Sie sind erfahrene Köche und Berufslehrer in Luxemburg, internationale Juroren bei Gastronomie-Wettbewerben und treten Ende November als Jury-Präsident in der Sparte „Warme Küche“ und als Gesamtjury-Präsident beim Culinary World Cup in Luxemburg an, um den nächsten Weltmeister aus mehr als 60 Koch-Teams zu küren.
Carlo Sauber, Gesamtjury-Präsident, und Roberto Beltramini, Jury-Präsident in der Sparte „Warme Küche“, haben im Exklusiv-Interview mit dem Tageblatt erzählt, welchen Herausforderungen sich die WM-Teilnehmer stellen müssen und warum die WM mehr als nur ein Kräftemessen der Branche ist.
Tageblatt: Endlich wieder Expogast und Culinary World Cup, möchte man ausrufen! Das traditionelle Rendezvous für Fachleute, Branchenkenner und Feinschmecker feiert seine Rückkehr. Wie fühlt es sich an?
Roberto Beltramini: Wir freuen uns, nach zweijähriger Pause wieder eine Expogast mit einer beachtlichen Teilnehmerzahl veranstalten zu können. Obwohl drei Nationalmannschaften weniger täglich gegeneinander antreten und bei den Regionalmannschaften etwas weniger Teams an den Start gehen. Bei den Junior- und Catering-Mannschaften ist die Anzahl der Teams gleichgeblieben. Außerdem verzeichnen wir wieder sehr viele individuelle Teilnehmer aus der ganzen Welt, die unter anderem aus Malaysia, den Malediven, Sri Lanka, Südafrika und den USA nach Luxemburg zum Kochwettbewerb kommen.
Der Vatel-Club Luxembourg, dessen Vorstandsmitglieder Sie beide sind, veranstaltet die Gastronomie-Messe Expogast mit der Weltmeisterschaft der Köche. Wie kann man sich als Laie die Organisation dahinter vorstellen?
Roberto Beltramini: Die Vorbereitung beginnt zwei Jahre im Voraus. Sobald die „Olympiade der Köche“ in Stuttgart (im April, Anm. d. Red.) beendet ist, beginnen wir mit den Vorbereitungen. Grob geschätzt haben wir ein Jahr Vorarbeit und arbeiten im Vorjahr der Expogast unter Hochdruck, um alles zu Ende zu organisieren – von Team-Einladungen über Hotels für Jury und Teilnehmer bis hin zu Begleitung bei Exkursionen in Luxemburg. Die letzten sechs Monate waren die anstrengendsten, aber wir liegen ganz gut im Timing.
Carlo Sauber: Für uns als Vatel-Club ist eine der Herausforderungen, dass wir nicht am Wettbewerb teilnehmen. Als Mitglieder des Vatel-Clubs sind wir passionierte Menschen der Küche und versuchen diese Leidenschaft in der Ausstellung umzusetzen und aufrechtzuerhalten. Einerseits möchten wir mit der Veranstaltung junge Menschen für den Beruf begeistern, andererseits wollen wir unseren Beruf dem breiten Publikum näherbringen. Damit wollen wir zeigen, dass sich unser Beruf ständig in einem Aufschwung befindet, wir ständig bestrebt sind, uns beruflich weiterzuentwickeln und uns fachlich auf dem neuesten Stand befinden. Der Vatel-Club Luxembourg besteht nur aus freiwilligen Mitgliedern, die keine kommerziellen Interessen an der Expogast verfolgen, sondern sich ausschließlich von ihrem Herzblut leiten lassen. In diesem Sinne denke ich an den Kontext, in dem der Culinary World Cup stattfindet. Nach der Pandemie befinden wir uns in einer Situation, in der es umso wichtiger ist, dass die Leidenschaft und die Wertschätzung für diesen Beruf wieder zur Geltung kommen. Und dass wir dadurch Menschen, die sich durch die schwierige Lage haben entmutigen und unseren Beruf verlassen haben, durch neue passionierte Köche aufwiegen können. Das ist, denke ich, unser Hauptantrieb als Vatel-Club: den Beruf aufrechtzuerhalten, so viel wie möglich Menschen dafür zu begeistern, die gerne nachhaltig und mit lokalen Betrieben vor Ort zusammenarbeiten und Freude vermitteln.
In nur sieben Tagen wird es ernst: Dann beginnt für die Teams der Wettbewerb, wo jede Minute der Menüzubereitung durchgetaktet, jeder Handgriff sitzen muss und absolut nichts schiefgehen darf. Welche Herausforderungen liegen vor den Teilnehmern der Koch-Weltmeisterschaft in der Luxexpo?
Roberto Beltramini: Bei dieser Ausgabe treten weniger Teams gegeneinander an als vor vier Jahren. Wir haben bewusst den Umfang des Wettbewerbs enger gefasst, weil wir das Risiko leerer Küchen nach einer Pandemie nicht eingehen wollten. Dadurch treten jetzt nur die Besten der Besten gegeneinander an. Die Teams, die in den vergangenen acht Jahren vorne waren, sind auch jetzt in Luxemburg am Start. Daher ist die größte Herausforderung, das Niveau hochzuhalten. Jedes Team muss alles geben, damit es ganz vorne mit dabei sein kann.
Carlo Sauber: Eine der Herausforderungen ist sicherlich das Training, sich persönlich keine Fehler zu leisten, um so nah wie möglich an den Gewinn zu kommen. Die zweite Herausforderung, auch aus meiner Erfahrung als langjähriger Teamchef der Luxemburger Nationalmannschaft, ist, dass solche Kräftemessen eine gute Gelegenheit sind, um ständig auf dem neuesten Stand in der Küche zu bleiben. Gleichzeitig fördern Wettbewerbe die eigene berufliche Entwicklung und helfen, die eigene Identität und Handschrift als Koch zu definieren. Außerdem bieten solche Ausstellungen eine wunderbare Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, sich mit Menschen auszutauschen, die die gleiche Passion fürs Kochen hegen und dem Zeitdruck ausgesetzt sind.
In diesem Jahr haben sich die Veranstalter eine zusätzliche Prüfung für die Köche ausgedacht. Was versteckt sich hinter der Wettbewerbssparte „Chef’s Table“?
Roberto Beltramini: Das ist richtig. Neben dem bekannten „Restaurant des nations“ (dort kochen die National-, Junior- und „Community Catering“-Mannschaften und servieren ihre Menüs an die zahlenden Gäste, Anm. d. Red.) gibt es als zweiten Wettbewerbsteil den sogenannten „Chef’s Table“. Dort denken wir die Idee der ehemaligen „Kalten Platte“ weiter und ergänzen sie mit warmen Gerichten, Fingerfood und einer Show-Platte in Form eines Buffets, sodass auch die Abendgäste in den Genuss einer kulinarischen Vielfalt kommen. Für das Hauptgericht im „Chef’s Table“ haben wir vorgegeben, welches Fleisch benutzt werden darf. Jedes Team bekommt spezielle Rohware, die von Tieren des Labels „Lëtzebuerger Rëndfleesch“ stammt. Es handelt sich dabei um zwei identische Fleischstücke von dergleichen Rasse und dem gleichen Tier. Dadurch haben die Teams die gleichen Ausgangsbedingungen und wir als Jury können ihre Kompetenzen und die Qualität der Leistung genauer vergleichen. Beim „Chef’s Table“ haben wir zusätzlich ein veganes Gericht vorgegeben. Die sogenannte „plant-based kitchen“ (pflanzlich basierte Küche, Anm. d. Red.) gewinnt immer mehr an Beliebtheit. Wir wollten damit Köchen und auch Restaurants diesen Trend bewusster machen und sie ermutigen, pflanzlich basierte, vegane Gerichte in ihre Menüs zu integrieren. Ich bin überzeugt, dass wir hier sehr kreative, interessante Gerichte sehen werden!
Stichwort Nachhaltigkeit: Mit der Pandemie wurde uns noch bewusster, wie wichtig lokale und regionale Lebensmittel sind. Der Ukraine-Konflikt hat die Problematik der Lieferketten erneut verdeutlicht. Welche Rolle spielen regionale Lebensmittel beim Culinary World Cup?
Roberto Beltramini: Als Veranstalter vom Vatel-Club Luxembourg war es uns wichtig, dass die Teams mit lokalen Produkten arbeiten, die sie bei unseren großen Partnern vor Ort einkaufen. So müssen sie ihre Waren nicht um die halbe Welt transportieren. Die meisten Teams tragen diesen Nachhaltigkeitsgedanken mit und gestalten ihre Menüs mit bis zu schätzungsweise 85 Prozent lokalen Lebensmitteln.
Jetzt eine (Fang-)Frage: Haben Roberto Beltramini und Carlo Sauber persönliche Favoriten unter den Teams?
Roberto Beltramini: Klares Nein. Ich kann keinen Favoriten nennen, denke jedoch, dass die Skandinavier ganz vorne sein werden. Die Schweizer trainieren unter besten Bedingungen, sind ein eingespieltes Team, Tschechien war in den letzten Jahren eine interessante Mannschaft – ich denke, auch jetzt werden sie uns überraschen. Außerdem bin ich überzeugt, dass Italien dieses Jahr eine sehr starke Leistung zeigen und vorne mitmischen wird.
Carlo Sauber: Ein Favorit habe ich nicht, als Jury-Präsident darf man das nicht. (lacht) Als Juror bin ich auch international unterwegs und da merkt man, dass Teams, die in den letzten 20 Jahren nicht vorne mit dabei waren, sich in der Zwischenzeit enorm angestrengt haben. Jetzt schicken sie junge Teams nach Luxemburg, die möglicherweise für Überraschungen beim World Cup sorgen. Ich denke hier an die polnischen oder italienischen Mannschaften. Natürlich bleiben die Favoriten immer die skandinavischen Teams, die sicherlich die vorderen Plätze belegen könnten.
Zwischenfrage: Bei der letzten Weltmeisterschaft hat mir ein Team erzählt, es sei „nur gekommen, um zu gewinnen“. Eine andere Platzierung käme nicht infrage. Was halten Sie von solchen Aussagen?
Carlo Sauber: Ich finde eine solche Einstellung ziemlich traurig. Denn es gibt nicht nur einen einzigen Preis auf der ganzen Welt und keinesfalls nur einen Koch, der den ersten Preis gewinnt, als gut gilt und alle anderen nichts können. Die menschliche Lektion hier ist klar: Aus Erfahrungen kann man lernen. Sie sollen immer konstruktiv betrachtet werden, auch wenn sie einem im ersten Augenblick nicht gefallen. Nur dadurch kann sich das richtige Bewusstsein für die Teilnahme an einem Wettbewerb entwickeln. Wenn es nur ums Gewinnen geht, kann nur eine Mannschaft eine positive Erfahrung daraus ziehen – und das kann nicht Sinn der Sache sein.
Bei diesem World Cup tritt Luxemburg mit einer Mannschaft im Bereich „Gemeinschaftsverpflegung“ („Community Catering“) an. Was wünschen Sie, Carlo Sauber, als Jury-Präsident, Ihren Landsleuten und den anderen Teams im Wettbewerb?
Carlo Sauber: Jedem, der daran teilnimmt, wünsche ich bei der Eröffnung, diesen Glanz in den Augen, dass es endlich losgeht. Ich wünsche ganz viel Spaß, nicht nur für die Köche selbst, sondern auch, dass es ihnen gelingt, Freude zu vermitteln – ein Koch teilt seine Freude mit den Menschen, mit denen er ein Menü präsentiert. Und ich wünsche mir, dass dieser Funke auch auf künftige Köche überspringt, die sich für diesen Beruf interessieren und sich leidenschaftlich dafür begeistern.
Unsere Experten
Roberto Beltramini
Roberto Beltramini ist Koch von Beruf und Lehrer im „Lycée technique de Bonnevoie“. Als Wertungsrichter der World Association of Chefs Societies (WACS) ist der Luxemburger weltweit gefragt. Beim Culinary World Cup steht der Experte der Jury der „Warmen Küche“ als Präsident vor. In Luxemburg engagiert sich Beltramini im Vorstand des Vatel-Clubs Luxembourg.
Carlo Sauber
Wie sein luxemburgischer Jury-Kollege Beltramini unterrichtet auch Carlo Sauber im „Lycée technique de Bonnevoie“. Während seiner Zeit als Trainer der Luxemburger Nationalmannschaft brachte das Team die luxemburgische Küche auf Platz neun der Weltrangliste. Außerdem arbeitet Sauber als Juror und Ausbilder für lizenzierte Jurymitglieder der World Association of Chefs Societies (WACS). Mit viel Leidenschaft gibt er sein Wissen weiter, unter anderem hat er die Rezepte von Ketty Thull, die für Luxemburgs Kulturerbe in der Küche stehen, in mehreren Büchern zahlreichen Lesern nähergebracht. Auch Carlo Sauber ist Vorstandsmitglied im Vorstand des Vatel-Clubs Luxembourg und neben Juror bei der Expogast auch für die WACS-Kommunikation zuständig.
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