Je länger Putins Krieg in der Ukraine dauert, desto schwieriger wird es mit der europäischen Solidarität. Das hat auch der EU-Gipfel in Brüssel gezeigt.
Würde man die 27 EU-Staaten auf einer Skala verteilen, stünden am einen Ende Balten, Finnen und Polen, am anderen Ungarn. Erstere wollen eine NATO-Friedenstruppe im Kriegsgebiet, Kampfjet-Lieferungen und einen Exportstopp von russischem Öl und Gas und allem anderen Handel auch. Viktor Orban, mitten im ungarischen Wahlkampf, verkauft seinen Wählern das eigene Lavieren im Hinblick auf Putin als Garantie für Sicherheit. Irgendwo dazwischen, gemeinsam mit vielen anderen, navigiert Luxemburg.
Doch wo steht Luxemburg genau? Jean Asselborns Sinnieren über eine „physische Eliminierung“ Putins und Xavier Bettels Doppel-Telefonat mit Putin bieten keine Orientierung. Luxemburgs Regierung hat sich klar gegen Russlands Invasion gestellt und für das Verbot des Propaganda-Senders RT geworben. Luxemburg hat zudem fast so viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen wie Großbritannien. Aber in der Frage, wie weit die Unterstützung der Ukraine und die Bestrafung Russlands gehen sollen, decken Asselborns radikale Distanzierung und Bettels merkwürdige Nähe zum russischen Präsidenten die ganze Bandbreite an Möglichkeiten ab. Eine klare Antwort liefern sie nicht.
Russlands Außenministerium teilte die Nachricht von Bettels zweitem Telefonat mit Putin auf Twitter. Sergej Lawrows Marketing-Abteilung tat dasselbe mit den Telefonaten des russischen Präsidenten mit Emmanuel Macron beziehungsweise Olaf Scholz. Seit Kriegsbeginn vor einem Monat hat Putin viel telefoniert, von den Staats- und Regierungschefs der EU mit Macron (dauernd), Scholz (oft), dem finnischen Präsidenten (einmal) – und zweimal mit Bettel, mit sonst keinem.
Es lässt sich selbstverständlich argumentieren, wie wichtig es ist, möglichst viele Kommunikationskanäle in den Kreml offenzuhalten. Man muss aber auch sehen, was Lawrows Ministerium und die Moskauer Lügenmaschine aus solchen Gesprächen machen – Eigenwerbung, die sagt: Schaut her, wir schießen nicht nur, wir reden auch. Und schwuppdiwupp ist man, so gut die Absichten auch sein mögen, Teil einer Art speziellen Telefon-Operation Putins geworden.
Frieden hat seinen Preis, hat Bettel mehrmals gesagt. In Brüssel wurde dieser nun wieder verhandelt. Luxemburg gehört wie Deutschland und Frankreich zu jenem Block, der ihn drücken will. Wenn es um weitere Sanktionen geht, nennen wir als Grund unseres Zögerns, lieber noch Karten in der Hinterhand zu behalten – zum Beispiel für den Fall, dass Putin Chemiewaffen einsetzt. In Brüssel trat Bettel jetzt für „abgestufte Sanktionen“ ein. Das ist Politiker-Sprech dafür, wenn man gegen neue Sanktionen ist. Als Grund gab Luxemburgs Premier an, der „Status quo“ habe sich nicht verändert. Was stimmt, irgendwie. Der „Status quo“ in der Ukraine ist immer noch der, dass Putin aus allen Rohren auf ukrainische Städte feuern lässt – wovon ihn die Sanktionen, die jetzt hätten nachgeschärft werden können, eigentlich abhalten sollten. Ein „Status quo“, bei dem die EU offenbar erst einmal bleiben will. Es klingt ein bisschen nach: Wenn er die Atombombe wirft, rufen wir ihn nicht mehr an.
Luxemburg macht, anders als etwa die Schweiz oder die Niederlande, ein Geheimnis daraus, wie viel Vermögen im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland bislang gesperrt wurde. Wir haben der Ukraine Waffen und Jeeps geliefert. Das Herzstück waren Panzerabwehrlenkwaffen des Typs NLAW. Luxemburgs Regierung sagt, man habe 100 dieser NLAWs an die Ukraine geliefert. Die Forscher des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri), die Buch führen über alle militärischen Transaktionen weltweit, zählen allerdings nur 50 im Besitz der Luxemburger Armee. Wieso das so ist, wie viele von diesen Waffen Luxemburg überhaupt (noch) hat, auch das bleibt geheim.
Den Wunsch der Ukraine, Beitrittskandidat der EU zu werden, kann man in Luxemburg zwar nachvollziehen, mehr aber auch nicht. Damit reiht man sich bei jenen Bedenkenträgern ein, die es verpassen, ein starkes Zeichen zu setzen, das dazu nichts kostet und zu kaum etwas verpflichtet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat über Videoschalte bereits zu zahlreichen Parlamenten in der EU und in der Welt gesprochen – dabei meist unbequeme Forderungen gestellt und wunde Punkte angesprochen. In Luxemburg hat er das noch nicht. Aus der Chamber hat ihn noch niemand darum gebeten. Vielleicht würde er ja Fragen stellen, deren Antworten man selber nicht hören will.
@HTK
"Wenn man das russische Volk nicht gegen Putin aufbringen kann,wird sich nichts ändern. "
Ein Drittel der Amis glaubt, Trump hätte die Wahlen gewonnen und die haben nicht FB und Instagram gesperrt.
Wenn man das russische Volk nicht gegen Putin aufbringen kann,wird sich nichts ändern. Revolutionen sind immer erst ausgebrochen wenn das Volk keinen Ausweg mehr sah.Man muss nur schauen,dass die Revolutionsführer nicht Khomeni heißen oder Lenin. Welche Waffen hat der Westen denn zu bieten ausser Diplomatie und Sanktionen? Ghandi hat mit seinem zivilen Widerstand die Engländer aus dem Land vertrieben.Leider war der Guru recht religiös,mit allen Konsequenzen die bis heute die Welt bedrohen.Aber wir waren ja bei Putin.Wir müssen alle Hähne zudrehen,auch wenns weh tut.