Im Herzen Europas gelegen. Eingebettet zwischen drei Nachbarstaaten. Seit 1839 2.586 Quadratkilometer groß. So könnte unser Land kurz beschrieben werden. Damals, im Jahr der Unabhängigkeit, war das Großherzogtum noch ein Agrarstaat und zählte 175.000 Einwohner. Es herrschte Hungersnot. Zahlreiche Einwohner aus dem Ösling suchten ihr Glück in Amerika oder Brasilien.
Mit der Entdeckung des Eisenerzes im Süden Luxemburgs begann die Industrialisierung unseres Landes und damit ein neues Zeitalter. Reiche Industrielle errichteten die ersten Schmelzen. Später standen mehr als 27.000 Menschen bei der Arbed in Lohn und Brot. Als unser Land in den 70ern von der Krise erfasst wurde, machte der Spruch „Wann d’Arbed néitst, huet d’ganzt Land de Schnapp“ die Runde. Gegenwärtig rangiert ArcelorMittal nur noch auf Platz vier der größten Arbeitgeber. Und dort, wo die stählernen Giganten einst gen Himmel ragten, sind Industriebrachen übrig geblieben, über die diese Woche in der Chamber im Rahmen einer Aktualitätsstunde über das industrielle Vermächtnis debattiert wurde. Wo einst der Grundstein für unseren Wohlstand gelegt wurde, entstehen nun neue Wohnviertel. Wir schaffen Platz für die 15.000 Menschen, die alljährlich zu uns kommen.
Als es die Kathedralen aus Stahl noch gab, war das auch so. Aus kleinen Dörfern wurden urplötzlich Städte. Italiener, Deutsche, Polen, Franzosen, Belgier. Später die Portugiesen, die jene Jobs erledigten, bei denen wir Luxemburger die Nase rümpften. Die, die zu uns kamen, leiteten einen demografischen Wandel ein und sorgten für ein multikulturelles Miteinander, das europaweit seinesgleichen sucht.
Seit Jahren gibt es auch ein Heer von Grenzpendlern aus Belgien, Deutschland und Frankreich, das tagtäglich einreist und abends wieder nach Hause fährt. Ohne sie legt die Privatwirtschaft die Schlüssel unter den Teppich. Stau. Tagaus, tagein. Im Stau stehen auch die Tausenden Luxemburger, die mit ihrem fahrbaren Untersatz „op d’Schaff fueren“. Vorzugsweise allein. Weil individuelle Mobilität zwar ein unverzichtbarer Luxus ist, aber mit der Mobilität von morgen wenig zu tun hat.
„Magnet“ Luxemburg. Dieser Beiname sollte unserem Land eigentlich am 23. Juni verliehen werden. An Nationalfeiertag gibt es ja stets reichlich Auszeichnungen. Seit Jahrzehnten nimmt die Bevölkerung zu. Auch die Wirtschaft muss wachsen, um unser „Wohlstands-System“ aufrecht zu erhalten. Parallel dazu wachsen auch die Herausforderungen: Schule, Arbeit, Wohnen, Mobilität, Versorgung. Und der Stress. Die einen werden am Vorabend zu „Groussherzogs Gebuertsdag“ feiern, als gäbe es kein Morgen mehr. Die anderen versuchen, ein bisschen zu entschleunigen. Bevor es in den Urlaub geht und die Bürgersteige für einige Wochen hochgeklappt werden.
Bis es aber so weit ist, hat insbesondere die Chamber noch viel Arbeit. Macht diese demokratische und vom Volk gewählte Institution, deren Mission es ist, die Regierung zu kontrollieren, den Weg frei für eine parlamentarische Untersuchungskommission in jener Affäre, die ähnliche Züge hat wie die ominöse SREL-Affäre? Die Angelegenheit um das umstrittene Polizeiregister schreit nach Aufklärung. Ungeachtet dessen wird „Magnet“ Luxemburg weiter Menschen anziehen. Und es wäre schön, wenn wir weiterhin behaupten könnten, dass Luxemburg ein Land ist, in dem das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nicht im Geringsten infrage gestellt werden kann …
Man kann nur hoffen, dass der Finanzplatz Luxemburg nicht auf Sand gebaut ist!
Haben nicht Herr Graaff und die Kommentatoren die nationalen und internationalen Banken, die internationalen Unternehmen und die attraktive Steuergesetzgebung Luxemburgs vergessen?
Mit diesem zwanghaften Wachstum sowohl wirtschaftlich als auch bevölkerungsmässig, sieht sich unser Land mit einem Berg an Herausforderungen und Problemen konfrontiert. Wir sollten uns in Bescheidenheit üben und dabei mit dem Austeilen von sogenannten " Verdienst"- Medaillen am Nationalfeiertag Schluss machen. Wir sollten vielmehr jenen gedenken und dankbar sein, die den Grundstein für den Reichtum unseres Landes gelegt haben, unseren Vorfahren, allen voran den Gruben-und Stahlarbeitern.
Die Wirtschaft muss wachsen, aber wie? Bodenschätze haben wir keine mehr. Alles auf Dienstleistungen setzen geht schief. Ich seh nur noch einen Ausweg, selbst "Gromperen" züchten. :-)