Randale vor dem Haus des Premiers, gestürmte Weihnachtsmärkte, belagerte Nationalsymbole und zurückgepfiffene Menschenrechtsaktivisten. Es erstaunt, wie wenig aggressive Corona-Demonstranten es braucht, um den Staat als machtlos dastehen zu lassen.
Alles, was das Land in der abgelaufenen Woche in Aufregung versetzt hat, war im Vorfeld öffentlich angekündigt worden. Niemand musste sich klammheimlich verabreden. Die Wortführer der Proteste hatten quer durch die verschiedenen sozialen Medien massiv für ihre Aktionen geworben. Trotzdem schienen die Ausschreitungen alle Verantwortlichen völlig unvorbereitet zu treffen. Wie es zu dieser Blamage kommen konnte, weiß man trotzdem nicht. Aufklärung von offizieller Seite gibt es kaum. Wie so oft.
Mangelhafte Kommunikation zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Pandemie. Das schadet dem Vertrauen. Der wachsende Verdruss in der Gesellschaft rührt auch daher.
Premier Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert äußerten wiederholt Verständnis für Impfzweifler und kündigten im nächsten Satz Verschärfungen an. Was wohl als „Brückenbauen“ gedacht war, passt in dem Fall nicht zusammen. Mit einer solchen Kommunikation riskiert man, beide Seiten zu verprellen. Die miese Impfquote kam mit Ansage. Die Grünen setzten mit Christianne Wickler eine Vordenkerin der Schwurbelszene an die Cargolux-Spitze; zahlreiche Impfzweifler dürften das als staatliche Starterlaubnis empfunden haben. Zuletzt hat der zögerliche Umgang mit den Einladungen zur Booster-Impfung das Grummeln der Impfbefürworter lauter werden lassen.
Xavier Bettel, noch angeschlagen von der Plagiatsaffäre, befindet sich in seiner vielleicht schwierigsten Phase als Premier. Darüber wird die überraschende Nominierung von Yuriko Backes zur künftigen Finanzministerin nur kurz hinwegtäuschen. Die Pandemie ist nicht vorbei, es werden noch schwierige Entscheidungen zu treffen sein. Im auslaufenden Jahr hat Bettels Regierung viel Vertrauen leichtfertig und unnötig verspielt. Das nagt am Zusammenhalt innerhalb der Koalition. Die meisten Regierungsmitglieder wirken erschöpft und die Schuld für die schlechte Stimmung sucht man am liebsten bei den anderen. Dabei bräuchte es gerade jetzt einen besonderen Elan, um die Herausforderungen dieses Winters zu meistern.
Fenster auf, einmal lüften, hieß das Motto bei Gambia I. Mit den nächsten Wahlen bereits am fernen Horizont stellt Gambia II die Fenster nun einmal auf Kipp – die drei Einwechsel-Minister Yuriko Backes, Georges Engel und Claude Haagen sollen das etwas muffig gewordene Koalitionszimmer in schwierigen Zeiten auffrischen. Ganz schön viel Verantwortung für Neueinsteiger.
Das Einzige, was DP, LSAP und Grüne nicht zu befürchten haben, ist der Dampf, den die Oppositionsparteien eigentlich machen müssten. ADR und Piraten mögen im Aufwind sein, bleiben aber klein. „déi Lénk“ bleibt „déi Lénk“. Und von der CSV ist nur der Rauch zu sehen, der nach den eigenen Knieschüssen aufsteigt.
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