Verschlissene Gelenke machen vielen Menschen hierzulande zu schaffen, sind aber kein Grund, auf Lebensqualität zu verzichten. Davon sind die Orthopäden Wolfgang Menke und Robert Berend überzeugt. Der Einsatz von Ersatzimplantaten, sogenannten Endoprothesen, stellt einer der häufigsten Eingriffe im Orthopädie-Alltag Luxemburgs dar. Als Fachärzte haben sich Menke und Berend der chirurgischen Versorgung von Hüften und Knien verschrieben. Beide, inzwischen pensionierte Fachärzte, eint die jahrzehntelange Erfahrung und die Neugier nach neuen Methoden und Materialien auf dem Gebiet der Endoprothesen – also jener Implantate, die unter anderem erkrankte Knie- und Hüftgelenke ersetzen.
„Viele kennen es aus der Küche, bekannt wurde es vor allem als Material aus der Weltraumtechnik“, sagt Professor Dr. Wolfgang Menke und zeigt dabei auf eine Teflon-Hüftpfanne aus den 60er-Jahren, während er durch seine liebevoll arrangierte Prothesen-Ausstellung im ambulanten Rehazentrum ZAR in Trier führt. Dort zeichnet der pensionierte Mediziner, der die Rehaklinik Saarschleife in Orscholz leitete und als Orthopäde in Luxemburg praktizierte, die bewegende Entwicklung der Endoprothesen nach. Darunter eine Welt aus Metallstücken, die die Mechanik des Knies nachahmen, kugelförmige Implantate, die das Hüftgelenk darstellen, sowie Exponate aus unterschiedlichen Epochen – mal schwere Metallstücke, die eher Türklinken als Gelenken gleichen, mal weiße Kunststoffteile, die wie ein bekannter Miniroboter aus den Star-Wars-Filmen aussehen. Wolfgang Menke hat einen Großteil der Exponate während seiner Tätigkeit als Operateur gesammelt, als entsprechende Gesetze dies noch erlaubten. Heute, erzählt der Orthopäde, seien Implantate, zu denen die Prothesen zählen, laut EU-Recht Eigentum des Patienten.
„Möglichst schnell, möglichst kurz“
„Teflon wurde mal als Material für Prothesen gewählt, da an ihm nichts haftet. Doch als Implantat war es völlig ungeeignet.“ Denn das Material wurde von den „Fresszellen“ der Immunabwehr als Fremdkörper erkannt und folglich bekämpft – zudem war es der Dauerbelastung nicht gewachsen. Damit war das Ende der (Hüft-)Pfanne aus Teflon in den 60er-Jahren besiegelt. Polyethylen war das neue Kunststoffmaterial der Stunde.
Wie sieht die Zukunft der Endoprothesen aus? „Die Materialien“, sagt Professor Menke, „werden sich ändern, die Mechanik eines Knies oder einer Hüfte wohl evolutionsbedingt weniger.“ Und schiebt nach: „Den Einsatz dieser Art von Prothesen muss man ökonomisch sehen. Die Maxime lautet: möglichst schnell, möglichst kurz, möglichst weniger Kosten. In Mode sind gerade sogenannte ‹Fast Track›- oder ‹Rapid Recovery›-Operationen, bei denen die Patienten nach drei Tagen die Klinik verlassen können“, berichtet der Orthopäde. Dieses Ziel sei aber nur zu erreichen, wenn der Operateur den Schaden beim Eingriff möglichst gering hält. Kleinere Schnitte, die Muskelgewebe weitestgehend erhalten, ermöglichen eine deutlich kürzere Operations- und Erholungsdauer.
„Die Prothesen müssen passen“
Viele Menschen scheuen den Eingriff unter anderem aus Angst vor anhaltender Immobilität, vor Schmerzen, vor langwieriger Operationsdauer und nicht zuletzt vor den zu erwartenden Erfolgsaussichten des Eingriffes. Diese Ängste sind den Medizinern nicht unbekannt: „Es gilt, den Einsatz um der Prothese, aber nicht um der Gesundheit willen hinauszuzögern. Letzteres wäre ein Fehler“, sagt Orthopäde Menke. Sein Kollege Robert Berend bescheinigt der neuen „Rapid Recovery“-Methode Zukunftspotenzial. Sie wurde ursprünglich 2007 in Dänemark für den Einsatz von Knie- und Hüftprothesen entwickelt. Dort müssen die Patienten am selben Nachmittag nach dem Eingriff wieder laufen. Im französischen Straßburg halten Berends Kollegen Patienten schon im Aufwachraum dazu an, ihre ersten Schritte zu gehen. „Mithilfe von Schmerzmitteln und einer Stütze, die die schützenden Muskelgruppen rund um das betroffene Gelenk entlastet, können die Patienten nur zwei Stunden danach laufen und Treppen steigen“, schildert Berend. In Luxemburg gibt es Ärzte, die nach der Methode vorwiegend ambulant operieren, jedoch ihre Patienten erst am zweiten Tag nach der Operation „gehen“ lassen. „Die Eile zur Belastung des neuen Gelenks ist geboten, da der Körper am dritten Tag nach dem Eingriff beginnt, darauf zu reagieren. Schwellungen und Schmerzen treten auf.“
Neben der OP-Methode ist die Entwicklung von kleineren Implantaten und entsprechenden Operationsinstrumenten für die Bewährung in der Zukunft erforderlich. „Die Prothesen müssen passen“, betont Wolfgang Menke. Robustheit wird ausschlaggebend sein, sagt er. Minderwertige Kunststoffe, die nach wenigen Jahren Einsatz im Körper abgerieben sind und herausoperiert werden müssen, gehören der Vergangenheit an. Hochdruckpolymere haben sie schon lange abgelöst, da sie weniger „Abrieb“ aufzeigen und laut dem Orthopäden sicherlich ein Material mit Zukunft sind.
Mikroplastik trifft Titan
Hochdruckpolyethylen ist die Fachbezeichnung für einen speziellen Kunststoff. Aber wie passt „Plastik“ im Operationssaal mit dem Verständnis einer umweltbewussten Gesellschaft zusammen, die sich des Schadens bewusst ist, den Mikroplastik beim Abrieb im künstlichen Gelenk verursacht? Kann die Medizin darauf verzichten? „Es geht letztlich darum, was der Körper toleriert. Die Endoprothesen bleiben bis zu 30 Jahre im Körper, ohne dass typische Symptome auftreten, die den ganzen Körper betreffen“, erklärt Wolfgang Menke. Die durch die Bewegung abgetragenen Partikel lagern sich um das künstliche Gelenk an, ohne dass sie eine Reaktion hervorrufen. Ähnlich verhalten sich Prothesen, die aus Metallteilen bestehen. Passen diese nicht exakt zueinander, dann reiben sich kleinste Metallspäne ab. „Der Körper versucht, die Fremdkörper zu bekämpfen, sie reagieren mit der Gelenkflüssigkeit, das Gelenk rostet. Operiert man ein solches Gelenk, dann ist es innen rabenschwarz“, erklärt Professor Menke.
Darüber hinaus enthält die Legierung einer konventionellen Gelenkendoprothese neben Eisen und einigen anderen Metallen auch Chrom und Kobalt. Vor allem diese verursachten Probleme im gesamten Körper, erzählt der Arzt mit Blick auf die Abneigung gegenüber Mikroplastik. Gelangte Abrieb von Chrom und Kobalt in den Kreislauf, kam es zu vielfältigen Organschäden, sodass Prothesen mit Metall/Metallgleitpaarungen schon vor Jahren in die Kritik geraten sind.
Für den Orthopädie-Professor gilt Titan als Material der Zukunft: „Titan wird am besten vom Körper angenommen, der Knochen verträgt es sehr gut. Außerdem hat es einen Gewichtsvorteil.“ Die Zukunft wird wohl einer Kombination aus mehreren Materialien bei der Entwicklung von künstlichen Gelenken gehören, sagt der Arzt. „Gelenk bedeutet Bewegung. Die beiden dazugehörigen Teile müssen miteinander auskommen. Als gute Gleitpaarungen gelten Kombinationen aus Metall, einem abriebfesten Polyethylen und an der Hüfte besonders Keramik“, erklärt er.
„RoboDoc“ lässt grüßen
Doch auch die Technik wird im Einsatz von Endoprothesen immer entscheidender. Neben der Navigation durch digitale bildgebende Verfahren, die dem Chirurgen „Landmarken“ für die Schnittführung setzen, um gesundes Gewebe nicht zu beschädigen, ist der Einsatz der Technik heute viel umfangreicher. Ein „RoboDoc“, also ein „Chirurg-Roboter“, wie er mal vor 20 Jahren getestet wurde, wird im OP allerdings den Menschen nicht ersetzen – davon ist Wolfgang Menke überzeugt. „Es gibt Anatomie-Gegebenheiten, die kann der Roboter gar nicht entdecken.“
Ähnlich kritisch sieht auch Robert Berend den Einsatz von Robotern im OP-Saal bei Orthopädie-Eingriffen. Berend ist wie Menke ein erfahrener Operateur: „Meine erste Hüfte habe ich operiert, als Elvis Presley 1977 starb“, erklärt er beim Gespräch in Trier. Menschen, sagt Robert Berend, haben einen unterschiedlichen Körperbau, ein Roboter könne diese individuellen Besonderheiten nicht richtig einordnen. In der Bauchraum-Chirurgie, in der Urologie, Neurochirurgie und in vielen anderen Disziplinen erachtet der Orthopäde den Einsatz von Robotik aufgrund der Raumgegebenheiten als sehr sinnvoll. „Die Orthopädie aber ist reines Handwerk“, betont er abschließend.
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