„Stréimännchen, Buergbrennen, Kavalkade“ – in der Moselperle Remich ist ab Aschermittwoch keineswegs „alles vorbei“, wie einst die Frankfurter Fastnachtsikone Margit Sponheimer sang. Denn mit der Verbrennung der Fastnacht und des Winters, in Gestalt einer Strohpuppe, beginnt in der Stadt der Reigen von liebgewonnenen Traditionen, welche die örtlichen Vereine mit viel Herzblut bis heute am Leben erhalten.
Sehnlichst erwartet wird der „Cortège“ zu den Klängen des „Kanapee“ nicht nur von den Einwohnern der Stadt. Auch Besucher aus dem ganzen Land und dem nahen Dreiländereck wohnen gerne dem Spektakel bei, das den Wunsch nach einem baldigen Ende des kalten und dunklen Winters in den Vordergrund treten lässt.
Doch woher stammt die Tradition des „Stréimännchen“ in Remich? Gibt es ähnliche Bräuche im Ländchen oder im Ausland und welch tieferer Sinn verbirgt sich hinter der Strohpuppe – über all dies fragten wir bei Vertretern der „Geschichtsfrënn Réimech“ und der „Réimecher Musék“ („Harmonie municipale Concordia“) nach.
Gemeinsam mit den leidenschaftlichen Hobby-Chronisten haben wir nach Zeugnissen gesucht, welche die Entstehung und Entwicklung des Brauchs belegen. Der örtliche Musikverein veranstaltet den traditionellen Umzug, begleitet ihn musikalisch und zeichnet verantwortlich für die Einführung der kulinarischen Tradition, am Aschermittwoch „gebaken a sauer Fësch“ nach dem Umzug zu verspeisen.
Tradition wahrscheinlich aus Keltenzeit
Um den Ursprung der Fastnachts- bzw. Winterverbrennung ranken sich verschiedene Theorien. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse seien Mangelware, heißt es im Buch „e Stéck Réimech“ anlässlich des 150. Geburtstags der „Chorale Sainte-Cécile Remich“. So weiß man, dass es sich beim alten Brauch in Remich, die „Fuesent“ zu verbrennen, ein „Fuesbok“ eine zentrale Rolle spielt. Die Tradition an sich „erinnert sehr wahrscheinlich an die Sonnenwendfeuer und ist als ein Überrest des Sonnenkultes zu deuten.“
Andere Quellen berichten, dass der Ursprung der Tradition bis in die Zeit der Kelten zurückführt. Weitere Vermutungen siedeln den Ursprung des Brauchs in der griechischen Mythologie an. Damals sollen sich die Priester selbst zur Ehre der Götter öffentlich geopfert haben. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich daraus ein heidnischer Kult, der sich in Traditionen wie dem „Stréimännchen“ auch heute noch widerspiegelt.
„Stréimännchen/-frächen“ in der Hauptrolle
Als Grundlage dient ein Holzkonstrukt aus Latten in Form eines Kreuzes. Anschließend wird die Kleidung darüber gestülpt, bevor sie im zweiten Arbeitsgang mit Stroh ausgestopft wird.
Nun folgt das Feintuning: Nachdem Schuhe und Handschuhe angenäht wurden, widmet man sich dem Gesicht. Als Augen werden kleine Glühbirnen eingesetzt.
Traditionell wird an einer Hand des „Stréimännchen“ eine leere Flasche, an der anderen ein leeres Portemonnaie befestigt. Beide stehen für das Ende der „Fuesent“ – der Wein und Crémant sind ausgetrunken, das Geld zum Feiern ist alle. Gleichzeitig symbolisieren die leere Flasche und das Portemonnaie die am Aschermittwoch beginnende Fastenzeit.
Meistens wird eine männliche Strohpuppe gefertigt, außer es steht ein Schaltjahr an – dann wird eine weibliche Version, eine „Stréifrächen“, durch die Straßen Remichs getragen.
Früher hatte der Wirt, der neu in der Stadt war, die Ehre, die Puppe beim Umzug durch die Stadt zu tragen, erzählen die Verantwortlichen von der „Réimecher Muséek“ (Harmonie Municipale „Concordia“) im Tageblatt-Gespräch. War er zu geizig, verpassten ihm die Macher der Strohpuppe einen Denkzettel und nähten auch mal Bauziegel in die Kleidung des „Stréimännchen“ ein. Der Fisch, den man der Puppe umhängt, symbolisiert den Aschermittwoch, steht aber auch für den „gebake Fësch“, den sich die Gäste des Spektakels anschließend in den Remicher Restaurants, nicht nur aus Tradition, sondern auch als eine Art „Leichenschmaus“, munden lassen, verriet die Puppe dem Tageblatt 2007 in einem Interview.
Der Umzug: Feierliche Begleitung
Am Aschermittwoch wird das „Stréimännchen“, in Schaltjahren die „Stréifrächen“, feierlich zu Grabe getragen.
Das Zeremoniell des Abends sieht vor, dass sich die „Trauergesellschaft“ im oberen Teil der Stadt, vor dem „Café a Fuesend’s“ versammelt.
Sobald es dunkel wird, geht es los. Wie es die Tradition vorschreibt, tritt die Trauergesellschaft, mit der Strohpuppe in ihrer Mitte, den Weg in Richtung Mosel an. Während sich der Trauerzug „gemälleg“ zur Moselbrücke bewegt, umkreisen Kinder und Jugendliche die Puppe, halten sich an den Händen und tanzen, springen und singen. Kurz vor der Moselbrücke, „am Moart“, wird das „Stréimännchen“ ein letztes Mal von der Jugend tanzend umkreist.
Ab dann weicht die Fröhlichkeit einer bedächtigen Niedergeschlagenheit. Unter den Klängen von „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“ geht es zur Brückenmitte – Endstation und Schauplatz des Höhepunkts des Spektakels. In der Mitte der Brücke angekommen, wird „die ‚Fuesend’, mit tiefem Pathos, mit Benzin übergossen, angezündet und zur Apotheose in die eisigen Fluten der Mosel gestürzt“, berichtet Chronist Albert Hoffmann („De Buet“, Remich, 2008, S. 25). Heute wird der Umwelt zuliebe ein biologischer Brandbeschleuniger eingesetzt, heißt es.
Doch damit ist der traditionelle Veranstaltungskalender in der Moselperle bei weitem nicht ausgeschöpft. In fast genau einem Monat, am 19. März 2023, werden die „Fuesboken“ sich dort zur Kavalkade ein Stelldichein geben.
Die Musik: Von wegen Totenstille
Undenkbar wäre ein solches Spektakel ohne die passende Musik. Während sich der Trauerzug in Richtung Moselbrücke durch Remich bewegt, ertönen die heiteren Klänge eines „Cramignon“, schreibt Hoffmann in seinem Artikel von 2008. Das sei eine Art provenzalische Farandole, ein volkstümlicher, springender Rundtanz, bei dem die Tänzer sich an den Händen halten.
Albert Hoffmann berichtet, dass sich im Laufe der Zeit diese Begleitmelodien gewandelt haben und mit verschiedenen Texten unterlegt wurden. So zum Beispiel wird auch in diesem Jahr das Studentenlied „Das Kanapee“ erklingen.
Auch Luciens Klopps Fastnachtslied „’t ass Fuesend, ’t ass Freed“ begleitete im Laufe der Zeit den Umzug.
Auf den letzten Metern in Richtung Brückenmitte, wo die Strohpuppe angezündet wird, ertönen die Klänge des deutschen Volkslieds „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“.
„Das Kanapee“
Und sollt’ mich mal ein guter Freund besuchen,
Dann soll er mir willkommen sein.
Ich setz’ ihm hin vom allerbesten Kuchen,
Und noch dazu ein Glas Champagnerwein.
Dann setzen wir uns hin,
wohl auf das Kanapee.
Und singen dreimal:
Hoch, das Kanapee!
„Wëlle Mann, Nubbel, Hoppeditz“
Die Fastnachtsverbrennung wurde nicht nur in Remich zelebriert, auch wenn sich hier die Tradition über die Jahrzehnte etabliert hat. So gab es ähnliche Bräuche in Luxemburg-Stadt, in Echternach und in Ettelbrück. Dort wurde eine „in Lumpen gehüllte Puppengestalt“ ebenfalls verbrannt und in die Sauer oder die Alzette geworfen, ist im Buch „e Stéck Réimech“ nachzulesen.
In Düdelingen ging man mit der scheidenden Fastnacht besonders brutal um. Dort wurde eine Strohpuppe aufs Schafott geschickt und von zwei vermummten Henkern mit einem Messer niedergestochen.
Keine Strohpuppe, sondern ein Hahn, stand in Rodange exemplarisch für die verabschiedete „Fuesent“. Auf einem Heuwagen, auf dem sich eine leiterähnliche Konstruktion („Geck“) befand, stand ein lebendiger Hahn. In einem zweiten Heuwagen, heißt es, sangen und tanzten die „Fuesboken“. Am Abend nach dem kleinen Umzug wurde der Hahn geschlachtet, gekocht und zum Gaumenschmaus der Festgesellschaft gereicht.
Wieder im Osten Luxemburgs, in Grevenmacher, habe man bis 1800 die „Fuesent“ auf kuriose Art verabschiedet, schreibt man in „e Stéck Réimech“. Der Geschichte nach soll es dort einen Gemeindearbeiter, einen „wilden Mann“, gegeben haben, der die Menschen im Ort schikanierte. Daraus entwickelte sich das sogenannte „Wildemannspiel“, wonach an den drei Fastnachtstagen die Einwohner es dem „wëlle Mann“ richtig heimzahlten. Am Aschermittwoch schlug die allgemeine Stimmung schlagartig in Trauer um und eine Strohgestalt, in die Kleider des „wëlle Mann“ gehüllt, wurde zu einem Scheiterhaufen geführt und dort verbrannt.
Nur in Greiveldingen existiert die Tradition der Verbrennung der Strohpuppe bis heute. Allerdings findet sie nicht am Aschermittwoch, sondern am Burgsamstag statt und wird vom örtlichen „Club des jeunes“ veranstaltet.
Sucht man nach einem ähnlichen Fastnachtsbrauch außerhalb Luxemburgs, wird man z.B. im Kölner Raum fündig. Die Verantwortlichen der „Réimicher Musék“ erzählen, dass die sog. „Nubbelverbrennung“ dort seit Beginn des 19. Jahrhunderts gefeiert wird. Dabei wird in der Nacht zum Aschermittwoch der sogenannte „Nubbel“ unter ähnlichem Zeremoniell wie in Remich verbrannt. Das Wort „Nubbel“ steht im Kölner Dialekt für „irgendwer, irgendjemand“.
Damit sühnt die namenlose Gestalt stellvertretend für die Jecken, ähnlich wie in Düsseldorf. Dort wird pünktlich zum 11.11. der „Hoppeditz“ zum Leben erweckt und unter großem theatralischem Gejammer am Aschermittwoch eingeäschert.
In der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, im Südwesten Deutschlands an der Grenze zur Schweiz, wird mancherorts auch eine Strohpuppe zu Grabe getragen und am Vorabend des Aschermittwochs nach strengem Zeremoniell verbrannt.
Programm des Abends
Start des Umzugs: am 22. Februar (Mittwoch) um 19.30 Uhr
Wo: Café „A Fuesend’s“ (route de Luxembourg/rue du Bois)
Veranstalter: „Harmonie municipale Concordia Remich“
und „De Stréimännchen“
dat do as nach Traditioun ?
wat awer keng Traditioun méi as dat Megabauten obgeriet hin an verbrannt gin am Numm vun fer Traditioun.
Den Ömweltministär verbitt mir Gesträich vum Wanterschnëtt vun méngen Hecken an Beem ze verbrennen, dat as 2erlee Mooss.
Hautesdag sin Paletten Ooffall. Virun Joëren huet een déi mussen bezuelen, do sin keng verbrannt hin.
Souvill zum Ömweltschutz?
@De Virus
"An duerno schlechte Wein am Grengen Keller an op der Kopp fir Heem de laueren se, och vun engem Grengen bestalt. Ne Mercii"
LOL, wat sot Der dann eréischt, wa mir Gambia 3 wielen?
PS. Merci fir alles, Fränz.
An duerno schlechte Wein am Grengen Keller an op der Kopp fir Heem de laueren se, och vun engem Grengen bestalt. Ne Mercii
"..brennend in die eiskalte Mosel gestürtzt." Oh mei. Die Mosel war schon mal kälter um diese Zeit.Da wäre das Strohmännchen auf's Eis geknallt. Aber die Zeiten ändern sich. Oder?
Ob Bärbel aus den Minen im Süden,der Nikolaus an der Mosel ( und im Cactus),der Willi aus Echternach,die Mutter der Nation( Maria Mutter Gottes),alles noch eine Frage der Zeit. Wenn wir feiern wollen sollen wir das einfach nur tun.Dafür braucht es keine Heiligen und keine Bräuche die nicht mehr zeitgemäß sind. Das gilt übrigens weltweit. Aber wir leben seit wir vom Baum geklettert sind mit solchen " Bräuchen". Aber solange es nicht schadet!?