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Nordirlands Frauen wollen ihre Rechte

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Wenn in Nordirland eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger wird und abtreibt, riskiert sie eine längere Haftstrafe als ihr Vergewaltiger. Nordirlands Frauen haben solche Gesetze satt. Nun soll ein Referendum über Abtreibung her. So wie der Süden es vor zehn Tagen vorgemacht hat. Doch ganz so einfach ist das nicht. London hat das Sagen.

Vor zehn Tagen war das Erstaunen groß in Dublin. Die Freude ebenso. Gerade hatte die Republik Irland in einem Volksentscheid entschlossen, ihre Abtreibungsgesetze zu entschärfen. Vor dem Referendum waren alle von einem knappen Ergebnis ausgegangen. Aber nun hatten sich 66,4 Prozent der Iren für eine Lockerung ausgesprochen. Eine Deutlichkeit, die über die Grenze bis in den Norden hallte.

Auch in Nordirland, das anders als die Republik zum Vereinigten Königreich gehört, sind die Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch streng. Strenger noch, als sie es im Süden sind. Wenn zwischen Derry und Belfast eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger wird und abtreibt, riskiert sie eine längere Haftstrafe als ihr Vergewaltiger.

UN sprechen von «systematischen Verletzungen der Rechte der Frauen»

Sogar die Vereinten Nationen sind schon eingeschritten. Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau sprach im Februar von schweren Menschenrechtsverletzungen wegen der nordirischen Abtreibungsgesetze. Im Text war die Rede von «systematischen Verletzungen der Rechte der Frauen». Diese müssen entweder ins Ausland reisen, wenn sie abtreiben wollen, oder ihr Kind austragen. Für die UN eine Verletzung der Menschenrechte – und das könnte noch seine Wichtigkeit bekommen.

Viele Nordiren wollen den Moment nutzen, der durch das irische Ergebnis beim Referendum entstanden ist. In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 sprach sich ein großer Teil der Befragten für eine Lockerung aus, nun sollen Taten folgen. So sehen es auch die junge Eleanor Crossey-Malone und ihre Mitstreiterinnen aus verschiedenen Frauenrechtsgruppen. Am vergangenen Freitag zogen sie vor das Oberste Gericht in Belfast und machten etwas für nordirische Verhältnisse Unerhörtes.

«Wir wollen nicht länger eine Bastion der Rückständigkeit sein.
Wir werden diese Situation nicht weiter tolerieren.»

Aktivistin Eleanor Crossey-Malone

Drei Frauen nahmen vor den Augen der Polizei Abtreibungspillen ein. Ob sie schwanger waren oder nicht, weigerten sie sich zu sagen. Die Polizei schritt ein, die Frauen hatten, indem sie die Pille nahmen, eine Straftat begangen. Gegenüber dem Belfast Telegraph unterstrich Eleanor Crossey-Malone ihren Willen, an der Lage nordirischer Frauen etwas zu ändern. «Wir wollen nicht länger eine Bastion der Rückständigkeit sein», sagte sie. «Wir werden diese Situation nicht weiter tolerieren.»

Nordirland ist unter «Direct Rule»

Der Druck auf Nordirlands Politiker ist groß – doch diese sind in der bequemen Situation, gar nichts entscheiden zu können. Seit Anfang 2017 ist das nordirische Parlament entmachtet. Die beiden großen Lager-Parteien, die protestantisch-unionistische DUP und die katholisch-republikanische Sinn Féin, konnten sich nach vorgezogenen Neuwahlen nicht auf eine Koalition einigen. Im Falle Nordirlands bedeutet das, dass London das Ruder übernimmt. Nordirland ist seit anderthalb Jahren unter «Direct Rule». Damit ist letzten Endes Theresa May für die britische Provinz verantwortlich – und hier kommen die Menschenrechte wieder ins Spiel.

Eleanor Crossey-Malone nimmt in aller Öffentlichkeit eine Abtreibungspille und begeht damit eine Straftat

Die Stimmen mehren sich, die May dazu auffordern, in Nordirland einen Volksentscheid ähnlich dem aus dem Süden auszurufen. Sogar ihre eigenen Tory-Abgeordneten forderten May zum Handeln in dieser Frage auf. Doch May weigert sich. Das politische Klima in London erlaube keine Einmischung in nordirische Gesellschaftsfragen, wies May alle Aufforderungen zurück.

Der Grund dafür liegt in Mays Koalitionspartner, der DUP. Die ultrakonservative Partei lehnt eine Reform der Abtreibungsgesetze kategorisch ab. Das hat Parteichefin Arlene Foster auch deutlich gesagt – womit Mays Hände gebunden sind. Nur dank der zehn DUP-Abgeordneten konnte sich May an der Macht halten nach ihrem desaströsen Ergebnis bei den von ihr selber ausgerufenen vorgezogenen Neuwahlen vor einem Jahr.

DUP hat May in der Hand

Und Mays Regierung plagt sich gerade mit dem Brexit herum. Bei diesen Abstimmungen braucht sie die zehn DUP-Stimmen. Der ehemalige DUP-Gesundheitsminister Jim Wells brachte die eigene Machtposition gegenüber dem Belfast Telegraph auf den Punkt. May werde ihr «Übereinkommen mit der DUP im britischen Parlament nicht gefährden», zeigte sich Wells seiner Sache sicher.

Dann erinnerte er daran, dass es bislang 54 Brexit-Abstimmungen in Westminster gab, «und von denen wurden 49 mit nur zehn oder weniger Stimmen Unterschied gewonnen». Wells Rechnung klang wie eine Drohung. Für May und ihren Brexit. Und für die nordirischen Frauen und deren Selbstbestimmung über ihren Körper.