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Gleichberechtigung„OGBL und Pride stehen für die gleichen Werte“

Gleichberechtigung / „OGBL und Pride stehen für die gleichen Werte“
Stefan Osorio-König, beigeordneter Zentralsekretär beim OGBL, setzt sich für die Belange der LGBT+-Gemeinschaft ein Foto: Sunny Tarawade

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Die Gewerkschaft OGBL marschiert auf der Luxembourg Pride am Samstag mit – laut Stefan Osorio-König, beigeordneter Zentralsekretär der Syndikate Metallverarbeit­ende Industrie und Chemie und Mitglied der LGBT+-Community, ein logischer Schritt. Der Gewerkschafter und Aktivist hat mit dem Tageblatt über Beweggründe, Sichtbarkeit und sozialen Fortschritt gesprochen.

Tageblatt: Der OGBL beteiligt sich dieses Jahr aktiv an der Pride. In welcher Form und wie ist es dazu gekommen?

Stefan Osorio-König: Wir werden am Samstag am Equality March teilnehmen und das Wochenende über mit einem Stand in Esch vertreten sein. Dass wir eines Tages aktiv auf der Pride vertreten sein werden, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und war nur eine Frage der Zeit. Als Gewerkschafter geht es – einfach ausgedrückt – eben nicht nur darum, Gehälter zu verhandeln, sondern auch um die Arbeitsbedingungen und darum, dass sich die Menschen an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. Wir setzen uns gegen jegliche Form von Diskriminierung ein, sei es aufgrund der Hautfarbe, des sozialen Status, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung usw. Das Bekämpfen von Diskriminierungen jeder Art ist sowohl das Hauptanliegen des OGBL als auch der Pride.

 Foto: Laura Giacomini

Der OGBL hat auch in den Jahren davor schon Präsenz bei den Pride-Veranstaltungen gezeigt.

Genau. Es waren immer wieder Mitglieder dabei. Wir stehen zu 100 Prozent hinter dieser Causa. In den Vorjahren haben wir als Privatpersonen teilgenommen. Dieses Mal ist es anders: Der OGBL wird sich aktiv beteiligen und ein Zeichen setzen.

Erste Bemühungen in diese Richtung gab es bereits vor einigen Jahren. Dann kam die Corona-Pandemie und die Pride fiel aus. 2022 gab es noch Organisatorisches zu klären und eine Teilnahme des OGBL wäre einfach zu kurzfristig gewesen. Und dieses Mal hat es geklappt.

Das Echo innerhalb der Gewerkschaft, als die Idee aufkam, war also von Anfang an positiv.

Absolut. Da es das erste Mal ist, dass wir in dieser Form dabei sein, dachte ich mir zuerst, es langsam angehen zu lassen und einfach mal zu schauen, wie die Resonanz sein wird. Wir haben Buttons, Aufkleber und T-Shirts mit unserem Logo in Regenbogenfarben anfertigen lassen. Ich dachte, 30 T-Shirts würden für den Anfang reichen. Doch alleine für den Marsch haben sich rund 50 OGBL-Mitglieder angemeldet. Da haben wir die 30 schon weit überschritten. (lacht)

‚Il n’y a pas d’acquis’ – wie schnell auch wieder ein Schritt nach hinten gemacht werden kann, sieht man zum Beispiel in Polen, wo LGBT+-freie Zonen eingerichtet wurden, oder in manchen US-Staaten

Stefan Osorio-König, Gewerkschafter

Die Pride hat ja auch eine politische Komponente, denkt man vor allem an ihre Anfänge zurück: die Stonewall-Proteste (bei denen sich Mitglieder der LGBT+-Community gegen die teils brutal vorgehende Polizei in den USA auflehnten, Anm. d. Red.) …

Das ist etwas, was bei den Feierlichkeiten nicht vergessen werden darf. Die Pride setzt sich sowohl aus Party als auch aus einer politischen Dimension zusammen. Wir machen alle gerne Party, aber es geht auch um das aktive Engagement und darum, ein sichtbares Zeichen nach außen zu setzen. Ich sage es mal so: Der Tag, an dem wir nur noch Party machen könnten, wäre das Ideal.

Wie weit sind wir davon entfernt?

In Luxemburg hat es deutliche Fortschritte gegeben. Man darf allerdings einerseits niemals vergessen, welche Bemühungen und Opfer notwendig waren, um dazu zu kommen, andererseits aber auch nichts als „acquis“ ansehen. „Il n’y a pas d’acquis“ – wie schnell auch wieder ein Schritt nach hinten gemacht werden kann, sieht man zum Beispiel in Polen, wo LGBT+-freie Zonen eingerichtet wurden, oder in manchen US-Staaten. In vielen Ländern ist Homosexualität strafbar und homosexuelle Personen werden dort verfolgt. Wir schreiben das Jahr 2023 und in Uganda werden sexuelle Handlungen mit Personen desselben Geschlechts mit lebenslanger Freiheitsstrafe, teilweise sogar mit der Todesstrafe, geahndet. Deswegen ist es wichtig, sich hier und heute weiter für Gleichberechtigung, für die Rechte von LGBT+-Personen und für sozialen Fortschritt einzusetzen.

Wie sieht es bei Ihnen im Alltag aus?

Ich hatte mein Coming-out im Jahr 1995. Ich kann zum Glück sagen, dass meine sexuelle Orientierung sowohl privat als auch in meinem Arbeitsumfeld vollkommen akzeptiert wird. Ich kann meinen Partner zur Familienfeier im Betrieb mitbringen, kann auf der Straße mit ihm Händchen halten oder Küsse geben und das stellt kein Problem dar. Ich weiß, dass es aber nicht bei jedem so ist.

Entgegen dem, was manche glauben, betrifft die sexuelle Orientierung nicht nur das Sexualleben, sondern auch ganz gewöhnliche Alltagssituationen. Auch im normalen Sprachgebrauch kann sich die Annahme, jeder Mensch sei heterosexuell, widerspiegeln. Ich frage deswegen immer, ob jemand eine Partnerin oder einen Partner hat, und gehe nicht von vornherein davon aus, die Person sei in einer heterosexuellen Beziehung. Da kann man schon ansetzen.

Kommemorationsfeier bei der Pride 2022: Vor dem Escher Resistenzmuseum wird der Opfer der LGBT+-Community unter dem Nazi-Regime gedacht
Kommemorationsfeier bei der Pride 2022: Vor dem Escher Resistenzmuseum wird der Opfer der LGBT+-Community unter dem Nazi-Regime gedacht Foto: Editpress/Alain Rischard

Was würden Sie manchen negativen Stimmen antworten, die behaupten, es solle dann auch eine „Straight Pride“ oder „Cisgender Pride“ geben?

Das ist Quatsch. Es gibt Menschen, die sich benachteiligt fühlen, sobald Stimmen stark werden, die sich für Minderheiten einsetzen. Das erinnert mich an die „Black Lives Matter“-Proteste. Ich habe auch daran teilgenommen und habe mich als Weißer niemals in irgendeiner Form angegriffen oder benachteiligt gefühlt. „Black Lives Matter“ bedeutet ja nicht, dass nicht-schwarze Personen unwichtig seien. Es bedeutet jedoch, dass es strukturelle, systemische Diskriminierungen gegenüber bestimmten Mitgliedern der Gesellschaft gibt. Genauso ist es mit der Pride.

Pride in Luxemburg

Die Pride Week ist eine internationale Veranstaltung, bei der die LGBT+-Gemeinschaft gefeiert wird. Sie findet in der Woche vom 3. bis 9. Juli 2023 in Luxemburg statt. Höhepunkt sind der Equality March und die Feierlichkeiten in Esch.
Die Luxembourg Pride wurde 1999 von Rosa Lëtzebuerg unter dem Namen „Gaymat“ ins Leben gerufen.
Die 1996 gegründete Vereinigung setzt sich für die Rechte der in Luxemburg lebenden LGBT+-Personen ein. 2010 änderten die Organisatoren das Konzept und aus dem einst kleinen Event wurde ein großes Festival, wie wir es heute kennen: mit Ausstellungen, politischen und wissenschaftlichen Debatten, Symposien, Filmvorführungen, Diskussionsrunden und einer Abschlussparty. Zum 20. Geburtstag wurde aus dem „Gaymat“ die Luxembourg Pride. Sie richtet sich nicht nur an Mitglieder der LGBT+-Gemeinschaft, sondern auch an sogenannte „allies“ – Personen, die sich für ihre Belange einsetzen und für den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung starkmachen.
2022 war die Luxembourg Pride offizieller Partner des Programms von „Esch2022“. Rund 10.000 Menschen nahmen daran teil – eine Zahl, die die Organisatoren der Pride Week dieses Jahr erneut zu erreichen hoffen. Wie gewohnt wurden Sicherheitsmaßnahmen getroffen und Polizeipatrouillen, Sicherheitsdienste und Krankenwagen werden am Samstag und Sonntag in Esch vor Ort sein, um einen sicheren Ablauf zu gewährleisten. (Lorelei Ramaekers)

 Foto: Laura Giacomini