«Sommer-Nachtschicht» – unter diesem simplem Motto stand am Samstagabend die Besichtigungstour, die der Fonds Belval ein paar Mal jährlich organisiert und zu der jeder Wissbegierige herzlich willkommen war.
Die Temperatur am Samstagabend stimmte schon mal: Gefühlte 45 Grad Celsius schlugen einem beim Aufstieg zum Hochofen entgegen und ließen zumindest erahnen, wie sich hier früher die Stahlarbeiter in ihren hitzebeständigen Schutzanzügen gefühlt haben müssen. Kurz nachdem sie den Abstich vorgenommen und das rund 1.500 Grad heiße und flüssige Roheisen aus dem Hochofen fließen ließen, werden auch sie sich sicherlich wie in einer Sauna vorgekommen sein.
Hatten am frühen Samstagabend lediglich eine Handvoll Besucher den Weg nach Belval gefunden, so sollte sich dies bei einsetzender Dunkelheit ändern. Immer mehr Menschen wollten sich den Anblick des Lichtermeeres inmitten der Industriedenkmäler nicht entgehen lassen. Dabei boten sich den Besuchern eigentlich zwei grundsätzlich verschiedene Anblicke: Wer am frühen Abend ab 18.00 Uhr die rund 180 Stufen zur «Gicht-Plattform» in 40 Metern Höhe erklomm, dem bot sich ein überwältigender Rundumblick auf die Minetteregion.
Herausgeputzter Hochofen
In unmittelbarer Nähe zum erklommenen Hochofen – und bei einem angenehmen kühlen Lüftchen, das einem dort oben liebevoll über die Haut strich – sah man hinunter auf die aktuellen Anlagen von ArcelorMittal, die bei weitem nicht so klinisch sauber erschienen wie der zur Besichtigung herausgeputzte Hochofen. Links daneben befindet sich der gewaltige Turm der Uni Luxemburg, etwas weiter jener des Hauptgebäudes der BIL.
Ihnen schlossen sich Supermärkte, Restaurants, die Rockhal und Wohngebäude an.
Ein paar Stunden später waren sowohl der Hochofen als auch die Umgebung in fast schon sakrales Licht getaucht. Das Mekka für Industriefotografen und Ingenieure, die sich bei Tageslicht an den zahlreichen technischen Details der Hochofenanlagen ergötzen konnten, verwandelte sich bei Einbruch der Dunkelheit in einen lichtdurchfluteten Hochaltar, wo zu den Klängen industrieller Musik regelrecht Psalme auf angewandte Physik gesungen und ein technologisches Hochamt zelebriert wurden. Auch die direkte Umgebung geriet in den Strudel der optischen Wandlung: Das Universitätsgelände wurde zur Kathedrale des Wissens, das rote Bankhaus zum Dom der Hochfinanz und die restlichen Gebäude zu Tempeln der Musik, des Konsums, der Gastronomie.
Besichtigungen im ganzen Jahr
«Dreimal jährlich organisieren wir eine ‹Nocturne›, eine Nachtbesichtigung», erklärt Marco Welter auf der «Gicht-Plattform». Marco ist Geografiestudent und einer von mehreren Guides, die durch die Besichtigungen führen. Die meisten Guides sind Studenten oder aber auch frühere Arbed-Mitarbeiter.
Neben den drei jährlichen «Nocturnes» bietet der Organisator Fonds Belval aber auch das ganze Jahr über Besichtigungen an, darunter auch für Schulklassen. So besteht auch die Möglichkeit, mit einem Ingenieur bis ganz nach oben auf 80 Meter Höhe zu steigen. Nächstes Wochenende, am 12. August ab 14.30 Uhr, sind wieder freie Führungen ohne Anmeldung möglich. Dabei kann man die ganze Hochofenterrasse besichtigen. Am 27. Oktober steht die nächste Nachtbesichtigung an.
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