„Wir verstehen nicht wirklich, was im Gehirn passiert, wenn wir eine bestimmte Gehirnleistung trainieren“, sagt Professor Emrah Düzel, Direktor am Institut für kognitive Neurologie und Demenzforschung. „Wir wissen im Grunde nicht mal, wo genau die Prozesse ablaufen.“
Was laut Emrah Düzel aber in aller Regel funktioniert: eine bestimmte Fertigkeit zu trainieren. Zum Beispiel, sich Telefonnummern zu merken. Wie sich das aber auf andere Prozesse oder Teile des Gehirns auswirkt, ist noch weitgehend unklar. Die Forschung hat sich daher das Ziel gesetzt, herausfinden, was die Gehirnleistung generell trainieren könnte.
Das Gehirn zu stimulieren, kann nicht schaden
Auch wenn die Wissenschaft noch viele offene Fragen sieht: Es gibt Trainingsprogramme für das Gehirn auf dem Markt – zum Teil mit vollmundigen Versprechungen. Die sieht Neurologe Düzel skeptisch.
Andererseits könne man nichts falsch machen, wenn man das Gehirn stimuliere, glaubt er. Sinnvoll kann das nach einem Schlaganfall sein, bei Konzentrationsproblemen nach einer Narkose, aber auch einfach so im Alltag.
Und es muss gar nicht kompliziert sein. Schon vor 150 Jahren habe ein amerikanischer Arzt einem Politiker mit Gedächtnisproblemen einen Auftrag gegeben: Er sollte jeden Abend seiner Frau erzählen, wen er am Tag alles getroffen habe. „Das hat der Mann über mehrere Jahre gemacht“, sagt Düzel. Dadurch habe er sich besser erinnern können.
Warum das so war, darüber gibt es Diskussionen. „Entweder war sein Gedächtnis besser geworden“, sagt Emrah Düzel, „oder er hat über die Zeit Strategien entwickelt, wie er sich auf bestimmte Inhalte konzentrieren konnte, und damit die Informationen besser wahrgenommen und gespeichert.“ Letztlich sei das aber egal, solange es helfe.
Gehirntraining stärkt die Strukturen im Gehirn
„Das Kurzzeitgedächtnis kann man trainieren, das Langzeitgedächtnis nicht“, sagt der Psychologe Peter Sturm. Er ist einer der Gründer der Gesellschaft für Gehirntraining und dort zuständig für die Aus- und Fortbildung von Trainerinnen und Trainern.
Gehirntraining geht für ihn aber über reine Gedächtnisübungen – wie das Merken von Telefonnummern – hinaus. „Modernes Gehirntraining erhöht und stabilisiert die Grundfunktionen der mentalen Leistungsfähigkeit“, sagt er. „Das ist der Langzeiteffekt, kurzzeitig macht uns das Training schneller und aufmerksamer.“
Zumindest bis zum Alter von 80 bis 85 Jahren sei das durch Studien belegt. Demenz werde mit Gehirntraining zwar nicht aufgehalten, aber die verbleibenden Strukturen im Gehirn würden gestärkt.
Und wie genau gelingt das? „Alles, was neu ist, weckt das Gehirn auf“, sagt der Psychologe. „Sie können Dinge, die Sie im Alltag tun, einfach mal ein bisschen anders machen.“
Versuchen Sie zum Beispiel einmal, einen Text zu lesen, wenn Sie ihn falsch herum halten. Oder eine Handvoll Zeilen darauf durchgehen, wie oft der Buchstabe „n“ auf ein „e“ folgt. Außerdem können Sie das Radio leiser stellen und versuchen, sich das Gesagte zusammenzureimen.
Bewegung tut dem Gehirn gut
„Das Gehirn mag keine Routine“, sagt Peter Sturm. Neue Wege zu erkunden fordert heraus – auch ganz wörtlich in einer fremden Stadt oder beim Waldspaziergang.
Und sowieso scheint Bewegung für das Gehirn wesentlich zu sein. „Die körperliche Anstrengung, verbunden mit der Neuheit von etwas, ist ein wichtiger Reiz“, sagt Neurologe Emrah Düzel.
Wichtig ist aber auch ein langer Atem. „Genau wie beim Sport bringt es nichts, zehn Tage im Fitnessstudio für jeweils fünf Stunden zu trainieren“, so Düzel. „Der Körper braucht Erholungsphasen und die braucht das Gehirn auch.“ Über die Dauer der Verarbeitung und Reorganisation im Gehirn ist aber ebenfalls noch wenig bekannt.
Neugier und Kontakt mit anderen
„Wer neugierig ist, braucht im Grunde kein Gehirntraining“, sagt Peter Sturm. „Gehirntraining ist eine Hilfe, wenn man im Alltag zu wenig gefordert ist.“ Das kann zum Beispiel Menschen betreffen, die länger in eine Reha müssen. Oder Ältere, die nicht mehr so mobil sind. Der Psychologe bildet auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Reha-Kliniken und Seniorenheimen weiter.
Für ältere Menschen eignen sich Übungen mit einem großen Blatt Papier und einem Stift gut. „Schon durch das Schreiben wird die Durchblutung des Gehirns angeregt“, sagt Peter Sturm.
Ein Beispiel: auf einem Blatt verteilt stehen viele Buchstaben, sie müssen in alphabetischer Reihenfolge durchgestrichen werden. Mit solchen einfacheren Übungen geht es los. Danach darf es auch etwas anstrengender werden, wenn etwa eine einfache Skizze aus dem Gedächtnis nachgezeichnet wird. „Der Spaß kommt mit der Übung“, sagt Sturm. Er bricht außerdem eine Lanze für gemeinsames Spielen, das könne schon ein simples Memoryspiel sein.
„Auch gegenseitiger Kontakt aktiviert das Gehirn“, betont er. Letztlich ist ein interessantes Gespräch das beste Gehirntraining. „Man hört hin und reagiert auf das Gesagte. Das erfordert Kreativität, Flexibilität, Merkfähigkeit“, sagt Peter Sturm. „Und das kann man auch mit Leuten machen, die stark eingeschränkt sind. Dann stellt man halt Fragen, die sie mit Ja oder Nein beantworten können.“
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