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„Die Ruhe vor dem Sturm“: Nina Blazon über ihr Leben als Autorin von Kinder- und Jugendbüchern

„Die Ruhe vor dem Sturm“: Nina Blazon über ihr Leben als Autorin von Kinder- und Jugendbüchern

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Nina Blazon ist die diesjährige Stipendiatin der Autorenresidenz „Struwwelpippi kommt zur Springprozession“ in Echternach. Bei einem Kaffee brachte sie Jodie Schmit die Welt des literarischen Schreibens näher.

Von Jodie Schmit

Tageblatt: Wenn Ihre Bücher eine Wetterlage wären, welche wäre das?

Nina Blazon:
Ich würde sie als die Ruhe vor dem Sturm beschreiben, da die Geschichten oft langsam und ruhig anfangen und dann stärker werden.

Was macht Ihre Bücher einzigartig? Gibt es Gemeinsamkeiten wie Charaktere oder Botschaften, die immer wieder darin vorkommen?

Tatsächlich lasse ich gerne mal frühere Charaktere in neuen Büchern wieder erwachen oder die jeweiligen Nachfahren der Charaktere in einer Geschichte auftreten. Mir ist aufgefallen, dass die Leser sich gerne einen Spaß draus machen, zu suchen, wo sie in den jeweiligen Geschichten eine frühere Figur wiedererkennen.

Wer ist Nina Blazon?

„Mein Name ist Nina Blazon, ich bin gebürtige Slowenierin und lebe momentan in Stuttgart. Seit 2013 bin ich eine deutschsprachige Kinder- und Jugendbuchautorin, schreibe aber mittlerweile auch historische Krimiromane für Jugendliche und Erwachsene.

Da ich in meinen früheren Berufen als Journalistin und Werbetexterin schon immer im schriftlichen Bereich tätig war, merkte ich früh, dass ich mich in diesem Bereich entfalten möchte. Nach einigen Jahren journalistischer Arbeit begann ich, etwas mehr Zeit in Kreativität zu investieren und Kurzgeschichten zu schreiben.

Als dann nach einiger Zeit des Probierens und des Sichselbstfindens mein erstes Manuskript veröffentlicht wurde, kamen einige Verlage auf mich zu, um mir immer wieder neue Vorschläge für Geschichten zu machen. So bin ich mit der Zeit in den Beruf der Schriftstellerin hineingerutscht.“

Das Thema, das in den meisten meiner Bücher übergreifend ist, ist die Begegnung mit dem Fremden. Es handelt sich hierbei um eine Thematik, die mich persönlich sehr fasziniert und die ich auch in die Welt mitgeben möchte: Wann sehen wir etwas als fremd und bedrohlich an? Ich möchte meinen Lesern zeigen, dass wir alle nicht so verschieden sind, wie wir immer denken, und wir keine Angst vor dem Unbekannten haben sollen. Wir haben mehr gemeinsam als uns unterscheidet und der Begriff des Fremden gilt nur, solange man etwas nicht kennt.

Stichwort: Angst vor dem weißen Blatt?

Absolut, die ist bei den Anfängen der Entstehung einer Geschichte immer da. Ich finde es sehr einschüchternd, vor dem Monitor zu sitzen und zu sehen, dass noch nichts auf meinem Dokument geschrieben steht.

Persönlich rette ich mich dann immer in handschriftliche Notizen zu den Figuren, sodass ich zumindest das Gefühl bekomme, dass ich einen Plan habe. Das wirklich Knifflige ist es, das, was man in der Geschichte aussagen möchte, so rüberzubringen.

Das erste Drittel ist immer der schwierigste Teil. Hier müssen noch alle Figuren vorgestellt werden und die Welt muss dem zukünftigen Leser erklärt werden. Nach dem ersten Drittel gibt es dann aber einen Flow, wo das Schreiben immer mehr von selbst passiert.

Können Sie sich noch an das Gefühl erinnern, als Sie Ihr erstes eigenes Buch in den Händen hielten? 

Natürlich. Ich erinnere mich daran, dass die erste Zeit sehr überwältigend war und es ein Auf und Ab von Gefühlen war. Neben Glück und Aufregung hielt sich eine gewisse Spannung in meinem Körper, die Angst vor den ersten Rückmeldungen, sobald wirklich einige Leute das Buch gelesen haben. Ich dachte mir, dass es nun kein Zurück mehr gibt und hatte Angst vor möglichen Fehlern in meiner Geschichte. Was, wenn mein Buch an einer Stelle keinen Sinn ergibt? Was, wenn die Leser es schrecklich finden?

Wie ist es heute?

Mittlerweile hat sich diese Anspannung gelegt. Ich weiß nun, dass nicht jedes geschriebene Wort perfekt sein muss und man sich in jedem Buch mal vertippen kann. Doch das besondere Gefühl, das einen bei der Veröffentlichung der eigenen Geschichte überkommt, wird sich nie legen. Es wird immer etwas sehr Schönes und Besonderes sein, das eigene Buch in den Händen zu halten.

Was bedeutet Ihnen das Schreiben?

Es ist das, was ich gerne tue und das, was ich auch am besten kann. Im Gegensatz zu anderen Arbeitsbereichen fällt mir die Kunst des Schreibens leichter. Diese Arbeit gibt mir die Möglichkeit, meinen persönlichen Stärken Raum zu geben und meiner eigenen Stimme Ausdruck zu verleihen. Zudem arbeite ich am effizientesten, wenn ich mich komplett alleine in meinem stillen Büro abschotten kann und von nichts und niemandem abgelenkt werde.

Der Beruf der Autorin ermöglicht mir diese Arbeitsweise, da ich während des Schreibens auf niemanden angewiesen bin und nichts außer meinem Computer dafür brauche. Hierbei kann ich vollkommen in die Welt der Geschichten eintauchen.

Wie würden Sie den Beruf des Autors in drei Worten beschreiben?

Ich würde den Alltag eines Schriftstellers als einsam bezeichnen. Zumindest erlebe ich ihn so. Es ist zum größten Teil ein Einzelkämpferberuf, bei dem man sich voll und ganz auf sich selbst verlassen muss und für den man ein gesundes Selbstvertrauen benötigt. Zudem ist es eine sehr zeitintensive Arbeit, bei der es keine festgelegten Arbeitszeiten gibt. Es kommt nicht selten vor, dass man als Schriftsteller(in) bis in die Wochenenden hinein schreiben muss. Zu guter Letzt empfinde ich den Alltag eines Autors jedoch als einen Alltag, der immer wieder Neues für einen bereithält und bei dem jeder Tag spannend ist. Ich persönlich habe den Beruf einfach für mich entdeckt und kann mit Sicherheit sagen, dass er perfekt zu mir passt.

Wie sehen Ihre Recherchen vor dem Schreiben aus? Basieren die Geschichten manchmal auf persönlichen Erlebnissen?

Für mich ist das Verbinden persönlicher Erlebnisse mit meinen Geschichten sehr wichtig. Ich finde es eine spannende Facette des Schreibens, wenn man für die Geschichten, die man schreiben möchte, eine eigene Reise macht, um noch mehr in die einzelnen Welten und Kulturen einzutauchen und sie noch besser verstehen zu können.

Ich mache meine Recherchen also am liebsten immer vor Ort. Zudem bevorzuge ich es, bei einer privaten Familie, die in diesem Land lebt und arbeitet, unterzukommen, um so noch mehr hinter die Kulissen schauen zu können und die Orte nicht nur wie ein Tourist zu erleben. Die Schauplätze, die ich in meinen Büchern beschreibe, gibt es alle wirklich genau so, wie ich sie in den Geschichten darstelle. Ein gutes Beispiel hierfür ist mein Buch „Silfur – Die Nacht der silbernen Augen“, für das ich meine kompletten Recherchen mit einer Reise nach Island verband.

Wie gehen Sie, neben den Recherchen, bei der Planung einer Geschichte vor?

Bevor ich zu schreiben beginne, baue ich eine grobe Handlungslinie auf und erstelle den ein oder anderen Steckbrief für die Hauptfiguren. Somit erschaffe ich mir einen roten Faden, der zeigt, was in etwa in dem Buch passieren wird, wo die Geschichte spielt und welche ihre Hauptaussage sein wird.

Durch die langjährige Erfahrung habe ich gelernt, in dieser Handlungslinie noch genügend Lücken zu lassen, damit ich noch Dinge verändern oder Figuren hinzufügen kann.

Wenn ich mit dem Schreiben richtig angefangen habe, ergibt sich immer noch sehr viel mehr, was bei der Planung noch nicht festgehalten wurde. Die Charaktere beispielsweise lernt man oft erst richtig kennen, wenn sie auf eine andere Figur treffen und man dann entscheiden muss, wie sie reagieren und wie sie sich geben werden.

Würden Sie sagen, dass sich das Leben des Autors in seinen Büchern widerspiegelt?

Ja, das denke ich schon. Allerdings sind die Geschichten nicht mit einem Tagebuch zu vergleichen. Ich glaube, dass die Verbindung des persönlichen Lebens mit den Geschichten ungeplant passiert, ohne dass der Autor sich dem richtig bewusst ist. Doch es ist klar, dass alles, was wir erleben, uns in irgendeiner Form prägt und unsere Geschichten beeinflusst.
Ich glaube, wenn man gemeinsam mit einem Autor seine Bücher durchblättert, er auf jeder Seite sagen kann, an was er in dem Moment, als er die Sätze geschrieben hat, gedacht hat und mit welcher persönlichen Situation er jedes Kapitel des Buches vergleicht.

Bis zum 16. Juni arbeiten Sie in einer Autorenresidenz in Echternach. Wie würden Sie diese Zeit beschreiben?

Während eines Monats bin ich Gast der Stadt Echternach, um mich für meine nächsten Geschichten von der Stadt inspirieren zu lassen oder um sogar eine Geschichte zu schreiben, die sich in dieser Stadt abspielt. Es ist also sozusagen ein Verbinden von Stadt und Arbeit.

In diesem Zeitraum lebe ich und arbeite in Echternach, halte Lesungen an Schulen und zwei öffentliche Lesungen in der Stadt ab. Neben diesem Programm nutze ich die Zeit, so gut es geht, um so viel wie möglich von der Kultur sowie von dem Leben hier mitzubekommen und einzufangen. Natürlich höre ich in dieser Zeit nicht damit auf, viel zu schreiben.

Was wünschen Sie sich, von der Zeit in Echternach mitzunehmen?

Ich wünsche mir, dass ich die Atmosphäre der Stadt Echternach, die mir sehr gut gefällt, noch intensiver erleben und ich sie in meine nächsten Geschichten mit einfließen lassen kann. Ich finde es sehr spannend, einmal die Gefühle der Menschen, die an einem Grenzgebiet leben und arbeiten, mitzubekommen und ein Teil dieser multikulturellen Begegnung zu werden.

Was raten Sie Menschen, die den Weg als Schriftsteller einschlagen wollen?

Ich wünsche allen Autoren, den Mut zu haben, zu ihrer Stimme zu stehen, sich nicht durch Trends verbiegen und sich nicht durch negative Rückmeldungen verunsichern zu lassen. Es wird immer Leute geben, die sagen werden, dass man anders schreiben soll oder dass man nicht gut genug ist. Ich wünsche jedem Schriftsteller, dass er seine eigene Stimme findet und dass er seine eigene Geschichte erzählt.

Jungen Leuten würde ich immer zuerst raten, ganz viele Bücher zu lesen. Nur mit dem Lesen bekommt man ein Gefühl dafür, wie sich erfahrene Schriftsteller anlegen und wie eine gute Geschichte aufgebaut ist.

Wenn jemand schon viel gelesen hat und schon mit dem Schreiben vertraut ist, würde ich ihm raten, sich anfangs eine Schreibgruppe zu suchen, in der man sich mit Gleichgesinnten austauscht.

Zudem rate ich jedem jungen Autoren dazu, sein Manuskript erst mal nur Leuten zu zeigen, die wohlwollend auf eine gute Art kritisieren und somit nicht das eigene Selbstbewusstsein zu sehr geschwächt wird. Zu guter Letzt heißt es schreiben, schreiben, schreiben.


Die Autorenresidenz

Die Kinder- und Jugendbuchautorenresidenz in Echternach wird gemeinsam vom Kulturministerium, der Stadt Echternach und dem „Centre national de littérature“ getragen. Deutschsprachige AutorInnen, die bereits ihre Werke als Buch veröffentlicht haben, können sich hierfür bewerben. 2019 wurde Nina Blazon als Stipendiatin gewählt. Seit dem 20. Mai ist sie nun in Echternach und bleibt dort bis zum 16. Juni.

„Ihre literarischen Welten, in denen Fantasy und historische Begebenheiten, Vergangenheit und Gegenwart, Fremdes und Bekanntes verschmelzen, haben die aus Partnern zusammengesetzte Jury überzeugt“, heißt es in einer Mitteilung des Kulturministeriums. Das Stipendium ist mit 5.000 Euro dotiert.