„Ich esse im Klassenzimmer ein Eis“: Dieser Satz enthält in der deutschen Sprache klar voneinander unterscheidbare Wörter – im Französischen ähneln sich allerdings zwei davon, vor allem, wenn man sie ausspricht. Die Aussprache von „glace“ („Eis“) und „classe“ („Klasse“) ist am Freitag eines der Themen im Französischunterricht im „Service de la formation des adultes“ (SFA) des Bildungsministeriums. Unterrichtet werden die Lernenden im „Bâtiment D“, einem Containerbau auf dem Kirchberg. Am Freitag ist dort jedoch kein normaler Unterrichtstag.
Zwei der Klassen in dem Gebäude bekommen Besuch von Bildungsminister Claude Meisch (DP) und der Presse. Sie wollen sich die Anwendung eines neuen Wörterbuches in der Praxis ansehen, das unmittelbar vor dem Besuch offiziell vorgestellt wurde. Es umfasst die Sprachen Ukrainisch, Luxemburgisch und Französisch. In dem ersten Klassenraum herrscht leises Getuschel, als der Minister gemeinsam mit einigen Pressevertretern und weiteren Männern den Raum betritt. Mit Sätzen wie „Je mange une glace dans la classe“ üben die zwei Lehrerinnen dann mit der Klasse das Aussprechen von ähnlich klingenden Wörtern und das Bilden von Sätzen, in denen diese enthalten sind. Auf der Suche nach den jeweiligen Wörtern blättern die Französischschüler in dem neuen Wörterbuch. Viele von ihnen sind Geflüchtete aus der Ukraine, doch im SFA werden auch Menschen mit anderer Muttersprache, zum Beispiel Arabisch oder Farsi, unterrichtet.
ASTI mobilisierte Freiwillige und Mitarbeiter
Das neue Buch ist nicht das erste dreisprachige Wörterbuch, das Luxemburgisch mit einschließt, sondern bereits das vierte seiner Art. Das erste Buch der Reihe entstand laut dem Ministerium im Jahr 2015, während der verstärkten Ankunft syrischer Flüchtlinge im Großherzogtum. Das Buch dazu enthielt dementsprechend Luxemburgisch, Französisch und Arabisch. In Form eines Wortverzeichnisses sollten die Menschen ihre Sprachkenntnisse selbstständig weiter vertiefen können.
Wie bereits zuvor mobilisierte der Verein zur Unterstützung eingewanderter Arbeitnehmer (ASTI) Freiwillige und eigene Mitarbeiter, die die Wörter in die jeweiligen Sprachen übersetzten und so die inzwischen vier Wörterbücher entstehen ließen. „Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen“, sagt ASTI-Präsident Evandro Cimetta auf der Pressekonferenz am Freitag. 2017 erschien laut dem Bildungsministerium eine Ausgabe in Farsi beziehungsweise Dari für die Menschen aus Afghanistan und dem Iran, 2018 eine in Tigrinisch für Menschen aus Eritrea. Das Ministerium unterstützte die ASTI bei dem Projekt, erstellte das Layout und übernahm die Kosten für Druck und Versand, so Meisch. Das aktuelle Buch umfasst 1.500 Wörter in den drei jeweiligen Sprachen und wurde in einer Auflage von 5.000 Exemplaren gedruckt. Zur Einordnung: Laut dem Bildungsministerium haben zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober 4.774 Menschen aus der Ukraine temporären Schutz in Luxemburg beantragt.
Auch Luxemburger sollen angesprochen werden
Über die 1.500 Wörter hinaus thematisiert es verschiedene Ausdrücke aus dem alltäglichen Sprachgebrauch und soll bei der Kontaktaufnahme zwischen den Neuankömmlingen und den Einwohnern Luxemburgs helfen. Außerdem ist das Wörterbuch nicht nur für Geflüchtete gedacht. Auch Menschen, die sich einfach für die drei Sprachen oder eine davon interessieren, sollen von der Neuerscheinung angesprochen werden, erklärt Siggy Koenig, der Co-Koordinator des Projekts. Beispielsweise hätte die erste Ausgabe des Wörterbuchs das Interesse vieler französischer Grenzgänger geweckt, weil sie auf diesem Wege ein luxemburgisch-französisches Wörterbuch hatten bekommen können. „Man wird davon nicht dümmer“, scherzt Koenig. Außerdem seien einige ukrainische Wörter ihren luxemburgischen Übersetzungen recht ähnlich, zum Beispiel bei den Wörtern „Schraube“ und „Telefon“. Solche Wörter werden in dem Buch hervorgehoben – um das Lernen der Sprachen leichter und interessanter zu machen, so das Ministerium.
Dass das Luxemburgische im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen in diesen Büchern mit einbezogen ist, soll die „zentrale Rolle der Landessprache in der luxemburgischen Gesellschaft“ stärken, erklärt das Bildungsministerium in einer Pressemitteilung vom Freitag. „Es erleichtert auch den Zugang zur ukrainischen Sprache für Luxemburger, die mit ihren Nachbarn, Kollegen, Studierenden und so weiter kommunizieren möchten.“ Das kyrillische Alphabet sei zudem recht einfach zu erlernen, da es dem lateinischen Alphabet relativ nahekomme.
Das neue und die anderen drei dreisprachigen Wörterbücher können kostenlos beim Bildungsministerium bestellt werden. Die Adresse:
Ministère de l’Education nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse
Service de la formation des adultes
15, rue Léon Hengen
L-1745 Luxembourg
E-Mail: sfa@men.lu
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