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175 Jahre Verfassung„Mir jäize Fräiheet all aus engem Mond“: Eine etwas andere akademische Sitzung

175 Jahre Verfassung / „Mir jäize Fräiheet all aus engem Mond“: Eine etwas andere akademische Sitzung
Auch Großherzog Henri nahm an den Feierlichkeiten am Freitag teil Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wegen der damals in der Hauptstadt auflodernden Unruhen tagte die „Assemblée constituante“ am 25. April 1848 ein erstes Mal in Ettelbrück, genauer gesagt in der früheren Primärschule. „Es war die Geburtsstunde unserer Abgeordnetenkammer“, so Fernand Etgen am Freitag im Rahmen einer zweistündigen akademischen Sitzung in der Ettelbrücker Deichhalle, die kurzweiliger nicht hätte sein können.

Ganze 800 Gäste hatten sich am Freitag in der festlich geschmückten Deichhalle eingefunden, unter ihnen Großherzog Henri, 32 Abgeordnete, 19 Ehrenabgeordnete, acht Regierungsmitglieder sowie Botschafter beziehungsweise Gesandte aus u.a. den USA, China, Griechenland, Rumänien, Polen, Österreich, der Ukraine und Kap Verde.

Nachdem Georges Urwald und Serge Tonnar mit Musik und speziell für diesen Abend arrangierten Texten versucht hatten, die Anwesenden in die Zeit um 1848 zurückzuversetzen, führte Lex Gillen als Gaspard-Théodore-Ignace de La Fontaine, der damals Gouverneur Luxemburgs war, durch das weitere Programm.

Alle, die befürchtet hatten, dass eine Feierstunde zu Ehren einer doch eher trockenen Materie ebenso ausfallen würde, wurden am Freitagabend eines Besseren belehrt. Die musikalische Umrahmung durch die Mitglieder des Ettelbrücker Musikkonservatoriums unter der Direktion von Mathias Rajczyk, die lokale „Philharmonie grand-ducale et municipale“ unter der Stabführung von Rainer Serwe, den lokalen Gesangverein Sainte-Cécile (Dir.: Jean Gehlen) und den Gesangverein Lyra aus Ettelbrück (Dir.: Marion Michels) sowie die Einlagen des Theater-Ensembles „Rido op“ unter der Leitung von Natalia Sanchez und Lex Gillen sorgten für eine etwas andere akademische Sitzung.

Ein historischer Abend 

In seiner Begrüßungsrede sprach der Ettelbrücker „député-maire“ Jean-Paul Schaaf von der Geburtsstunde der Verfassung, die das „Fundament unserer Rechtssicherheit“ sei. „Diese Feierstunde erzählt über die Freiheit, über den Weg dorthin, über den Wandel im Denken, über das Europa im Jahre 1848“, so Schaaf weiter, der daran erinnerte, dass Ettelbrück nicht nur der Geburtsort der Verfassung ist, sondern dass auch die Nationalhymne, die nun in der neuen, am kommenden 1. Juli in Kraft tretenden Verfassung niedergeschrieben ist, im Jahre 1864 in Ettelbrück uraufgeführt wurde.

„An et gëtt Revolutioun. Mir jäize Fräiheet all aus engem Mond“ war plötzlich aus allen Ecken der Deichhalle zu hören. Akteure versetzten die 800 Gäste lauthals in die Zeit, in der sich das Arbeitervolk gegen die Mächtigen, wie zum Beispiel den damaligen Gouverneur Luxemburgs Gaspard-Théodore-Ignace de La Fontaine oder auch den Staatskanzler Baron Frédéric-Georges-Prosper de Blochhausen, aufbäumten.

„Quelle unserer Demokratie“

Chamber-Präsident Fernand Etgen nannte Ettelbrück „die Quelle unserer Demokratie“. Er ließ die vier Tage, an denen die Mitglieder der „Assemblée constituante“ im April 1848 aus Sicherheitsgründen nicht in Luxemburg-Stadt, sondern in der Ettelbrücker Primärschule tagten und im lokalen Hotel Herckmanns übernachteten, Revue passieren. 120 Soldaten und Gendarmen bewachten damals das Schulgebäude.

Mit einem verschmitzten Lächeln unterstrich Etgen zum Schluss seiner Rede die Tatsache, dass die „Assemblée constituante“ am 25. April 1848 mit dem Erstellen der Verfassung begann und dass diese bereits am 23. Juni des gleichen Jahres auf dem „Knuedler“ abgestimmt wurde. „Mir sinn haut net esou séier wéi eis Kolleege vun deemools, déi nëmmen zwee Méint gebraucht hunn, fir eng Verfassung opzestellen an driwwer ofzestëmmen.“

„Es kommt nichts von allein, es braucht stets viel Einsatz und Arbeit“, so Premierminister Xavier Bettel. „Es wird oft angenommen, alles sei normal, das ist aber längst nicht so.“ Bettel bezog sich dabei auf den Kampf des Volkes von damals sowie auf das Luxemburger Modell, das wir heute kennen und das international eine Referenz geworden sei.

Nach dem Referat von Historiker Jean-Marie Majerus bedankte sich Jean-Paul Schaaf bei den über 200 Mitwirkenden, die für eine hervorragende Inszenierung gesorgt und die Gäste musikalisch und schauspielerisch sichtlich emotional berührt hatten, bevor er alle Anwesenden zu einem Umtrunk einlud. Zu erwähnen bleibt noch, dass im späteren Verlauf des Abends ein Volksfest in der Deichhalle stattfand, bei dem luxemburgische Bands und Sänger für die musikalische Umrahmung sorgten.

Dir Hären, lauschtert!

Dir dichteg Hären, gitt elo gutt Uecht
Well dir kennt d’Wourecht net aus éischter Hand
Vill ze vill Zäit hutt dir un der Muecht verbruecht
An d’wierklecht Liewen ass iech all onbekannt

Dir Hären, lauschtert!
Lauschtert eis Diktat, ’t gehéiert ëmgesat
Fir e gerechte Staat
Dir Hären, lauschtert!
Lauschtert, wat mir so’n
A wëllt dir net versto’n
Da muss’ mer iech verjo’n

Mir wëllen Aarbecht fir eis all
Ma och eng Zäit fir d’Rou
Mir sinn net Sklav an net Vasall
Mir si gär fräi a frou