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KlangweltenSpiritualized: Suche nach Perfektion

Klangwelten / Spiritualized: Suche nach Perfektion
Spiritualized – Everything Was Beautiful

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Vor 15 Jahren traten Spiritualized im Club der Escher Rockhal auf. Jason Pierce, Kopf der britischen Band, spielte damals eine Akustikgitarre und wurde begleitet von einem E-Pianisten, Streichmusikerinnen und Gospelsängerinnen. Schon beim ersten Song war seine Stimme, getragen von den Streichern und dem Summen der Sängerinnen, voller Trauer und Trübsal. Es war schon etwas bizarr, dass er, der zuvor wegen zweier Lungenentzündungen bereits kurz vor Gottes Pforten stand, spirituelle Lieder sang, in deren Texten immer wieder die Wörter „Lord“, „Jesus“ und „Soul“ auftauchen. Hätte er diesen hymnischen, vom Gospel inspirierten Rock in einer Kirche vorgetragen, das wäre das Tüpfelchen auf dem i gewesen.

Jener Pierce wurde in den Achtzigern mit der einflussreichen psychedelischen Rockband Spacemen 3 und von den Neunzigern an mit Spiritualized berühmt. Wobei er, der sich auch J. Spaceman nennt, auf dem europäischen Festland nicht ansatzweise so verehrt wird wie auf der Insel. Gerade ist das achte Studioalbum seiner Band erschienen: „Everything Was Beautiful“. Der Auftakt „Always Together With You“, der 2014 schon in einer Demoversion erschienen ist, suggeriert, dass alles beim Alten ist: Der Song schwebt von Gospelgesängen, Streichern und einer Prise Bombast durch den Raum. Aber weit gefehlt, denn in „Best Thing You Never Had“ dreht er auf: Trompeten, Saxofon, E-Gitarre, ein treibender Rhythmus – als hätte er sich mit einer Avantgarde-Marching-Band zusammengetan, um einen psychedelisch-rockigen Jam abzuhalten. Später bricht sich in „The A Song (Laid In Your Arms)“ zeitweise der Free-Jazz Bahn.

Pierce denkt gerne groß und ist stets auf der Suche nach Perfektion. Auf dem Album spielt er 16 Instrumente, aufgenommen wurde es in elf Studios und zu hören sind 30 Musiker und Sänger – darunter seine Tochter Poppy. Er hat just gesagt, er wäre wie gemacht für den Lockdown. Anscheinend ist er während diesem kreativ aufgeblüht und hat das abgeliefert, wofür ihn viele schätzen: melancholischen Psychedelic-Bombast-Rock. Selbst eine Countryballade mit Gastsängerin Nikki Lane geht ihm locker von der Hand.

Anspieltipps: „Always Together With You“, „Let It Bleed“, „Crazy“

Punkte: 8 von 10 Punkten

(Kai Florian Becker)