Wenn von Champagner, Sekt oder Crémant die Rede ist, dann geht es vorrangig um den Geschmack, die Feinheit der Bläschen oder die Anlässe, um das feine Getränk aufzutischen. Claude Wolf hat mit dem Pariser Wissenschaftler Martin Cubertafond die Welt der Schaumweine aus dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt analysiert.
Die Welt des Champagners ist eine Welt für sich, ein einzigartiges Modell. Knapp 4% des Gebietes generieren 20% des Umsatzes. Die Champagne ist allerdings an einem Drehpunkt angelangt. Die Anbaufläche kann nicht weiter ausgedehnt werden, die Mentalitäten verändern sich und die internationale Konkurrenz wird immer größer.“ Diese Überlegungen schickt Martin Cubertafond seiner Analyse des internationalen Schaumweinmarktes voraus. Sein erster Blick gilt natürlich dem Champagner, der jährlich 2,5 Milliarden Flaschen auf den Markt bringt. Sie erwirtschaften einen Umsatz von fast 5 Milliarden Euro, der allerdings seit der Wirtschaftskrise nicht mehr gewachsen ist.
„2008 kam es zu einem regelrechten Einbruch. Die Menschen wollten nicht mehr feiern, es wurde weniger Champagner getrunken“, stellt der Wissenschaftler fest. Dabei hat, nach seinen Erhebungen, der französische Markt wohl am meisten gelitten. Italien hat seinen Export in den letzten acht Jahren verdoppelt, nicht zuletzt, indem es sich eine neue Mode zu eigen machte: Die beliebten „Spritz“ werden vornehmlich mit billigeren Produkten hergestellt, etwa die Hälfte des in Frankreich verkauften Prosecco landet im modischen Cocktail. Der Markt, und vor allem das Marketing, sind in Frankreich und Italien nicht gleich. Der französische Champagner liegt in der obersten Preisspanne mit einem Angebot, das bei 20 Euro beginnt und bis 130 Euro und mehr reicht. Eine Prosecco-Flasche hingegen kostet im Durchschnitt etwa 6 Euro.
Fünf große Häuser
Der Champagner-Markt wird beherrscht von fünf großen Häusern, die allein 55% der Produktion vermarkten. An erster Stelle steht die LVMH-Gruppe (Louis Vuitton Moët Hennessy) mit den Bezeichnungen Moët&Chandon, Veuve Cliquot, Dom Perignon, Ruinart, Mercier und Krug. Die Gruppe bestreitet 35% des Marktes und ist fast sechsmal größer als ihr direkter Nachfolger Lanson-BCC, mit Lanson, Chanoine Frères und De Venoge. Weitere Mitstreiter sind Vranken-Pommery Monopole mit u.a. den Marken Heidsieck und Charles Lafitte, Pernod Ricard mit Mumm und Perier-Jouët sowie Laurent-Perrier. Sie besetzen jedoch jeweils nur 5 bis 6% des Marktes.
Diese fünf großen Häuser besitzen allerdings nur knapp 10% der Anbaufläche. Das bedeutet, dass sie jährlich sehr viel zukaufen müssen. Anders gesagt: Die 15.700 Winzer in der Champagne sind größtenteils Zulieferer der großen Häuser. Sie verkaufen entweder die Trauben, gleich nach der Weinlese, oder den gerade angesetzten Most. Die großen Produzenten machen daraus einen Wein, der ihrem Ruf entspricht und stets den gleichen Geschmack hat, für den sie bekannt und beliebt sind. Die jungen Winzer der Champagne proben hier allerdings den Aufstand.
Neue Methoden, neue Märkte
„Unser Wein ist ein landwirtschaftliches Erzeugnis, das je nach Jahrgang und Witterung anders schmecken darf. Wir fordern diese Besonderheit, die in den meisten Weingegenden gängig ist, bei uns von den großen Produzenten jedoch unterbunden wird“, so Raphaël Bérêche und Aurélien Gerbais. Sie stehen an der Spitze einer neuen Bewegung, die sich „Artisans vignerons d’exception“ nennt und mit neuen Methoden neue Märkte erschließen wollen.
Die Vereinigung gruppiert rund 100 Winzer, 18 davon werden hierzulande von einem jungen, aufstrebenden Weinhandel mit rund 90 Jahrgängen vertrieben. „Craft et Compagnie“ wurde vor anderthalb Jahren von Agnès und Sébastien Rouillaux hier in Luxemburg gegründet. Das Ehepaar hat sich dem Kampf um eine Neuordnung des Champagnermarktes angeschlossen. Martin Cubertafond sagt dem Champagner eine andere Zukunft voraus, er bleibt dabei jedoch zuversichtlich. „Die international produzierten Schaumweine werden die Verbraucher auf den Genuss – also auf den Champagner – bringen. Das ist seine Chance. Deshalb sollte auf die – wirtschaftlich ohnehin unrentablen – Billigprodukte unter 15 Euro verzichtet und der Champagner als Festtagsgetränk positioniert werden“. Die Weihnachtstage sind mit 8% des Umsatzes immer noch ein Höhepunkt für Verkauf und Konsum.
Breite Kundschaft
Die Welt der Weintrinker hat die Schaumweine schon lange für sich entdeckt. Die größten Konsumenten sind erstaunlicherweise die Deutschen, die jährlich etwa 400 Millionen Flaschen trinken und somit 16% des Weltmarktes besetzen. An zweiter Stelle der Kunden stehen die Vereinigten Staaten mit 285 Millionen konsumierten Flaschen, erst an dritter Stelle kommt Frankreich, gefolgt von Russland und Großbritannien, wo 210 Millionen Flaschen jährlich vermarktet werden.
Insgesamt hat sich der Markt der Schaumweine in den letzten zwölf Jahren verdoppelt.
English Sparklings
Die Engländer sind Weinkenner, Weinliebhaber, große Konsumenten, sie waren aber bisher keine Weinbauern. Das hat sich in den letzten 30 Jahren geändert. Im Süden Großbritanniens und in Wales wird auf rund 2.000 ha Wein angebaut. Nach ersten Versuchen mit kälteresistenten Reben wie Müller-Thurgau (Rivaner) haben die Briten in den 90er Jahren die Reben der Champagne, Chardonnay und Pinot noir, angepflanzt und machen daraus „English Sparklings“.
Der Umfang ist mit 3,5 Millionen Flaschen noch bescheiden, die Ziele sind mit 10 Millionen Flaschen jedoch beachtlich. Die Briten setzen dabei auf den Klimawandel und die Erwärmung, die aus dem kühlen, feuchten Südengland eine Weingegend machen könnten. Noch sind sie nicht auf der gewonnenen Seite. Die Erträge sind sehr unterschiedlich, der Ertrag der Weinberge ist mit 22 hl/ha weitaus geringer als in der Champagne (70 hl/ha) oder Italien (124 hl/ha). Darüber hinaus sind die britischen Weine durch die hohen Kosten mit 17 bis 35 £ pro Flasche fast so teuer wie der Champagner (14-42 £). Sie können allerdings auf einen gewissen Patriotismus zählen.
In Londoner Geschäftskreisen wird mittlerweile gerne mit „English Fizz“ angestoßen und auch die Queen serviert ihn ihren ausländischen Gästen. Auch hier haben die Häuser der Champagne schon Lunte gerochen: Taittinger hat 2016 Weinberge in Kent gekauft, Pommery produziert mit seinem britischen Partner „Hattingley Valley“ einen „Louis Pommery“. „Die britischen Schaumweine müssen ihre eigene Identität noch finden. Die Weingüter sind noch sehr jung, die Zeit erst wird zeigen, ob die Herangehensweise der Champagne sich übertragen lässt oder andere Reben angepflanzt werden müssen“, so Cubertafond.
Aus der Neuen Welt
Die gesteigerte Nachfrage nach Schaumweinen ist natürlich auch an der Neuen Welt nicht vorbeigegangen. Weinproduzenten wie Argentinien, Chile, Südafrika, Neuseeland, Australien und vor allem die USA liefern heute etwa 14% aller Schaumweine, etwa 350 Millionen Flaschen. Der allergrößte Teil dieser Produktion wird im eigenen Land verkauft, nur etwa 60 Millionen Flaschen werden exportiert.
Damit sind sie noch keine Konkurrenten für die Produzenten aus der Champagne oder aus Italien, die Nachfrage lässt jedoch auf ein großes Potenzial schließen. Das trifft besonders auf die Vereinigten Staaten zu, die etwa doppelt so viel konsumieren, wie sie selbst herstellen.
Diese hohe Nachfrage hat die Häuser der Champagne veranlasst, ihr professionelles Wissen zu exportieren und vor Ort zu produzieren. Domaine Chandon, Mumm Napa, Roederer Estate und Piper Sonoma sind nur einige Beispiele französisch-amerikanischer Zusammenarbeit. Infolge ihrer Preispolitik siedeln sich diese Marken im oberen Preissegment an, bei einem Preis, der über 15 Dollar liegt.
Ein Weltmarkt
Wie es sein Name bereits verrät, kommt der Champagner immer aus der Champagne, alle anderen Schaumweine tragen andere Bezeichnungen. In Italien ist es der Prosecco, in Spanien der Cava, im restlichen Frankreich sind es, genau wie bei uns, die Crémants, die der traditionellen Erfindung von Dom Perignon den Rang ablaufen wollen.
An erster Stelle der Produzenten steht Italien, das ein Viertel der Weltproduktion auf den Markt bringt. An zweiter Stelle steht Frankreich mit einem Marktanteil von 19%, gefolgt von Deutschland (14%), Spanien (11%) und Russland (10%). Exporteure sind allerdings nur Italien, Frankreich und Spanien, mit rund 85% aller Ausfuhren. Wegen seiner hohen Preise liegt Frankreich jedoch umsatzmäßig an erster Stelle. Deutschland und Russland produzieren Sekt oder Schaumweine nur für ihren eigenen Gebrauch.
Die drei Exportländer vermarkten sich auch nicht gleich. Frankreich setzt stark auf seine renommierten Herkunftsbezeichnungen, während Italien global seinen Prosecco anbietet und auf Herkunftsbezeichnungen und Häuser verzichtet.
Unterschiedliche Herstellungsmethoden
Sie haben zwar alle die typischen Bläschen, sind aber nicht alle gleich. Die Fachwelt unterscheidet zwischen dem deutschen Perlwein, dem italienischen „vino frizzante“ oder dem portugiesischen „vinho frisante“ auf der einen Seite und den Schaumweinen. Dazu gehört der Champagner, aber auch der deutsche Sekt, der italienische „Vino spumante“ oder der spanische „Vino espumoso“.
Champagner, Cava und Crémant werden nach den sogenannten traditionellen Methoden hergestellt, wobei der stille Wein abgefüllt und erst in der Flasche zu Schaumwein weiterverarbeitet wird. Typisch sind die lange Ruhezeit (neun Monate für den Crémant, 15 für den Champagner) und das anschließende Schütteln, wodurch der Absatz in den Flaschenhals steigt und da ausgesondert wird. Der italienische Prosecco und der deutsche Sekt werden in großen Bottichen zum Gären gebracht und danach erst abgefüllt.
In Frankreich werden einzelne Schaumweine wie die „Blanquette de Limoux“ nach einer weiteren handwerklichen Methode gereift, bei der die Gärung kurz nach der Reife gestoppt, der Wein den ganzen Winter über bei null Grad gelagert wird und im Frühjahr, wenn es wärmer wird, die Gärung wieder beginnt. Die so gewonnenen Weine haben nur wenig Bläschen, kennen jedoch als „pétillants naturels“ mit dem Hang zu Bioweinen einen Aufschwung.
Die in Frankreich ebenfalls bekannte „Clairette de Die“ ist eine Mischung aus den verschiedenen Methoden. Der stille Wein kommt zuerst in die Flaschen, dann in einen Bottich, wo die Gärung durch Kühlung gestoppt wird und wird nach Filterung wieder in die Flaschen abgefüllt.
Wann ett nett méi richtég schmaacht,
dann zreck an den Chemie-labo.