Headlines

Öffentliche DebatteSchutz der historischen Bausubstanz: Sam Tanson mit schwerem Stand

Öffentliche Debatte / Schutz der historischen Bausubstanz: Sam Tanson mit schwerem Stand
Die Abrissbirne im Einsatz: ein in Luxemburg weit verbreitetes Bild Foto: Editpress-Archiv

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Es war eine Premiere am Mittwochmorgen in der Chamber. Erstmals in der Geschichte der 2014 eingeführten Petitionen wurde zum zweiten Mal über ein und dasselbe Thema öffentlich debattiert: den Schutz des historischen Bauerbes Luxemburgs. Da das Resultat der eineinhalbstündigen Diskussion wohl nichts an der Zerstörungswut im Land ändert, könnte es in Zukunft zu weiteren kommen. Die Urheber der Petition sind jedenfalls nicht bereit, aufzugeben.    

„Die Debatte war sehr gut“, fand Peter Kleijnenburg, Gründer der Facebookseite „Luxembourg under destruction“ und wie schon 2020 einer der vier Petenten, die sich für den Erhalt der historischen Bausubstanz in Luxemburg einsetzen. „Wir haben alles gesagt und waren deutlich genug, denke ich. Die Abgeordneten haben gute Fragen gestellt und auch die konnten wir beantworten.“ Jedoch seien auch die Antworten von Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) dieselben wie damals gewesen, weshalb sich Kleijnenburg und seine Mitstreiter keine Illusion machen, dass sich etwas ändert. Denn Tanson muss ihr Denkmalschutzgesetz von 2022 verteidigen. Und das geht den Petenten nicht weit genug. Ihre Hauptforderung ist ein Moratorium, also ein Stopp der Abrissbirne.   

Laut Regeln darf lediglich eine Petition zum selben Thema pro Jahr zugelassen werden. Da sie mit dem Resultat der ersten Debatte nicht zufrieden waren und weiterhin dokumentieren, wie in Luxemburg mit historischer Bausubstanz umgegangen wird, versuchten die Urheber der damaligen Petition 1638 ihr Glück noch einmal. Und wieder schafften sie es über die Schwelle der 4.500 Unterschriften, die es zur öffentlichen Debatte im Parlament braucht. Die Debatte begann ähnlich wie 2020 mit einem dreiminütigen Video. Eine endlose Folge von Fotos alter, aber durchaus erhaltenswerter Häuser und Bauernhöfe, die in letzter Zeit dem Erdboden gleichgemacht wurden, um neue Residenzen zu errichten. Und die laut den Petenten ein Beleg dafür sind, dass das Anfang letzten Jahres in Kraft getretene Denkmalschutzgesetz in der Praxis nicht funktioniert.  

Klimaschutz

Warum das so ist, das erklärten Peter Kleijnenburg, Karin Waringo und die Expertin Lilith Kreiss (Architects for Future) recht eindringlich. Ihre Argumente gegen die Zerstörung historischer Bausubstanz sind die gleichen wie vor zweieinhalb Jahren. Da ist zuallererst mal die Verschandelung der Städte und Dörfer. Oft sei ein Ortskern nicht mehr als solcher zu erkennen. Auch, weil es keinen „Ensembleschutz“ gebe, also die Erhaltung einer Gruppe von Gebäuden. Dann geht es um eine eingeschränkte Lebensqualität durch die vielen Baustellen.

Schlussendlich aber auch um Klimaschutz. Denn der Abriss von nicht abrissreifen Gebäuden ist eine Verschwendung von Ressourcen und würde zudem mit dem Neubau die CO2-Bilanz erheblich belasten. Immerhin sorgt die Baubranche weltweit für 40% der Emissionen, für 90% des Rohstoffverbrauchs und für 60% des Müllaufkommens. Demnach ist die Bauwut im Land konträr zu den Pariser Klimazielen, zu denen sich auch die Luxemburger Regierung verpflichtet hat. Das Argument der Wohnungskrise lassen sie auch nicht gelten. Die sei v.a. entstanden, weil nicht konsequent genug saniert und umgenutzt werde. Auch die „fanatische Fokussierung auf Energieeffizienz“ habe nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, so Karin Waringo: „Was ist an einem Abriss mit anschließendem Neubau schon nachhaltig?“

Daher bliebe man bei der Forderung nach einem Abriss-Moratorium. Es geht dabei nicht darum, dass prinzipiell alle Gebäude, die vor 1957 gebaut wurden, erhalten bleiben, sondern um eine Umkehr der Beweislast. Will ein Bauunternehmen ein altes Gebäude abreißen, dann muss es den Abriss bei der Denkmalschutzbehörde INPA begründen. Das genaue Datum sei da nicht so wichtig, darüber könne man reden, so Kleijnenburg. Gegen eine solche Regelung hatte der Staatsrat allerdings sein Veto eingelegt. Daher setzt das neue Denkmalschutzgesetz auf eine flächendeckende Inventur aller schützenswerten Gebäude pro Gemeinde. Die allerdings dauere mindestens zehn Jahre, argumentieren die Petenten. So viel Zeit habe man aber nicht, denn die Zerstörung gehe ungebremst weiter. Bis jetzt hat in der Tat eine Kommune (Mersch) diese Inventur abgeschlossen, vier weitere (Helperknapp, Lintgen, Kehlen, Lorentzweiler) stehen kurz davor.  

Man hätte sich erhofft, dass mehr Minister an der Diskussion teilgenommen hätten, sagte Karin Waringo, denn die Problematik sei umfassend. Die Landesplanung spielt zum Beispiel eine Rolle, da in Zukunft weniger Flächen versiegelt werden sollen und daher verstärkt in die Höhe gebaut werden müsse. Diese Verdichtung sei oft das Todesurteil alter Gebäude, so Waringo. Auch das Innenministerium sei gefordert, oder das Finanz- respektive das Wirtschaftsministerium. Das, weil der Erhalt auch einen finanziellen Aspekt hat. Fakt sei es nun mal, dass Banken Kredite zum Kauf eines alten, vielleicht renovierungsbedürftigen Hauses oft nicht erteilen, weshalb potenzielle Käufer auf den Kauf einer Wohnung ausweichen müssten.

Schlussendlich sei eine Sanierung einer alten Scheune mit allen Auflagen kompliziert. Der Abriss und Neubau durch ein Bauunternehmen einfacher. Und natürlich lukrativer. Denn gekauft würde von Letzteren schlussendlich das Grundstück, nicht das darauf stehende Haus. Was es für den Besitzer oder Erben eines solchen Hauses natürlich finanziell attraktiver macht, an einen Immobilienunternehmer zu verkaufen.

Tansons schwerer Stand

Ministerin Sam Tanson gehörte das Schlusswort, wobei es ihr schwerfiel, den Argumenten der vorangegangen eineinhalb Stunden etwas entgegenzusetzen. Also verteidigte sie wie schon bei der ersten Debatte das Denkmalschutzgesetz mit seinem Sicherheitsnetz, das die Petenten zuvor als unwirksam bezeichneten. Auch machte sie auf die Gemeindeautonomie aufmerksam. Tags zuvor hatte Tanson eigens eine Pressekonferenz einberufen, um die aktuellen Zahlen zum Denkmalschutz zu beleuchten. 2.197 Gebäude seien national geschützt, 17.000 kommunal. Also eine wesentliche Steigerung, seitdem das Gesetz in Kraft sei. „Was nützen uns 700 zusätzlich geschützte Häuser, wenn gleichzeitig 500 abgerissen werden“, sagt dazu Peter Kleijnenburg. Einige Gemeinden legten mehr Wert auf das Bauerbe, andere eben weniger. Oft würden Abriss- und Baugenehmigungen erteilt, ohne sich das Objekt überhaupt angeschaut zu haben. Eine Kategorisierung des Schutzes in vier Klassen würde helfen, meint der gebürtige Niederländer.

Nach der Debatte beschlossen die Parlamentarier, die Diskussionen zur Verbesserung des Schutzes des Luxemburger Bauerbes weiterzuführen. Auch werden sie sich die implizierten Kommissionen zusammenschließen, um weitere unterstützende Maßnahmen zu diskutieren, wie Nancy Kemp-Arendt (CSV), Präsidentin des Petitionsausschusses, dem Tageblatt verriet.    

Levieux
9. Mai 2023 - 11.23

Ja, Mister Urbain, und schöne historische Autos die die Öffentlichkeit nicht zu unterhalten braucht wollen diese Grüne am liebsten verschrotten!

Romain
6. Mai 2023 - 10.46

Wenn bei einer alten Immobilie da steht ist das Bauwerk zerstört. Das nennt man dann eine Ruine. Diese sollte abgerissen werden und im gleichen Aussehen aufgebaut werden. Das wird billiger und das Gebäude wird stabilisiert.

Urbain
4. Mai 2023 - 11.08

Jeder Dreck wird als historisch eingestuft, sogar Hochöfen die ich mit gebaut habe.

Ein Witz!

Ich warte darauf, dass die Idioten den Düdelinger Fensehturm als historisch einstufen, anstatt mit 10 Windgeneratoren zu ersetzen.