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Sprache: Das Instrument der Populisten

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Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak erklärt, wieso Europas Rechtspopulisten so sehr zur österreichischen FPÖ aufschauen.

Ruth Wodak erklärt, wieso Europas Rechtspopulisten so sehr zur österreichischen FPÖ aufschauen. Die Sprachwissenschaftlerin analysiert daneben den Wandel des konservativen Superjungstars und Wahlsiegfavoriten Sebastian Kurz und was das für die EU bedeutet. Professionellerweise musste sich Wodak durch die Dutzenden TV-Duelle zur Kanzlerwahl schauen. Nun fühlt sie sich in früheren Forschungen bestätigt: Dieses Format entmündigt den Zuschauer – und damit den Wähler.

Tageblatt: Rechtspopulisten wissen das Internet und Soziale Medien besser zu nutzen – sind die schlauer?

Ruth Wodak: Hier spielen mehrere Tatsachen eine Rolle: Offenbar haben diese Parteien früher begriffen, dass die Medienpräsenz zentral ist. Ihre Strategie der Provokation und der Tabubrüche hängt ganz stark mit dem Versuch, in den Medien dominant zu sein, zusammen. Dies beschreibe ich in meinem Buch als das rechtspopulistische Perpetuum Mobile; also kontinuierlich Agenda Setting zu betreiben, das gibt es schon lange. Dies hat Jörg Haider zum Beispiel mit großem Erfolg gemacht – und die Medien sind alle aufgesprungen, von News bis Profil, jede Woche gab es ein Titelblatt mit Haider, jede Äußerung wurde eine Titelzeile – und das haben die anderen rechtspopulistischen Parteien teilweise selber entwickelt, teilweise übernommen. Wir wissen von veröffentlichten internen Papieren der AfD, dass man diese Strategie ganz explizit verfolgt: jede Woche ein Skandal! Bei Trump ist das ebenfalls offensichtlich: Jeder schaut gebannt, was er in seinen Tweets in der Früh schreibt – und dann mittags und abends und in der Nacht – und alles hängt anscheinend davon ab. Insofern hängt die Medienpräsenz mit der Provokationsstrategie und den bewussten Tabubrüchen zusammen, mit einem manifesten Kampagnen-Habitus, dauermedienpräsent zu sein.

Wie nutzt die FPÖ die neuen Medien für die Verbreitung ihrer Agenda?

Bei der FPÖ habe ich beobachtet, dass sie mit Kampagnen auf Social Media begonnen hat, die natürlich viel Geld gekostet haben. Diese Kampagnen sind sicher sehr teuer, beispielsweise bei den Comic-Büchern, die man auch herunterladen kann und konnte. Dies war schon 2008, 2010 der Fall. Alle Schulen wurden beliefert, die FPÖ besitzt einen eigenen Video-Kanal, es gibt eigene Websites wie «unzensuriert.at», sie hat eine eigene Hymne, eigene Rap-Songs, es gibt die Facebookseiten und so weiter. Dies sind nur die offiziellen Medienkanäle. Daneben gibt es jede Menge inoffizielle. Das bedeutet insgesamt, dass die FPÖ eine große Reichweite besitzt, nicht nur hin zu den sogenannten «Eliten», also den Lesern von Qualitätszeitungen, den Zuschauern von ORF, sondern man erreicht alle überall. Außerdem machten viele FPÖ-Politiker ein NLP Training (also Neuro-Linguistisches Programm) – diese Trainings gab es schon in den späten 80er und frühen 90er Jahren. NLP ist eine linguistisch fundierte Therapie, die in diesem Fall auf das destruktive Argumentieren ausgerichtet wurde: Das Institut für Sprachwissenschaften (Universität Wien) hat sehr früh begonnen, das Phänomen «Haider» zu beobachten und zu beschreiben, eigentlich seit 1986. Die massiven Tabubrüche begannen in den frühen 90ern, mit dem Volksbegehren «Österreich zuerst».

Auf Facebook ist eine andere Sprache möglich als auf öffentlichen Kanälen – färbt das zurück?

Da gibt es natürlich eine Interdependenz. Es gibt mehrere Ebenen und damit auch Wechselwirkungen. Einerseits wird alles, was in einem Interview vorkommt, in einem dieser vielen TV-Gespräche, in den Zeitungen reproduziert und rekontextualisiert, auch in den Nachrichten wird berichtet und kommentiert. Gleichzeitig besitzen die Sozialen Netzwerke ein Eigenleben, die sogenannten Echo-Kammern, und da gibt es auch Austausch und Wechselwirkung. Und das wird dann auch wieder berichtet, falls es Nachrichtenwert hat. Gerade in den Social Media kann man besonders skandalisieren, und Fake News verbreiten, weil es auch anonymisiert geschieht. Denken Sie nur an die Dämonisierung von Hillary Clinton, wo plötzlich behauptet wurde, sie hielte illegale mexikanische Kinder in einer Pizzeria in Washington gefangen – und diese Fake News wurde nach Mazedonien zurückverfolgt und die Betreiber waren hoch bezahlt worden. Da geht also die Wechselwirkung von den anonymen Öffentlichkeiten zu den Qualitätsmedien.

In dem Bereich hat die Presse ihre Deutungshoheit verloren…

Die Presse hat sicherlich die Deutungshoheit verloren. Es gibt aber noch weitere Ebenen, etwa die Ebene der Experten. Nach den Gesprächsduellen im TV gibt es immer eine Expertenrunde, die uns Zuschauern auf einer Metaebene erklären, wie wir das eben Gesehene zu verstehen hätten. Das ist also quasi eine Stufenabfolge: Erst findet die Auseinandersetzung statt, die natürlich schon vorangekündigt und beworben wird – es findet eine Vermarktung der Politik statt. Dann kommt die nächste Stufe: Nach der Auseinandersetzung hören wir die Nachrichten, die natürlich das TV-Duell zusammenfassen; hierauf gibt es eine Expertenrunde in den Nachrichten, die das Gespräch nochmals analysiert, meist ein Politikwissenschaftler und ein Journalist, und dann gibt es noch später Diskussionsrunden von Journalisten über das Duell. Man bekommt bestimmte Interpretationen sozusagen gut verpackt nach Hause geliefert. Ich denke mir manchmal – ich schaue mir die TV-Events natürlich professionellerweise an –, ich bin im falschen Film: Weil die bereden nicht die Diskussion, die ich selber gehört habe, sie interpretieren natürlich auch je nach bestimmten Vorlieben. Diese Metagespräche passieren zu schnell, man merkt sich das ja auch nicht alles so genau – das wissen wir aus vielen sozialpsychologischen und linguistischen Studien. Nach dem Event fängt erst das Online-Posten an. Da greift man auf eine fertige Bandbreite an Interpretationen zurück. Es wird also über die Interpretationen debattiert und selten darüber, was alles gesagt wurde. Dadurch gehen viele Inhalte verloren. Leider ist auch vor allem dann etwas nachrichtentauglich, wenn es zu einem Skandal kommt, zu einem Konflikt. Positives hat selten einen solchen Nachrichtenwert, und dadurch verstärken sich Konflikte, es entwickelt sich eine Dynamik, die zu einer starken Polarisierung führen kann.

Ist das eine absichtliche Irreführung der Zuschauer oder passiert das zwangsläufig durch diese TV-Formate?

Heutzutage wird alles an die Konsumenten verpackt weitergeliefert. Als würden wir Zuschauer nur vorm Fernseher sitzen und uns freuen, dass uns das mundgerecht serviert wird. Insofern werden Information und Partizipation verändert. Wahrscheinlich nicht absichtlich, sondern aufgrund der Vermarktung von Politik … Man wird letztlich, wenn man sich nicht dagegen wehrt, in eine passive Rolle gedrängt. Alles andere würde bewusste Arbeit und Reflexion, kritische Auseinandersetzung erfordern, eine sehr bewusste Entscheidung: Beispielsweise Experte eins sagt X, Experte zwei sagt Y, selber gehört habe ich aber Z, ich könnte mir das sogar noch mal anschauen, ich lese mir das jetzt noch mal durch – dann trete ich einen Schritt zurück, und bilde mir eine Meinung. Das wäre idealiter kritisches Hören oder kritisches und bewusstes Auseinandersetzen, verlangt aber letztlich Zeit und Arbeit: Dies erfordert Distanzierung und Hinterfragen. Durch die Vermarktung von Politik werden wir aber in eine Rolle gedrängt als passive Konsumentin. Dadurch wird einem das Denken aber abgenommen. Dieses Phänomen empfinde ich als bedrohlich für eine demokratische Gesellschaft. Als Universitätslehrende versuche ich ja auch Studierenden kritisches Hinterfragen und Reflexion nahe zu bringen. Wir wollen ja Jugendlichen beibringen, dass man Events und Äußerungen hinterfragt, dass man diskutiert, dass man nicht alles für bare Münze nimmt, dass man vielleicht noch etwas recherchiert. Insofern findet in Österreich jetzt mit seinen Dutzenden TV-Duellen und Gesprächsrunden leider ein Overkill statt.

Sind diese Diskussionen dann noch spannend?

Vieles wird leider uninteressant. Ich habe mir jetzt einige TV-Sendungen mit Kern, Kurz, Strache, Lunacek und Strolz angeschaut – und was sollen diese Politiker und Politikerinnen noch Neues sagen? Niemand hat genügend Zeit, wirklich zu diskutieren. Es findet keine Auseinandersetzung statt, wo zwei unterschiedliche Positionen konsensual vereint werden oder beide übereinstimmen, nicht einer Meinung zu sein. Es gibt ein Aufeinanderprallen von Positionen, jeder und jede versucht, sich möglichst zu profilieren, es finden – metaphorisch gesagt – Kämpfe statt. Nicht zufällig wird ständig von «Duellen» gesprochen.

Parteien aus der Mitte übernehmen nicht nur Positionen, sondern auch Sprache von Rechtspopulisten. Auch in Österreich ist das wieder der Fall …

Ja, eine solche Übernahme kann man deutlich beobachten. Ich bezeichne dieses Phänomen als «Normalisierung von rechts». Es findet eine Diffundierung von Inhalten, von zunächst rechts-außen bzw. rechts-extremen, marginalisierten Positionen zu Mainstream-Positionen statt, natürlich nicht gradlinig, und auch nicht zu allen Themen. Bei manchen Themen wie dem sogenannten Ausländerthema ist es offensichtlich: Kurz und Strache sind hier praktisch deckungsgleich. Was mich doch sehr überrascht und gewundert hat, weil ich Sebastian Kurz während seiner Amtszeit als Staatssekretär noch persönlich kennenlernen konnte. Ich war damals Mitglied im sogenannten Expertenrat, als Linguistin. Vor zweieinhalb Jahren habe ich damit aufgehört. Damals, zu Beginn, hat sich Kurz um eine Veränderung der ausgrenzenden Rhetorik bemüht, hat versucht, ein eher inklusives «wir» – Integration durch Leistung – zu lancieren. Das wurde damals der Slogan der ÖVP: Integration durch Leistung. Seit der Flüchtlingssituation 2015 und seitdem sich Kurz – wie wir ja nun auch wissen – auf den Wahlkampf und die Parteiübernahme vorbereitet hat, hat sich die Position völlig verändert. Jetzt ist die offizielle ÖVP-Linie in vielen Belangen deckungsgleich mit jenen der FPÖ: im Flüchtlingsthema, im Integrationsthema, beispielsweise der Slogan «Stopp der illegalen Migration» … Wobei sogar Flüchtlinge als illegale Migranten tituliert werden, aufgrund der Tatsache, dass sie nicht schon in Italien oder Griechenland um Asyl ansuchen, sondern nach Österreich, Deutschland oder Schweden flüchten, sind sie, so Kurz in mehreren TV-Duellen und Interviews, nach Dublin-Verfahren illegal über die österreichischen Grenzen gelangt. Als ob man Griechenland, Spanien und Italien alle Flüchtlinge zumuten könnte. Dies ist eine neue Position für die ÖVP, vor allem wenn man deren christlich-soziale Tradition bedenkt. Hier scheint es sich um einen Wettkampf um die FPÖ-Wähler zu handeln. Kurz hat durch diesen Schwenk, so sagen die Meinungsforscher, der FPÖ sieben bis acht Prozent weggenommen.

Kann man sich als Demokrat noch darüber freuen, dass die FPÖ verdrängt wird, wenn auch mit ihren eigenen Ideen? Da hat man ja nichts gewonnen.

Soweit wir wissen, hat Kurz keine Neonazis und keine schlagenden Burschenschafter in der Partei. Insofern gibt es eine Grenze zu extrem rechts. Die FPÖ ist – schaut man sich deren Programm an – extrem rechts. Es ist sicher zu begrüßen, dass sie momentan nicht an erster Stelle steht, wonach es ja lange Zeit ausgesehen hatte. Andererseits ist es bedauerlich, dass Kurz genau mit den FPÖ-Agenden gewinnen wird und nicht mit einer solidarischen, rationalen Asylpolitik, die europaweit bestimmt werden müsste. Kurz ist offensichtlich auf den Visegrad-Kurs geschwenkt und das finde ich selbst sehr schade.

Das bedeutet doch auch, dass man der FPÖ recht gibt, sie in ihren Ideen legitimiert.

Das sehe ich auch so. Orbán und Kaczynski sind damit in ihren Flüchtlingspositionen legitimiert und gestärkt. Wenn Sie sich das FPÖ-Volksbegehren «Österreich zuerst» von 1992 ansehen, ist das quasi deckungsgleich mit vielem, was die ÖVP jetzt verlangt. Teilweise wurde allerdings von den diversen Regierungen seit 1993 vieles schon umgesetzt.
Was früher empörte, ist also mehrheitsfähig geworden …
Damals, 1992, standen 300.000 Leute, inklusive der ÖVP und Kirchenvertreter, am Heldenplatz bei einer antifaschistischen Massenkundgebung, dem sogenannten Lichtermeer. Die SPÖ hat sich auch verändert, wenn auch nicht so stark. Der Antifaschismus ist präsent geblieben, aber die Abgrenzung zu manchen FPÖ-Positionen nicht mehr so eindeutig wie noch unter Faymann. Man will nicht mehr klar sagen: Mit diesen extrem Rechten können wir nicht. Das wurde, abgesehen von der Wiener SPÖ, bislang nicht mehr so klar gesagt.

Kann man sich als Partei überhaupt noch so
abgrenzen?

Es zeigt sich, dass auf lokaler Ebene Zusammenarbeit möglich ist. Man muss dennoch klare Grenzen setzen, das hat Kern auch versucht. Im sogenannten Kriterienkatalog umfasst der erste Punkt ganz explizit die Forderung nach «Einhaltung der Menschenrechte und den Kampf gegen Faschismus». Warum wird das nicht offen gesagt? Es herrscht natürlich die Hoffnung, «von denen» Wähler zu bekommen – Protestwähler. Ich halte das für eine fehlgeleitete Hoffnung insofern, als Leute, die die FPÖ wählen, dies bewusst machen. Niemand muss FPÖ wählen, es gibt auch andere Protestparteien. Da kann man sich als sozialdemokratische Partei deutlich und eindeutig zum Antifaschismus und zu den Menschenrechten bekennen. Natürlich geht man damit auch ein Risiko ein, aber ein klares Profil beeindruckt viele. Bei der ÖVP hingegen lautet die Frage nicht, ob sie eine Koalition eingehen oder einen Konsens verhandeln muss, denn sie ist fast deckungsgleich mit der FPÖ. Wie es der ehemalige Grüne Peter Pilz pointiert formulierte: Kurz sei der bessere Strache.

Würden Sie die ÖVP unter Kurz als rechtspopulistisch einstufen?

Die ÖVP unter Kurz ist am besten Weg zum Rechtspopulismus, nicht nur was Migration und Asyl, auch was den sogenannten Wohlstandchauvinismus betrifft: Man schürt Neid und Ressentiment. Dies geschieht, indem die ÖVP etwa die Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge kürzen will. Mit dem Argument, diese dürften doch erst etwas bekommen, wenn sie genug eingezahlt hätten, also nach fünf Jahren. Ich halte dies für einen Trugschluss – Flüchtlinge kommen doch nicht freiwillig, sie müssen lange warten, bis sie überhaupt arbeiten dürfen (sollten sie einen positiven Asylbescheid erhalten). Kurz meinte aber, dass das Geld, das damit eingespart würde, österreichischen Familien zugutekäme. Eine solche Politik kreiert Neid – denn Menschen glauben dann, die Flüchtlinge nähmen den österreichischen Familien etwas weg. Man kann die Ideologie und die Inhalte des Rechtspopulismus klar definieren, auch wenn es natürlich viele Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien gibt: Es geht um einen starken Nationalismus, manchmal auch um Ethno-Nationalismus, um eine hierarchische Struktur in der Partei, um eine Führungspersönlichkeit versammelt, um konservative Werte und um Law-and-Order-Politik. Viele Rechtspopulisten sind sehr anti-intellektuell eingestellt – dies ist sicher bei der ÖVP nicht der Fall. Auch die Geschlechter- und Familienpolitik ist nicht so konservativ wie etwa in der polnischen PiS. In der Inszenierung, im Wohlfahrtschauvinismus und in der Integrationspolitik sowie in der Law-and-Order-Dynamik ist die ÖVP jedoch am besten Weg zum ausgeprägten Rechtspopulismus.

Sie sagen, die FPÖ sei eine rechtsextreme Partei. Wieso schreibt das dann keine österreichische Tageszeitung? Die werden im schlimmsten Fall als Rechtspopulisten betitelt.

Bei der Titulierung der FPÖ sind viele vorsichtig. Schließlich wurden in der Zeit von 2000 bis 2006 viele Leute, auch Wissenschaftler, von Haider geklagt aufgrund solcher Äußerungen. Der Politologe Anton Pelinka wurde beispielsweise von Haider zwei Mal geklagt. Es gab viele politische Interventionen im ORF. Viele Leute machen sich auch nicht die Mühe, etwa das Handbuch der Freiheitlichen Partei, das man sich von der FPÖ-Webseite herunterladen kann, zumindest anzusehen. Das ist voll von rechtsextremem Jargon, die Geschlechterpolitik ist absolut anachronistisch und vieles erinnert an nationalsozialistische Ideologeme. Es gibt jetzt ein neues Buch von Hans Henning Scharsach, der die schlagenden Burschenschaften, der viele FPÖ-Mitglieder angehören, penibel recherchiert hat. Das Mauthausen Komitee hat ebenfalls viele rezente Fälle von Wiederbetätigung in einem neuen Buch publiziert. Das Buch von Alexander Pollak, «Der Hassprediger», beschreibt den Werdegang, die Äußerungen und die Politik des FPÖ-Vizebürgermeisters von Wien, Johann Gudenus, in vielen Details.

Wie kriegen wir wieder etwas Anstand in die politische Sprache, in den Diskurs zurück? Oder können wir das vergessen?

Nein, das müssen wir nicht vergessen. Eine Sehnsucht besteht vielerorts nach rationaler, inhaltlicher und sachlicher Diskussion, mag sie auch konfliktgetragen sein. Man muss versuchen, zu einer sinnvollen und inhaltlichen Diskussion zu finden. Wahrscheinlich muss man sich etwas Neues erarbeiten, wo auch ein sinnvoller Umgang mit Social Media mit einbezogen wird. Gerade dieser Wahlkampf wäre ein Anlass, sich das auch in den Medien zu überlegen. Das böse Aufwachen am Sonntagabend könnte dazu führen, dass uns klar wird: Diese Art von Auseinandersetzung ist demokratieschädlich.


Zur Person: Ruth Wodak

Ruth Wodak, 1950 in London geboren, ist eine österreichische Sprachwissenschaftlerin und ehemalige Professorin für Sprachwissenschaften der Universität Wien und der Lancaster University.
Ruth Wodak ist eine der exponiertesten Vertreterinnen der kritischen Diskursanalyse und hat sich intensiv mit der Vorurteilsforschung auseinandergesetzt. Sowohl in Österreich als auch im englischsprachigen Raum gilt Ruth Wodak als viel gefragte Expertin für den Diskurs und die Sprache in der rechten Politik. Ihr zuletzt veröffentlichtes Buch «Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse» wurde in Österreich 2017 zum Wissenschaftsbuch des Jahres gekürt.

Isa
23. Oktober 2017 - 15.24

Vielen Dank, Frau Wodak, dass Sie die Dinge so wunderbar klar auf den Punkt bringen, tolles Interview!!!

GuyT
13. Oktober 2017 - 13.35

Politiker sollten einfacher ehrlicher sein und auch Negatives nicht wegschweigen und den gesunde Menschenverstand negieren. Nur so kann man Wähler zurückgewinnen . Wer z.B. die Aussage "denn Menschen glauben dann, die Flüchtlinge nähmen den österreichischen Familien etwas weg" nicht Ernst nimmt verspielt seine Glaubwürdigkeit. Selbstverständlich kostet die Integration von den Hunderttausenden Flüchtlingen den Staat Geld welches dann anderswo nicht ausgeben kann. Nun mag langfristig dieses Geld gut angelegt sein und in 20-30 Jahren die Rentenfinanzierung positiv stützen. Kurzfristig werden diese jährliche Ausgaben in diesen Grössenordnung (von z.B.35 Mia in Deutschland) , sicherlich nicht schmerzlos aus dem Hut gezaubert werden. Ebenso wird sich zweifelsohne mittelfristig eine höhere Konkurrenz im Niedriglohnsektor geben. Die Politik muss hier Antworten anbieten die auch die unteren Gesellschaftschichten zufrieden stellen. Das Wegblenden von unangenehmen Sachverhalten ist nicht die Lösung.