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MusikThis Counts: Them Lights in der Kulturfabrik

Musik / This Counts: Them Lights in der Kulturfabrik
 Foto: Editpress/Alain Rischard

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Am Samstagabend stellte Sacha Hanlet im Rahmen eines kurzen Showcase-Konzertes erste Ergebnisse seiner dreijährigen Künstlerresidenz in der Kulturfabrik vor. Das Tageblatt hat sich mit dem Musiker unterhalten und liefert nach dem Konzert erste Eindrücke eines Projekts, das sich innerhalb der letzten 20 Monate auf eine vielversprechende Art entwickelt hat.

Am Samstagnachmittag, wenige Stunden vor seiner Show, klingt Sacha Hanlet leicht erkältet. „Irgendwie ist es doch immer so: Wenn ein richtig großes Event bevorsteht, passiert so was. Mit Mutiny on the Bounty habe ich Konzerte gespielt, obwohl ich eine Lungenentzündung hatte und ein Arzt mir empfohlen hatte, schnellstmöglich in ein Krankenhaus zu gehen. Sehr clever war das wohl nicht.“ Hanlet klingt leicht angespannt, im Gegensatz zu Mutiny on the Bounty wird er ein paar Stunden später quasi alleine auf der Bühne stehen. Them Lights ist sein Projekt, nicht das eines Kollektivs, in dem der einzelne Musiker weniger herausragt – auch wenn jeder, der Mutiny on the Bounty live erlebt hat, weiß, wie zentral Hanlets Schlagzeug stets ist.

Als Hanlet das Projekt 2017 ins Leben rief, dachten viele, es handele sich um eines dieser Nebenprojekte, dank dem viele Musiker eine überbordende Energie kanalisieren, eines dieser Projekte, das es ihnen erlaubt, Ideen zu verwerten, die in den Klangteppich der Hauptband nicht ganz reinpassen oder die immer dann entstehen, wenn die Hauptband nur schleppend mit der nächsten Platte vorankommt.

Das alles traf zu Beginn sehr wohl auf Them Lights zu: Es gab sporadisch ein paar Auftritte und neue Songs, in welche Richtung das Projekt gehen sollte, war jedoch noch etwas unklar. „Als die Idee zu Them Lights entstand, wollte ich auf keinen Fall überstürzt handeln. Weil ich zu ungeduldig war, ist im Endeffekt jedoch genau das passiert – mit dem Resultat, dass das Projekt zu Beginn vielleicht etwas unausgegoren wirkte oder zumindest nicht ganz nach mir selbst klang“, erinnert sich Hanlet selbstkritisch.

Als dann eine Pressemitteilung verkündete, dass Sacha Hanlet ab dem 15. März 2021 für drei Jahre als „artiste-associé“ in der Kufa tätig sein würde und im Rahmen dieser Künstlerresidenz sein Projekt weiterentwickeln würde, wurde klar, dass Them Lights nicht nur ein Zeitvertreib, „a simple prop/to occupy my time“, wie Michael Stipe es in einem anderen Kontext beschrieb, sein würde – was die zwei bereits veröffentlichten Singles „What Counts“ und „Estanque“ dann auch eindrucksvoll bewiesen.

„Für meine Residenz in der Kufa haben wir uns ein paar Etappen gesetzt, an denen wir uns abarbeiten. Vorerst ging es uns darum, das Projekt, seine Identität, klar zu definieren. Weil ich zu Beginn so überstürzt gehandelt hatte, war es mir wichtig, ein paar Schritte nach hinten zu machen. Ich habe alles neudefiniert, alles über Bord geworfen. Das Resultat ist neue, kompromisslose Musik – mir ist es schnuppe, ob die irgendwo im Radio läuft. Auch die Texte sind tiefgründiger, ehrlicher. Dasselbe gilt für Design, für das Artwork, wofür ich mir richtig viel Zeit gelassen habe.“

In einer zweiten Instanz ging es Hanlet darum, an den Live-Auftritten zu feilen – wovon die Show am Samstag dann auch zeugen sollte. „In der Kufa verfüge ich über die optimalen Arbeitsbedingungen und kann mit einem sehr coolen Team zusammenarbeiten: Menschen wie Sérgio Manique Jr., der Arrangements für Edsun und Chaild schreibt, Edsun, der uns bei allem, was Stage- und Mindset und Gesang anbelangt, hilft, oder auch David Moreira, dem damaligen Sänger von Eternal Tango, mit dem wir zusammen an meiner Stimme arbeiten, sind für Them Lights unabdingbar geworden. Was ich heute Abend vorstellen werde, ist durch und durch ein neues Programm.“

Neuanfang?

 Foto: Editpress/Alain Rischard

Konkret bedeutet dies unter anderem, dass Hanlet für sein Projekt mit Sacha Piccoli einen Schlagzeuger angeheuert hat: „Momentan besteht das Projekt aus uns beiden, auch wenn vielleicht irgendwann noch ein weiterer Musiker dazustoßen könnte. Die Beats zu programmieren war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil des Projekts, in das sehr viel Zeit fließt. Dies hat mich sehr lange davon abgehalten, ein Schlagzeug zu integrieren, da ich wollte, dass sich die Beats auch genauso anhören, wie ich sie programmiert habe und die meisten davon gar nicht erst auf einem Schlagzeug gespielt werden könnten. Irgendwann habe ich jedoch gemerkt, dass mir das Organische fehlte. Da ich nicht nur am Songwriting feile, sondern auch Theorie- und Klavierunterricht belege, spiele ich auch während ungefähr 80 Prozent des Sets die Synthies – auch dies, damit die Show nicht zu sehr wie aus der Dose klingt.“

Wer Them Lights bereits live erlebt hat, wird sich dann auch, nach dem doppelten Auftakt von Foreigners und Afalfa, deren Indie-Folk zwischen Mumford and Sons, Frank Turner und The Gaslight Anthem routiniert gute Laune verbreiten möchte, über das (überaus gelungene) Stage Design wundern: Sacha Hanlet sitzt vor seinem Synthie, auf der anderen Seite der Bühne thront Sacha Piccolis Drumset, während sieben Songs gibt es dunklen, elektronischen Pop zwischen Soul, R ’n’ B und Elektro. Die neuen oder überarbeiteten Songs klingen weniger nach einer Michael-Jackson-Hommage und erinnern zum Teil an Depeche Mode oder Yeasayer, neu ist zudem das beeindruckende, druckvolle und einfallsreiche Schlagzeugspiel von Piccoli, das den kalten Synthieflächen und Beats mehr Tiefgang verleiht.

Zurzeit geht Hanlets Stimme noch etwas zu sehr im Mix unter (was sich im Laufe der Show gebessert hat), das schöne Setting wirkt anfangs, bevor Hanlet dann zu programmierten Synthies und Beats auf der Bühne auf- und abgeht, etwas statisch und zwischen den wirbelnden organischen Drums und den kalten pulsierenden Synthies gibt es noch einige Leerstellen. Trotzdem sind diese ersten sieben Kompositionen ausgereift, ist Hanlets Stimme mittlerweile vielfältig und tiefgründig genug, um den ausgeklügelten Beats und den dunkel wabernden Synthies Melodie und Eigensinnigkeit zu verleihen.

„Ich habe die alten Songs komplett umgekrempelt. Einige erkennt man wieder, andere wurden zu neuen Tracks. Auch wenn bei den frühen Songs einiges überstürzt war, weil ich teilweise noch nicht über das notwendige Know-how verfügte, bedauere ich nichts: Diese Tracks waren Grundsteine, haben das Terrain zu dem, was ich jetzt tue, vorbereitet. Und manchmal muss man auch scheitern, um besser weiterzumachen“, meint Hanlet und zitiert dabei fast Samuel Beckett.

Wer das Konzert am Samstag verpasst hat, sollte sich die zwei Singles definitiv anhören: Diese werden Teil der kommenden EP, von der am Samstag noch ein dritter Track gespielt wurde, sein. Das Set wollte Hanlet bewusst kurz konzipieren: „Ich habe noch zehn oder zwölf Songs in petto – aber ich wollte nichts überstürzen.“ Im kommenden Jahr wird das längere Set vorgestellt, danach folgen die Auslandstournee, Auftritte auf ausländischen Festivals und Partnersuche, wobei Hanlet dann auch auf den Support von Kultur | lx zählen kann.