Helle Aufregung herrschte am Strand von Savona: Die Tramontana, der Wind, der von den Alpen südwärts weht, hatte das Meer in Unruhe gebracht. Ein Vater mit seinen beiden Töchtern – Touristen, die mit dem Wettergeschehen der Region nicht vertraut waren – hatte sich zu weit ins Wasser gewagt. Die drei Menschen waren in Not geraten, Rettungsschwimmer und weitere Hilfe waren dringend erforderlich. Die kam auch von zwei Rettungshundeteams: „Yuma“ und „Max“, zwei prachtvolle Golden Retriever, sprangen ohne zu zögern ins Wasser. An ihren Haltegurten konnten sich die in Seenot geratenen Touristen festklammern und sich neben den Rettungsschwimmern ans Ufer ziehen lassen. Aufatmen am Strand, der Notfall war noch einmal gut ausgegangen.
„Yuma“ und „Max“ gehören zu einer Rettungshundestaffel, die ihren regelmäßigen Dienst am Strand von Albissola Marina versieht. Ausgebildet wurden die Golden Retriever in der „Scuola Italiana Cani Salataggio“ (S.I.C.S.), der europaweit einzigen Ausbildungsstätte für Rettungshunde, die Menschen in Not auch in Gewässern zu Hilfe kommen.
Die Hundeschule am Gardasee
Mehr als vierzig Jahre ist es her, dass Ferruccio Pilenga seinen ersten Neufundländer bekam. Der Schutzbeamte der Protezione Civile erkannte bald, dass das Tier eigentlich nicht in die Klimazonen Italiens gehörte. Das dichte Unterfell des Tieres ließ es bei sommerlichen Temperaturen den ganzen Tag hecheln, literweise Wasser saufen. Nur eine Abkühlung im nahe gelegenen Gardasee schien eine freudige Ablenkung für das starke Tier zu sein. Immer wieder sprangen Hund und Herrchen ins kühle Nass, spielten im See, ließ sich Pilenga vom Hund durch das Wasser ziehen. Es muss wohl einer jener Momente gewesen sein, als die Idee entstand, eine Schule für Wasserrettungshunde zu gründen. Gedacht, getan – inzwischen ist die „Scuola Italiana Cani Salvataggio“ zu einer international anerkannten Ausbildungsstätte für Wasserrettungshunde geworden. An allen italienischen Stränden wachen die Labradore, Neufundländer und Golden Retriever über das Wohl der Badenden.
„Als wir in den achtziger Jahren begannen, steckte alles noch in der Kinderschuhen“, erinnert sich Ferruccio Pilenga. Bereits damals arbeitete er beim Zivilschutz, machte sich mit Kollegen Gedanken und Pläne, wie man die Strände sicherer gestalten könnte. „Wir haben alle technischen Mittel ausgeschöpft: Schlauchboote, Schiffe der Küstenwache, Helikopter. Doch der Schwachpunkt war immer noch der Mensch: Ein Rettungsschwimmer kann maximal eine Person sichern.“
Nach den spielerischen Erfahrungen mit seinem Neufundländer kam Ferruccio die Idee, Hunde als Retter einzusetzen. „Wir tauschten uns mit Kollegen in Frankreich aus, die bereits Erfahrungen hatten. Schließlich wurde die Idee einer Ausbildungsstätte, einer Schule für Hunde geboren.“ Die ist inzwischen „erwachsen“ geworden und hat viele Zweigstellen hervorgebracht – nicht nur am Gardasee, in Genua, Mailand, Pescara, Triest, auf Elba, Sardinien und Sizilien, in fast jeder Küstenregion sind Standorte von S.I.C.S. entstanden. Und das erste „S“ in der Abkürzung steht längst auch für „Squadra“ – Mannschaft – der Rettungshunde. Allein in der Toskana versehen 170 Hunde mit ihren Führern „Dienst“, um das Leben der Badenden sicherer zu machen.
Nicht jeder Hund ist geeignet
„Bei der Auswahl eines Wasserrettungshundes müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein. Vor allem muss es ein starkes Tier sein, das in der Lage ist, eine schwere Last aus dem Wasser zu ziehen. Dann – und vielleicht dies zuerst – muss er es natürlich lieben, ins Wasser zu gehen und dort seine Arbeit zu verrichten“, erklärt Ferruccio Pilenga.
Die Ausbildung vollzieht sich immer im vertrauensvollen Spiel des Tieres mit seinem Betreuer. Erst wird der Hund ans Wasser gewöhnt. Bei Neufundländern, Labradoren oder Golden Retrievern ist das nicht schwer, sie lieben das Wasser. In ersten Übungen apportieren sie leichte Gegenstände, Hölzer oder Bälle.
Nach und nach wird dem Tier erst ein leichtes Geschirr, später dann ein komplexeres angelegt und die Hund lernen, einen Menschen durchs Wasser zu ziehen.
In einer weiteren Phase lernen die Hunde, aus dem Boot, später sogar aus dem Helikopter, ins Wasser zu springen und zur Zielperson zu schwimmen.
„Hunde und Rettungsschwimmer arbeiten dann gemeinsam. Wenn ich ein starkes Tier wie meinen Nelson an meiner Seite habe, kann es sogar drei oder vier Menschen ans Ufer ziehen“, zeigt sich Pilenga überzeugt. Eine solche Übung gehört unabdingbar auch zur Prüfung, die ein Wasserrettungshund ablegen muss, damit sein Betreuer das begehrte Zertifikat „Rettungshund“ in den Händen halten darf.
Hunde haben besonderen Sinn
Von Ferruccio Pilenga will ich wissen, ob es wahr ist, dass die Rettungshunde einen besonderen Sinn entwickeln, sicher aus dem Wasser zu kommen? „Ja, das ist mehr als wahr. Die von uns trainierten Hunde habe ein feineres Gespür für Strömungen und den Gang der Wellen. Sie besitzen sozusagen einen ‚intelligenten Motor‘. Die Hunde nehmen immer den sichersten und schnellsten Weg ans Ufer, man kann sich ihnen ruhig anvertrauen“, meint der erfahrene Seenotretter.
Und wo liegen die Grenzen? Die, so Pilenga, liegen vor allem im Grad der Beziehung zwischen Hund und Betreuer. Je enger die sind, desto besser die Reaktion im Ernstfall. „Der Betreuer ist zwar an Land die dominierende Person, im Wasser muss er jedoch seinem Hund zeigen, dass er ihm voll vertraut und die Führungsrolle überlässt. Das beginnt damit, dass der Hund als Erstes ins Wasser springt – vom Boot oder Helikopter – und auch als Erster die zu rettende Person erreicht“, so die Erfahrungen Pilengas. Der Betreuer, der natürlich auch Rettungsschwimmer ist, kann dann beruhigend auf die Menschen einwirken, während der „Motor“ Hund alle zusammen in Richtung Ufer schleppt.
„Natürlich sind auch physische Grenzen gesetzt. Ein gesunder, trainierter Hund kann etwa bis zu einem Lebensalter von zehn Jahren seinen Dienst verrichten. Und schließlich hängt dann auch alles von den Schwimmfähigkeiten des Betreuers ab – ein schlechter Schwimmer kann mit seinem Hund nie zu einem sehr guten Team heranreifen, egal, wie gut der Hund ausgebildet ist.“ Doch die Vielzahl der Freiwilligen, die mit ihren Hunden die Ausbildung zum Rettungsteam anstreben, ist ein gutes Signal, dass einem auch in der Zukunft um den Nachwuchs nicht bange sein muss.
Und nicht ohne Stolz berichtet Ferruccio Pilenga davon, dass die Erfahrungen und die Methoden, die S.I.C.S. gemacht und entwickelt haben, auch international gefragt sind. „Wir haben gute Beziehungen zu neu aufgestellten Sektionen in Deutschland und Frankreich, sogar die US Coast Guard war sehr an unserem Know-how interessiert.“
Auf nationaler Ebene arbeiten die von Pilenga und Kollegen ausgebildeten Hundestaffeln bei der Protezione Civile, bei Feuerwehr und Polizei, bei der Küstenwache und der Marine Militaria.
Wünschen wir der „Scuola (Squadra) Italiana Cani Salvataggio“ noch viel Freude und Erfolg bei der Ausbildung und im Einsatz der Wasserrettungshunde – und hoffen dabei, dass es nur selten zu ernsten Einsätzen kommen möge.
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