Mit Joëlle Welfring folgt auf den Posten der Umwelt- und Klimaministerin Carole Dieschbourg eine Technokratin. Joëlle Welfring hat bislang keinerlei politische Erfahrung – und ist auch nicht der erste Quereinsteiger in der bisherigen Legislaturperiode. Überlegungen zur demokratischen Legitimierung der Regierung.
Eins vorweg: Die Nominierung von Joëlle Welfring bricht nicht mit der Tradition dieser oder vorheriger Regierungen und ist aus rechtlicher oder prozeduraler Sicht einwandfrei. Ein gewisser Jean-Claude Juncker wurde 1982 zum Staatssekretär ernannt, ehe er bei den Parlamentswahlen 1984 erstmals ein Mandat errang. Mit Pierre Gramegna, Yuriko Backes und Paulette Lenert sind unter Premierminister Xavier Bettel bereits drei Quereinsteiger zu Ministerehren gekommen, ohne sich den Wählern zu stellen.
Lediglich die etwas verfrühte Ankündigung des großherzoglichen Hofes, der noch vor der Absegnung durch den Grünen-Parteitag ein Datum zur Vereidigung der neuen Personalie bekannt gegeben hatte, kann als Schönheitsfehler im Vereidigungsprozedere angesehen werden. Dass Joëlle Welfring noch keine Grünen-Parteikarte hatte, wurde aufgrund ihres bisherigen Lebenslaufes und ihrer Karriere in der Umweltverwaltung ohnehin als reine Formalie verkauft.
Dass aber ausgerechnet für das Klima- und Umweltministerium keiner aus den Reihen der Grünen als Kandidatin infrage kommt – aus statutarischen Gründen haben die Grünen eine Frau als Nachfolgerin von Carole Dieschbourg gesucht, Geschlechterparität oblige –, wirft dann doch einige Fragen auf. Gleiches gilt für die DP, die erst mit Pierre Gramegna und dann mit Yuriko Backes einen Auswärtigen auf den Posten des Finanzministers nominiert hat. Beides sind Ministerien, die eigentlich fest mit den Kernthemen der jeweiligen Parteien assoziiert werden. Zur Dreifaltigkeit fehlt eigentlich nur noch, dass die LSAP für den Posten des Arbeitsministers beim OGBL wildert.
Die jeweiligen Posten mit Experten ihres Faches zu besetzen, erscheint auf den ersten Blick logisch. Schließlich kennt – bis auf die Mitglieder der parlamentarischen Umweltkommission – keiner die Dossiers im Umweltministerium besser als die langjährigen hohen Beamten. Jedoch verkennt diese Vorgehensweise den Prozess der demokratischen Willensbildung, der alle fünf Jahre in den Chamber-Wahlen seinen Ausdruck findet und den gewählten Volksvertretern und der daraus resultierenden Regierung mit einem bestimmten politischen Auftrag versieht. Wissenschaftler, Experten – oder auch pejorativ: Technokraten – fällen Entscheidungen auf Basis wissenschaftlicher Fakten, verkennen aber eventuell den demokratischen Prozess dahinter. In einem solchen Fall läge es an den gewählten Volksvertretern, den Parlamentariern, die Interessen der Bevölkerung zu wahren. Dass sich Luxemburgs Parlament seiner Rolle oder der Tragweite seiner eigenen Macht nicht bewusst ist, wurde jüngst in der Debatte um das Gasembargo wieder deutlich.
Joëlle Welfring hat deswegen bei ihrer Antrittsrede einen Vertrauensvorschuss bei der Grünen-Basis erbeten, den diese mit einer 174-zu-1-Mehrheit auch gewährte. Das bedeutet jedoch auch: Nicht nur bei der Grünen-Basis, sondern auch beim Luxemburger Wähler insgesamt gilt es nun, dieses nicht vorhandene Vertrauen nicht zu verspielen. Erst recht, weil Welfring angekündigt hat, sich 2023 der Wählergunst zu stellen.
Hätte Welfring sich nicht sofort eine grüne Parteikarte aufzwingen lassen, hätte sie aufgrund ihrer Ausbildung meine Sympathien.
Juncker, Frieden, Pascale Hansen, Nicolas Schmit, Pierre Gramegna, ja sogar Etienne Schneider, ich könnte weitermachen. Die Liste ist lang und wir wählen ein Parlament, keine Regierung… Es ist ganz einfach Praxis in Luxemburg und positiver Nebeneffekt ist, dass wir eben nicht nur Berufspolitiker haben die nicht abtreten wenn ihr Verfallsdatum abgelaufen ist, weil sie sonst nichts können.