbinden. „Wir üben das gegenseitig oder auch spielerisch an Puppen oder Teddys“, sagt Edith Wallmeier. Bei den Vorschulkindern gehören bereits Seitenlage und Druckverbände zum Kursprogramm.
Wenn Kinder Erwachsene zu Wiederbelebung anleiten
Schulkindern wird in den Pflasterpass-Kursen auch die Wiederbelebung gezeigt. „Selbst wenn ein Kind körperlich nicht dazu in der Lage ist, eine Wiederbelebung durchzuführen, kann es erwiesenermaßen Erwachsene anleiten, was zu tun ist“, sagt Frank M. Liehr.
Hilfe holen von den Großen, auch das können Eltern ganz konkret mit ihrem Kind durchsprechen: Gibt es etwa einen bestimmten Nachbarn, wo sie im Notfall klingeln können? In manchen Städten gibt es zudem laut Liehr sogenannte Rettungsinseln. „Da sind an Geschäften Aufkleber, die Kindern zeigen, dass sie dort hineingehen und Hilfe bekommen können. Sie können aber auch Busfahrer ansprechen, die sofort Hilfe rufen können.“
Generell haben Kinder ein großes Bedürfnis, zu helfen, weiß die ASB-Geschäftsführerin. „Sie sind begeistert bei der Sache. Und sie gehen ohne Berührungsängste an das Ganze heran. Sie überlegen schnell: Kann ich selbst was tun oder soll ich Hilfe holen?“
Lernen die Kinder mit anderen zusammen in der Gruppe, zum Beispiel in Kita oder Schulklasse, geht außerdem ordentlich die Post ab. „Wissen Sie, was die für einen Spaß haben, wenn wir ihnen erklären, wie eine Rettungsdecke funktioniert und alle wie Astronauten durch die Gegend rennen?“, fragt Liehr.
Taschenlampen-Check und Notfallverhalten einüben
Der ASB trainiert Kinder außerdem für Ausnahmezustände wie Starkregen oder Stromausfall. Kindgemäß geht es um kleine Dinge wie etwa, die Taschenlampe parat zu haben oder mit den Eltern noch mal zu prüfen, ob genügend Kerzen im Haus oder der Wohnung sind. „Die Kinder kommen dann nach Hause und fragen direkt: Haben wir Taschenlampen und auch genug Batterien?“, sagt Edith Wallmeier.
Notfallverhalten können auch Eltern zu Hause mit ihren Kindern einüben. Die Sorge, ihnen damit zu viel zuzumuten, müssen sie nicht haben. Natürlich sollten die Gespräche immer kindgerecht sein, ohne Angst zu machen. „Wir fragen zum Beispiel: ‚Was braucht ihr, damit ihr nicht friert?’“, erzählt die ASB-Expertin. „Oder wir erklären den Kindern, dass sie, wenn der Keller überschwemmt ist, bei ihrer Familie bleiben und nicht mehr dort hinuntergehen sollen.“
Generell geben Wissen und Übung den Kindern Sicherheit und ein Gespür dafür, was sie selbst tun können und wie sie Leben schon nur dadurch retten können, indem sie Hilfe holen. „Das macht sie wahnsinnig stolz“, weiß Frank Liehr, „und sie setzen es auch um.“ In vielen Fällen seien Kinder schon zu Rettern ihrer Eltern geworden. „Kinder können das.“
Warum nicht solche Kurse in den Schulen anbieten? Erste Hilfe oder Feuerlöschertraining.