Eine „faire und sachliche“ Wahlkampagne verspricht das Wahlkampfabkommen, das DP, LSAP, „déi gréng“, CSV, „déi Lénk“, ADR, Piraten, Fokus und Volt am Montagmorgen im Luxemburger Parlament unterschrieben haben. „Jede der neun Parteien findet sich in dem Abkommen wieder“, sagte LSAP-Präsident Dan Biancalana, dessen Partei die Koordinierung für das Abkommen übernommen hat. Juristisch bindend ist das Dokument jedoch nicht. „Es ist eine moralische Selbstverpflichtung.“ Die Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) hat das Abkommen nicht unterzeichnet und in einer Pressemitteilung am Montagnachmittag als Farce bezeichnet.
„Wenn neun Parteien, die das komplette politische Spektrum abdecken, sich auf dieses Abkommen einigen können, bedeutet das, dass Kompromisse auch heute noch möglich sind“, sagte Meris Sehovic von den Grünen. „Wir können streiten und trotzdem kommt was dabei raus.“ Wichtig sei für die Grünen, dass Material und somit Ressourcen geschont würden. Großflächige Anzeigen von über zwei Metern Breite sollen deshalb bei den Gemeindewahlen auf 90, bei den Parlamentswahlen auf 120 begrenzt werden. Für die National- und die Gemeindewahlen wird deswegen auch die Anzahl der Wahlkampfgadgets, die oftmals in Form von Aufklebern, Pins oder auch Kugelschreibern verteilt werden, auf drei begrenzt. Zwei dieser drei Gadgets sollen von der Partei gestellt werden. Während des Gemeindewahlkampfes kann die jeweilige Lokalsektion noch eine Idee in Form eines Wahlkampfgimmicks einbringen, bei den Nationalwahlen haben sich die Parteien auf einen Kugelschreiber als drittes Gadget geeinigt. Anzeigen auf Social Media müssen als solche gekennzeichnet werden. Ausgaben diesbezüglich fallen ebenfalls unter die Gesamtmarke von 100.000 Euro.
Eckpunkte des Gentleman’s Agreement
– 100.000 Euro Maximalbudget für Wahlkampagnen
– Vier Wochen Wahlkampagne vor Gemeindewahlen
– Fünf Wochen Wahlkampagne vor Parlamentswahlen
– Parteien und Kandidaten verpflichten sich, auf persönliche Beleidigungen und Verunglimpfungen zu verzichten.
– Parteien verzichten auf Desinformation und Schmierkampagnen
– Das Stören von Wahlkampfevents anderer Parteien ist zu unterlassen
– Material (bspw. Wahlkampfplakate) anderer Parteien darf weder beschädigt noch manipuliert werden
– Parteien und Kandidaten sollen sich von diskriminierenden oder beleidigenden Äußerungen anderer Parteimitglieder distanzieren
– Parteien erkennen an, dass Regierungs- und Schöffenratsmitglieder Informationspflichten gegenüber den Bürgern haben und diesen während des Wahlkampfes, in Ausübung ihres Mandates, nachkommen müssen
– Jeder Kandidat, Unterorganisation der Partei, Parteiorgan oder Parteimitglied muss über das Abkommen informiert und aufgefordert werden, die darin enthaltenen Eckpunkte während des Wahlkampfes zu respektieren
Maximal 100.000 Euro
Auch der finanzielle Rahmen der beiden Wahlkampagnen wurde im Wahlabkommen festgeschrieben. Die Ausgaben der Parteien sollen sich in einem ebenfalls vordefinierten, zeitlich festgeschriebenen Rahmen auf jeweils 100.000 Euro begrenzen. Die offizielle Wahlkampfperiode beginnt für die Gemeindewahlen am 15. Mai, vier Wochen vor dem offiziellen Wahltag am 11. Juni. Für die Nationalwahlen wurde die Wahlkampfzeit auf fünf Wochen vor dem Wahlstichtag festgelegt und beginnt somit am 4. September. Am 8. Oktober müssen Luxemburgs Bürger dann ein zweites Mal den Gang an die Wahlurne antreten.
Spielregeln für soziale Medien
Für den Wahlkampf in den sozialen Medien haben sich die Parteien im Abkommen noch einmal explizit darauf verständigt, nicht auf Bots zurückzugreifen, das bewusste Verbreiten von Falschinformationen zu unterlassen, persönliche Beleidigungen zu unterlassen und politische Werbung, bei der der Gegner in ein schlechtes Licht gerückt wird (“dirty campaigning“), zu unterlassen.
Ein Umstand, der Frank Engel aufstößt. „Das Wahlabkommen zeugt davon, dass eine ehrbare politische Kultur in Luxemburg noch existiert“, meinte der Fokus-Repräsentant einerseits. Es gebe ja auch inhaltlich genug zu diskutieren, ohne dass auf persönliche Beleidigungen zurückgegriffen werden müsse. Andererseits nutzte Engel die Tribüne am Montag, um noch einmal Kritik an den zwei Wahlterminen in diesem Jahr zu üben. „Wir haben andere Sorgen, als zweimal in diesem Jahr wählen zu gehen“, sagte Engel und sprach in dem Kontext von einer „Institutionenvergewaltigung“. „Wir freuen uns dann darauf, zwei Wahlkämpfe mit unseren bescheidenen Mitteln zu bestreiten“, sagte ein zynisch aufgelegter Frank Engel dazu.
Dadurch, dass die Parteien jedoch schon zum jetzigen Zeitpunkt Anzeigen und auch Wahlkampfwerbung schalten, dürften die Gesamtausgaben einiger Parteien weitaus höher liegen als die im Abkommen festgeschriebenen 100.000 Euro.
Wichtige Gemeindewahlen
Ein Kritikpunkt, der von Grünen-Parteipräsident Meris Sehovic nicht unkommentiert stehen gelassen werden konnte. „Wir müssen den Gemeinden- und Parlamentswahlen den jeweils nötigen Raum geben“, sagte Sehovic. Man müsse verhindern, dass eine der beiden Entscheidungsebenen zu kurz komme. Fred Keup von der ADR meinte ebenfalls, dass zwei Wahltermine richtig seien. „Es ist gut, dass die zwei Wahlen voneinander getrennt werden“, so Keup.
Institutionenvergewaltigung
Der Piraten-Abgeordnete Marc Goergen sprach von schwierigen Verhandlungen. „Wir haben zeitweise überlegt, das Abkommen nicht zu unterschreiben“, so Goergen. Das, weil Diskussionen rund um die Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien ins Stocken geraten seien. Ein Kompromiss sei aber dank der Grünen zustande gekommen. „Ein Abkommen wäre sinnlos gewesen, wenn die regierenden Parteien ein zweites Budget für den Wahlkampf zur Verfügung gehabt hätten.“
Christophe Hansen von der CSV hatte sich ein noch kleineres Maximalbudget gewünscht, als die nun festgeschriebenen 100.000 pro Wahlkampagne. „Wir haben zumindest erreicht, dass keine Wahlanzeigen auf Bus, Bahn oder Tram sein werden“, sagte Hansen. Mit dem Hinweis, dass das Wahlkampfabkommen kein legales Dokument sei, richtete Hansen auch einen Aufruf an die Presse. „Es liegt an den Pressevertretern, das Einhalten dieses Abkommens zu überwachen“, sagte der CSV-Generalsekretär.
Transparenz nach den Wahlen
Auf die Frage, wer sich etwas mehr finanziellen Spielraum gewünscht hätte, antworteten Fokus, „déi Lénk“, Piraten und die CSV, dass sie sich ein kleineres Maximalbudget gewünscht hätten. Die restlichen Parteien antworteten eher ausweichend – wenngleich sich alle scheinbar zufrieden mit dem nun gefundenen Kompromiss sind.
Für komplette Transparenz wollen die Parteien erst nach den Wahlen sorgen. Dementsprechend soll auf den jeweiligen Parteikongressen nach den Wahlen eine Wahlkampfbilanz präsentiert werden. Für einen gesetzlichen Rahmen, wie er derzeit bereits in Frankreich existiert, zeigten gleich mehrere Parteien Interesse. „Dann muss allerdings zuerst beim rechtlichen Rahmen für politische Parteien nachgebessert werden“, meinte Sehovic.
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