Der Luxemburger Satellitenbetreiber SES hat in seinem traditionellen Kerngeschäft (das Bereitstellen von Sendekapazitäten für Video/Fernsehen) seit einigen Jahren mit einem schwierigen Umfeld zu kämpfen. Wettbewerber, die auf andere Technologien oder auf billigere Satelliten setzen, machen den Platzhirschen das Leben schwer. Mit zur Konkurrenz zählt auch das wachsende Streaming-Angebot. Im Jahr 2020, wie auch im Jahr 2021, war der Umsatz des Betzdorfer Satellitenbetreibers in diesem Geschäftsbereich geschrumpft.
Um diese Rückgänge auszugleichen, arbeitet die Unternehmensgruppe seit einigen Jahren am Ausbau des Geschäftsbereichs „Networks“. Dazu zählen Dienstleistungen für Regierungen sowie Angebote im Bereich Mobilität (etwa Internet für Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe) und Fixed Data. Eine Reihe Zukunftsprojekte und eine neue Generation von Satelliten sollen helfen, neuen Umsatz zu bringen. So etwa der Satellit SES17, der letztes Jahr gestartet wurde und ab Mitte 2022 in den Dienst treten soll. Oder die O3b-mPower-Satelliten, die ab 2023 für zusätzliche Einnahmen sorgen sollen. Oder der Militärsatellit GovSat, der gesicherte Kommunikation anbietet.
Um diesen Bereich nun weiter schnell auszubauen, hat der Satellitenbetreiber am Dienstag die Übernahme der in den USA beheimateten Gesellschaft DRS Global Enterprise Solutions (GES) angekündigt. 450 Millionen Dollar legen die Luxemburger für diese Übernahme auf den Tisch.
Seit über 20 Jahren bietet GES maßgeschneiderte Satellitenkommunikationslösungen für Land-, See- und Luftoperationen der US-Regierung an, schreibt die SES in einer Pressemeldung. Das Unternehmen sei ein führender Anbieter von Regierungsdienstleistungen mit langjährigen Beziehungen zu vielen wichtigen Behörden sowie mit Fachwissen bei der Bereitstellung integrierter satellitengestützter und terrestrischer Lösungen, insbesondere in den Bereichen Unternehmens-IT-Management und Cybersicherheit.
GES ist eine Tochtergesellschaft des Rüstungskonzerns Leonardo DRS. Dieser bezeichnet sich selbst als „ein führender Anbieter von Verteidigungsprodukten und -technologien, die in den Bereichen Land, Luft, See, Raum und Cyber eingesetzt werden“. Das vielfältige Angebot an Verteidigungssystemen und -lösungen werde allen Zweigen des US-Militärs, wichtigen Hauptauftragnehmern der Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie, staatlichen Nachrichtendiensten und internationalen Militärkunden angeboten, so die Gesellschaft. Leonardo DRS ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des italienischen Konzerns Leonardo S.p.A.
Verbindung von Satellitenflotte mit Netzwerklösungen
Nach Abschluss der Transaktion wird das GES-Geschäft mit SES Government Solutions, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von SES, zusammengelegt, so dass ein spezialisierter Lösungsanbieter für die kritischen Konnektivitätsanforderungen der US-Regierung entsteht. SES Government Solutions arbeitet im Rahmen einer Vollmacht, die es ermöglicht, Dienstleistungen im Rahmen von Verträgen mit der US-Regierung zu erbringen, einschließlich klassifizierter Arbeiten.
„Diese Investition (…) wird es SES ermöglichen, die US-Regierung mit einem erweiterten und verbesserten Angebot an fortschrittlichen Konnektivitäts- und Netzwerklösungen zu bedienen und dabei die weltweit größte Satellitenflotte mit mehreren Umlaufbahnen zu nutzen“, wird SES-Geschäftsführer Steve Collar in der Pressemeldung zur Übernehme zitiert.
Die gekaufte Gesellschaft biete der US-Regierung sowohl Dienstleistungen im zivilen wie auch im militärischen Bereich an, präzisiert Ferdinand Kayser, strategischer Berater von Geschäftsführer Steve Collar, gegenüber dem Tageblatt. Beispielsweise, um eine gesicherte Kommunikation mit den US-Botschaften zu ermöglichen. Aktiv sei GES sowohl in den USA als auch in anderen Ländern.
Die SES und GES kennen sich bereits seit vielen Jahren, so Kayser weiter. „Die kaufen Satellitenkapazität und bieten dann Dienstleistungen an.“ In diesem Sinne sei GES sowohl ein Konkurrent als auch ein Kunde und ein Partner von SES gewesen. „Es handelt sich um einen Bereich, in dem wir stärker werden wollen“, so Kayser. Es sei der Bereich, der letztes Jahr am stärksten gewachsen war.
Keine direkten Kriegshandlungen
Für die SES ist diese Übernahme ein großer Schritt: Zu den bisher rund 2.100 Mitarbeitern der Gesellschaft werden etwa 250 zusätzliche hinzukommen. Zu dem Jahresumsatz von derzeit rund 1,8 Milliarden Euro werden etwa 250 Millionen Dollar hinzukommen. Der Volumen des „US-Regierungsgeschäfts“ wird sich verdoppeln.
„Es ist eine Investition in zukünftiges Wachstum“, erklärt Ferdinand Kayser weiter. Alles, was mit Sicherheit, mit abgesicherter Konnektivität zu tun hat. Der ganze Bereich werde nun immer wichtiger, sagt er. Es gelte, ein gesichertes Netz über Satelliten, ergänzend zur terrestrischen Konnektivität, anzubieten. Auch dem Microsoft-Konzern helfe die SES beispielsweise, um das Netzwerk widerstandsfähiger zu machen.
„Direkte Kriegshandlungen“ werde die SES jedoch auch weiterhin nicht tätigen, versichert er. „Dafür gibt es spezialisierte Militärsatelliten.“ Die SES biete Konnektivität, den Transfer von Informationen. „Das muss alles sauber getrennt bleiben.“ Als Unternehmen wolle man nicht an Kriegen beteiligt sein. „Das dürfen wir nicht und das wollen wir nicht.“
Bis die nun angekündigte Transaktion durchgeführt und abgeschlossen werden kann, wird es jedoch noch etwas dauern. Die Zustimmung der zuständigen Behörden steht noch aus. Die beiden Vertragspartner rechnen mit dem zweiten Halbjahr 2022.
Zum Cyberangriff auf einen Satelliten
Zeitgleich mit dem Beginn des russischen Eroberungskriegs in der Ukraine wurde am 24. Februar bei einem Satelliten von Viasat eine Störung festgestellt. Späteren Berichten zufolge handelte es sich wohl um einen russischen Cyberangriff, der das Ziel verfolgte, die Internet-Kommunikation der ukrainischen Streitkräfte zu stören. Als Kollateralschaden der Störung fiel quer durch Europa die satellitengesteuerte Fernsteuerung von Tausenden Windkraftanlagen aus. Die Schäden scheinen bis heute, wenigstens zum Teil, immer noch nicht behoben.
„Bei klassischen Satelliten ist dieses Risiko nicht auszuschließen“, so Ferdinand Kayser auf Tageblatt-Nachfrage. Unterscheiden müsse man jedoch zwischen Unfällen, die an Uplink-Stationen vorkommen können, und gezielt herbeigeführten Störungen.
Da derartige Unfälle manchmal passieren können, habe die SES ein Team und Prozeduren, wie man auf einen solchen Fall reagieren soll, so Kayser weiter. Vor allem gelte es dann, den Ursprungsort der Störung zu finden und den Fehler zu beheben. „Dieses Problem kennen wir.“
Etwas anders ist das, wenn die Internet-Konnektivität eines Satelliten absichtlich gestört wird, „Jamming“ genannt. „Das ist uns noch nie passiert“, so Kayser weiter. Ein einfacher Hacker könne etwas Derartiges gar nicht tun. Dafür benötige man „spezielles Material“, sagt er. „Armeen haben so etwas.“ Und wenn die Störung lange andauert, dann bedeute dies wohl, dass auch weiter aktiv gestört wird.
Zudem erklärt er, dass derartige Angriffe auf Satelliten, die mit gesicherter militärischer Konnektivität, arbeiten, nicht möglich seien. „So viel ich weiß, ist das noch nie vorgekommen.“ Mit derartigen gesicherten Frequenzen arbeite beispielsweise der Satellit für Militärkommunikation GovSat. Da gebe es demnach kein Risiko.
Auch kein Risiko gebe es, ihm zufolge, bei den neuen O3b-mPower-Satelliten. Die sind nicht geostationär und fliegen schneller um die Erde, als diese sich dreht. Das mache es schwerer, sie zu orten. „Doch um sie zu stören, muss man die Orbitalposition kennen.“
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