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Roe v. WadeRecht auf Abtreibung: Entscheidung in den USA regt Debatte in Luxemburg an

Roe v. Wade / Recht auf Abtreibung: Entscheidung in den USA regt Debatte in Luxemburg an
Eine Frau protestiert vor dem Gebäude des US Supreme Court gegen den Entscheid der Obersten Richter. Auf einem Klebestreifen über ihrem Mund steht auf Englisch: „Bürger zweiter Klasse“. Foto: AFP

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Der Oberste Gerichtshof in den USA hat eine folgenschwere Entscheidung getroffen: Das Recht auf Abtreibungen, das Schwangerschaftsabbrüche landesweit legalisierte, wurde aberkannt. Nach diesem Urteil diskutiert auch Luxemburg wieder über Schwangerschaftsabbrüche. Ein Gesetz aus dem Jahr 1978 regelt Abtreibungen im Großherzogtum – nun werden Stimmen laut, die ein Abtreibungsrecht in der Luxemburger Verfassung verankert sehen wollen.

Roe v. Wade. So heißt ein Grundsatzurteil in den USA, das Frauen in den Vereinigten Staaten ein Recht auf Abtreibung gewährt und landesweit legalisiert. Bis Freitag, als der Oberste Gerichtshof eben jenes Urteil aus dem Jahr 1973 aufhob. Ein Aufschrei ging um die Welt, auch Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel reagierte in den sozialen Medien auf die Nachricht aus den USA. „Die Illegalisierung von Abtreibungen ist nicht Pro-Life“, schreibt Bettel bei Twitter und bezeichnet die Entscheidung des Obersten Gerichthofes in den USA als „frauenfeindlich“. „Pro-Life“ ist in den USA die gängige Bezeichnung für Abtreibungsgegner, Befürworter werden als „Pro-Choice“ bezeichnet, also für die freie Entscheidungswahl. Es werde Frauen töten und sei eine soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit. „Reproduktive Rechte sind nicht nur die Rechte von Frauen“, sagt Bettel. „Sie sind ein Menschenrecht.“

Neue Debatte

Nach dem Urteil in den USA ist Alex Bodry, ehemaliger LSAP-Minister und Mitglied des Staatsrats, noch einen Schritt weiter gegangen. Ebenfalls auf Twitter schlägt Bodry vor, das Recht auf Abtreibung in die Grundrechte der Luxemburger Verfassung aufzunehmen. „Dieses Selbstbestimmungsrecht der Frauen ist konventionell und verfassungsmäßig ungenügend abgesichert“, schreibt Bodry. Auf Nachfrage des Tageblatt sagt Bodry zudem: „Ich denke, dass wir diese Debatte führen müssen – getrennt von der großen Verfassungsrevision, die fast am Ende angekommen ist.“ Alex Bodry war vor seinem Wechsel in den Staatsrat jahrelang Vorsitzender der Verfassungskommission in der Chamber.

Seine Anregung zur Debatte will Bodry als Initiative eines engagierten Bürgers verstanden wissen, der sich seit 35 Jahren mit Verfassungsfragen beschäftige, und habe nichts mit seiner Funktion im Staatsrat zu tun. Er sei jedoch froh, dass die Frage offen debattiert werden könne. Es sei derzeit keine Eile geboten, jedoch bevorzuge er, dass der Verfassungsgeber die Bürgerrechte festlege, als dass diese Aufgabe den Richtern zukomme. „Es wird nicht einfach werden, eine Verfassungsmehrheit zu finden“, sagt Bodry zudem. „Da ist es eventuell angebracht, auf einen externen Experten zurückzugreifen und sich die nötige Zeit zu lassen.“

„Was die Verfassung anbelangt, muss die Chamber und nicht die Regierung die Initiative ergreifen“, sagte der Premierminister Xavier Bettel am Sonntag auf Tageblatt-Anfrage. Und diese würde sich gerade mit einer großen Verfassungsrevision beschäftigen. Die Position der Regierung zum Thema Abtreibung sei aber klar. „Wenn die Chamber solch eine Initiative ergreifen sollte, wird sich die Regierung bestimmt nicht widersetzen.“

Roe v. Wade

Roe v. Wade war eine Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht, die der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 22. Januar 1973 gefällt hat. Der Entscheidung zufolge verletzte ein Strafgesetz des US-Bundesstaates Texas zum Schwangerschaftsabbruch das verfassungsmäßige Recht einer Frau, über Abbruch oder Fortführung ihrer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Ein weiteres Urteil von 1992 bestärkte die Rechtsprechung weitgehend und passte sie an.

Diese Entscheidungen hat der mehrheitlich mit konservativen Richtern besetzte Gerichtshof am vergangenen Freitag mit einer Sechs-zu-drei-Mehrheit zurückgezogen. Drei der insgesamt neun Richter wurden vom vorigen US-Präsidenten Donald Trump ernannt. Die drei von Trump ernannten Richter hatten beim Bestätigungsverfahren angegeben, das Grundsatzurteil Roe v. Wade respektieren zu wollen – stimmten aber nun für die Aufhebung des Urteils. Die Benennung des Falls ergibt sich aus dem anonymisierten Namen der klagenden Frau „Jane Roe“ und dem Namen des texanischen Bezirksstaatsanwalts Henry Wade, gegen den sich die Klage aus formalen Gründen richtete. (Red./dpa/Wikipedia)

Maxime Miltgen, Präsidentin der „Femmes socialistes“, unterstützt den Vorstoß von Alex Bodry. „Wir unterstützen diesen Vorschlag und stehen auch weiterhin hinter dem Recht auf Abtreibung“, sagt Miltgen auf Tageblatt-Anfrage. Mit der Verfassung der neuen Revision könne die Chamberkommission sich dieses Problems dann auch annehmen. „Es werden ja ohnehin schon viel persönlichere Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf Wohnen, in der Verfassung festgehalten.“ Zudem könne man sich dann auch die Frage stellen, ob das Recht auf Euthanasie oder insgesamt die Selbstbestimmung nicht Verfassungsrang erhalten solle. Zum Recht auf Abtreibung aber meint Miltgen, dass das Gesetz von 2014  „Verfassungsrang“ erhalten solle.

Viele Menschen würden den Kampf für Gleichberechtigung mit dem Argument in Frage stellen, dass diese schon längst erreicht sei. „Solche Momente aber beweisen, dass Frauenrechte nicht als gesicherte Errungenschaft angesehen werden können“, sagt Miltgen weiter und verweist auf den Fall in den USA. „Wenn sie nicht genügend geschützt werden, sind sie schnell wieder weg.“ Mit dem Festschreiben in der Verfassung würde man diese Rechte verstärkt schützen und das Risiko von einem gesellschaftlichen Rückschritt sei wesentlich geringer.

Schwangerschaftsabbruch in Luxemburg

Abtreibungen sind in Luxemburg seit 1978 gesetzlich geregelt. 2014 wurden diese Bestimmungen noch einmal aufgelockert. Demnach können Frauen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche abtreiben. Nach der zwölften Schwangerschaftswoche ist ein Abbruch nur dann möglich, wenn zwei Ärzte schriftlich bestätigen, dass eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Frau oder des ungeborenen Kindes besteht.

Für freiwillige Schwangerschaftsabbrüche innerhalb der ersten zwölf Wochen muss die Schwangere mindestens drei Tage vor dem Schwangerschaftsabbruch einen Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe aufgesucht haben, der ihr eine Bescheinigung über den Schwangerschaftsabbruch ausstellt. In der Bescheinigung müssen laut Gesetz folgende Informationen festgehalten werden:

  • eine datierte Schwangerschaftsbescheinigung, die Auskunft über den Sitz und das genaue Alter der Schwangerschaft gibt und die dem Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch durchführt, ausgehändigt wird;
  • medizinische Informationen über die verschiedenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs sowie über die medizinischen Risiken und möglichen Nebenwirkungen dieser Methoden;
  • eine Liste der Einrichtungen, die für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs zugelassen sind, die vom Gesundheitsminister zur Verfügung gestellt wird, wenn der Arzt aus irgendeinem Grund nicht in der Lage ist, einen solchen Eingriff selbst vorzunehmen;
  • eine vom zuständigen Ministerium bereitgestellte Dokumentation, die über die Rechte der schwangeren Frau, die Unterstützung für Kinder und Familien sowie die verschiedenen Möglichkeiten, die sich in ihrer Situation bieten, und deren Folgen informiert. Diese Unterlagen enthalten auch eine Liste psychosozialer Beratungsstellen.

Vor 2014 war ein Schwangerschaftsabbruch in Luxemburg nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, nämlich dann,

  • wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft oder die Lebensumstände, die die Geburt mit sich bringen könnte, die physische oder psychische Gesundheit der schwangeren Frau gefährden könnten;
  • wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass das ungeborene Kind an einer schweren Krankheit, einem schweren Leiden oder einer schweren Behinderung leiden wird;
  • wenn die Schwangerschaft als Folge einer Vergewaltigung angesehen werden kann.

Schwangerschaftsabbrüche, die nicht unter den oben genannten Voraussetzungen durchgeführt wurden, konnten bis 2014 strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch werden in Luxemburg seit 1978 von der Krankenkasse übernommen. Doch auch den praktizierenden Ärzten in Luxemburg wird per Gesetz ein Recht eingeräumt: Sie können die Behandlung im Fall eines freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs verweigern.

Werbeverbot in Deutschland aufgehoben

Der deutsche Bundestag hat am vergangenen Freitag die Aufhebung des umstrittenen Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Eine große Mehrheit der Abgeordneten stimmte im Plenum für den Regierungsentwurf zur Streichung des entsprechenden Gesetzesparagrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch. 
Der umstrittene Paragraf führte bislang dazu, dass Ärztinnen und Ärzte keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten konnten, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. In den vergangenen Jahren waren Ärztinnen und Ärzte wiederholt zu Geldstrafen verurteilt worden, etwa wenn sie auf ihren Internetseiten darauf aufmerksam machten, dass sie Abtreibungen anbieten.
Am deutschen Abtreibungsrecht selbst ändert sich nichts. Nach geltender Rechtslage ist in Deutschland eine Abtreibung straffrei, wenn sie in den ersten drei Monaten nach der Empfängnis nach einer obligatorischen Konfliktberatung vorgenommen wird. Ohne rechtliche Folgen bleibt sie auch, wenn es medizinische Gründe für den Abbruch gibt oder wenn die Frau vergewaltigt wurde. (dpa)

John
27. Juni 2022 - 17.25

Ridiculous .... humanity is moving back to future. :-(

Gronk
27. Juni 2022 - 11.15

Die von Trump eingesetzten konservativen Richter haben sich auch zu Homo-Ehe und Verhütung geäussert, in diesen Angelegenheiten einzugreifen. Was kommt als Nächstes? Hexenverbrennungen??
Amerika spaltet sich noch mehr als zuvor und Putin, Xi und Co lachen sich ins Fäustchen.

Eigentlich sollten oberste Richter neutral sein und sich keiner politischen oder religiösen Sichtweisen unterwerfen.