„All die Jahre in der rue Cambon, in Deauville, in Biarritz dachten die Leute, sie würden mit Chanel Glamour erwerben, Pariser Schick. Doch was sie in Wirklichkeit kauften, waren die Ornamente unserer Kindheit, Erinnerungen an die Nonnen, die zivilisierte Menschen aus uns machten, an das Kloster, das uns beherbergte. … Eine Illusion von Reichtum, entsprungen aus den Lumpen unserer Vergangenheit.“
Mit diesen Sätzen aus dem Buch „Die Schwestern Chanel“ (HarperCollins, 2021) führt die US-Schriftstellerin Judithe Little den Leser ins Leben der Chanel-Schwestern Gabrielle (Coco) und Antoinette ein. Die hier geschilderten Erlebnisse der Kindheit werden die Geschwister eindringlich prägen und sie ein Leben lang begleiten, obwohl sich die spätere Modedesignerin Coco Chanel zeitlebens davon loszusagen versuchte.
Geboren wurden Gabrielle (1883-1971), Antoinette, Julia, Alphonse und Augustin in ärmsten Verhältnissen. Die Mutter der Kinder arbeitete, um sie durchzubringen, der Vater war ein fahrender Händler. Als Gabrielle zwölf war, starb ihre Mutter. Ihr Vater ließ die drei Schwestern in einem von Nonnen geführten Waisenhaus in Aubazines, in der tiefsten französischen Provinz, zurück und meldete sich nie wieder.
Von nun an übernahmen die Ordensdamen die Erziehung der drei Mädchen, die nur Patois sprachen und außer ihrer Schulkleidung nichts anderes besaßen. Die Zeit im Waisenhaus war geprägt von Unterwerfung, Entbehrung, Sittsamkeit und vom Erlernen des Nähhandwerks.
Einmal eine „élegante“ sein
Aber auch durch die Sehnsucht nach einem besseren Leben, dessen Inbegriff, eine „élégante“ zu sein war. Die „élégantes“, das waren die Damen aus der gehobenen Gesellschaft, die in der Regel einen „gentilhomme“ heirateten. Ihre romantischen Geschichten verschlangen die Chanel-Schwestern heimlich aus Gesellschaftszeitschriften und träumten davon, auch selbst einmal ein solches Leben zu führen.
Die Mädchen schnitten Bilder aus, die ihnen als Inspiration fürs Schneidern von Kleidungsstücken dienten. Denn sie waren handwerklich begabt und lernten im Kloster bereits akkurat zu nähen und zu sticken.
Die entbehrungsreiche und demütigende Zeit im Waisenhaus prägte Gabrielle Chanel so sehr, dass sie stets diesen Teil ihrer Biografie gerne fantasievoll ausschmückte. Lieber erzählte sie, dass ihr Vater nach Amerika auswanderte und sie bei zwei strengen Tanten aufwuchs.
Von der Badeanstalt ins Modegeschäft
Die Sehnsucht, zum angesehenen Teil der Gesellschaft dazuzugehören, ließ Coco auch nicht los, als die Schulzeit zu Ende war. So versuchte sich Gabrielle als Sängerin in Vichy. Sie arbeitete in Badeanstalten, wo sie der reichen Kundschaft das Heilwasser einschenkte.
Aus Vichy stammt auch ihr Spitzname „Coco“, angelehnt an eines der Lieder, die sie vortrug. Während dieser Zeit lernte sie den vermögenden und einflussreichen Erbe einer Textilfamilie Étienne Balsan kennen. In dessen Anwesen in Royallieu lebte sie bis 1909 als seine Mätresse. Dort kam sie endlich dem Leben als „élégante“ ein ganzes Stück näher.
Beim Reiten und Polospielen bemerkte Gabrielle, dass die Frauenkleidung der damaligen Zeit sich gar nicht für diese Sportarten eignete. Also schnitt sie kurzerhand Blusen um, passte sich Herrenhosen auf ihre Figur an und setzte so die Grundlage ihrer späteren Modephilosophie in die Tat um.
Zur gleichen Zeit lernte Coco Chanel den Briten Arthur „Boy“ Capel, ihre spätere große Liebe, kennen. Boy Capel war es auch, der Coco finanziell unterstützte und dazu ermutigte, sich als Damenmodedesignerin zu versuchen. Kurzerhand wurden Chanels selbstentworfenen Kleidermodelle von einem Herrenschneider genäht – es war die Geburtsstunde der ersten Prêt-à-porter-Linie des Modehauses, schreibt die Süddeutsche Zeitung in einem Chanel-Porträt von 2010.
Und so wagte Coco Chanel nicht nur in der Liebe einen Neuanfang, mit Balsans finanzieller Unterstützung eröffnete sie 1909 in dessen Pariser Wohnung in der rue de Cambon ein Hutatelier. Natürlich nicht, ohne die Hilfe ihrer Schwester Antoinette. Sie hatte, während Coco in Royallieu den Müßiggang und das Leben als „élégante“ genoss, in einem Hutgeschäft gearbeitet und das Hutmacherwerk von der Pike auf gelernt.
Derweil Coco für das Design zuständig war und auf Schlichtheit setzte, zeigte ihr ihre Schwester, wie man Hüte herstellt. Anfangs hatten die Frauen die „Grundmodelle“ im Kaufhaus gekauft und in ihrem Atelier mit Federn und Stickereien veredelt.
Zunächst verkauften sie ihre Hüte in Balsans Bekanntenkreis, doch schnell sprach sich die neue Mode in der Pariser Hautevolee um und erfreute sich rasch großer Beliebtheit. Die Chanel-Hüte trugen plötzlich bekannte Pariser Persönlichkeiten und waren in Modezeitschriften abgedruckt.
Chanel N°5 ist geboren
Ab dann ging Gabrielle Chanels Aufstieg als Modedesignerin steil nach oben: 1910 wurde in Paris ein Hutatelier und 1912 im Seebad Deauville eine Modeboutique eröffnet. Ebendort schneiderte sie ihre erste Kleidungslinie aus Jersey, ein Material, das bisher für Herrenunterwäsche genutzt wurde. Dieser Ansatz revolutionierte die damalige Mode und die Beziehung, die Frauen zu ihrem Körper hatten. Der Erfolg stellte sich sofort ein, berichtet das Modehaus auf seiner Webseite.
1921 erblickte der bis heute unangetastete Klassiker „Chanel N°5“ das Licht der Parfum-Welt.
„Dieses Parfum für Frauen, mit dem Geruch von Frauen“, das in seiner Zusammensetzung, seinem Namen und seiner Aufmachung revolutionär war, entstand aus der Begegnung zwischen Gabrielle Chanel und dem Parfümeur Ernest Beaux, erzählt das Modehaus Chanel. Der schlichte Flakon und der Duft erst – zum ersten Mal nicht blumig, sondern mit einer Aldehyd-Note, die das Parfüm nach Reinheit oder Seife duften ließ – setzten erneut eine Revolution in Gang.
Es ärgert mich, wenn ich hören muss, ich hätte Glück gehabt. Niemand hat härter gearbeitet als ich.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Coco Chanel aus dem Exil nach Paris zurück und begann wieder von vorne, ihr Unternehmen aufzubauen. 1955 wurde die legendäre „Le 2.55“-Tasche mit gesteppten Nähten und goldener Gliederkette geboren: eine funktionale Tasche mit einer weichen, verschiebbaren Kette, die die Hände freihält, so die Idee dahinter.
1956 führte Chanel das ikonische Tweed-Kostüm mit Einfassungen ein. Aus dem Wollstoff, der ursprünglich aus Schottland und Irland kam und die draußen arbeitenden Männer vor dem kalten und regnerischen britischen Klima schützte, schneiderte Chanel plötzlich hochwertige Damenmode. Die Kostüme erinnern in ihrer Schlichtheit und Eleganz weit entfernt an Schuluniformen – eine Referenz auf die Zeit im Kloster.
Alles in einem schien es, dass Mademoiselle Chanel ein Händchen für den Aufbau eines Imperiums hatte. Dass ihr alles in den Schoss gefallen sei, ließ sie zeitlebens nicht gelten: „Es ärgert mich, wenn ich hören muss, ich hätte Glück gehabt. Niemand hat härter gearbeitet als ich“, sagte sie später über ihre Karriere.
Das Chanel-Universum in Luxemburg
Seit inzwischen zehn Jahren kann man auch in Luxemburg in die Welt von Coco Chanel eintauchen. Zehn Jahre nach der Eröffnung des ersten Geschäfts im November 2012 ist die Chanel-Boutique in Luxemburg-Stadt jetzt an eine neue Adresse in der rue Philippe II umgezogen. Am 1. Oktober wurde offizielle Eröffnung gefeiert.
Dieses neue, geräumigere Schmuckstück beherbergt die von Virginie Viard, der Künstlerischen Leiterin der Modekollektionen, entworfenen Kreationen, die von Prêt-à-porter über Schuhe und Kleinlederwaren bis hin zu Modeschmuck und anderen Accessoires reichen. Auch Parfums und eine exklusive Auswahl an Uhrenkreationen sind hier zu finden, darunter die ikonische „Première Édition Originale“, die Uhren J12 und Boy-Friend sowie Schmuckkollektionen wie Coco Crush oder N°5.
Für dieses Projekt hat Peter Marino, der Architekt und langjährige Mitarbeiter des Hauses, die Chanel-Ideen neu interpretiert. Diese Boutique, so heißt es bei der persönlichen Führung, verkörpere die zeitlose Modernität des Hauses durch eine warme und elegante Atmosphäre. Maßgeschneiderte Möbel und Bezüge sowie weiße Vorhänge mit grafischen Mustern oder ein dicker Teppichboden aus Wolle und handgefertigte Oberflächen: all das beziehe sich auf die Maximen von Schlichtheit und Eleganz der Firmengründerin.
In der neuen Boutique habe man endlich viel mehr Platz, heißt es. Auf zwei Etagen, mit einer Fläche von insgesamt 350 Quadratmetern, fühlt man sich wie in einer anderen Welt – voller Mode und Kunstwerke, für die Künstler wie Mark Sheinkman oder Richard Caldicott verantwortlich zeichnen. Am Übergang zur zweiten Etage laden zwei Skulpturen des zeitgenössischen deutschen Künstlers Gregor Hildebrandt, die aus Schallplatten, Stoffen und Stahlkabeln gefertigt wurden, zum Bestaunen ein.
Gleich nachdem die Kunden das Geschäft betreten, tauchen sie zunächst in die Welt der Handtaschen, Schuhe und Accessoires ein. Zwei große Salons zeigen hier eine Auswahl ikonischer und saisonaler Taschen, die neben Kleinlederwaren, Modeschmuck und Brillen ausgestellt sind. Etwas weiter werden Uhren, Schmuck und Textilaccessoires präsentiert, bevor Schuhkreationen den Blick auf sich ziehen.
Vorbei an den fünf Meter langen Skulpturen von Gregor Hildebrant geht es in den zweiten Stock mit drei Salons, die ganz der Prêt-à-porter-Mode gewidmet sind. Hier können die Kundinnen die neuesten Kollektionen entdecken und auf Tweed-Sofas Platz nehmen. Schließlich bietet ein privater Salon mit einer Wandskulptur von Curtis Jere ein besonderes (Einkaufs-)Erlebnis.
Neben der Kunst wurde auch der Architektur, dem Geist des Hauses, Rechnung getragen. Die hohen Decken mit wunderschönem Stuck wurden liebevoll restauriert und tragen so für ein rundum gelungenes Erlebnis im Chanel-Universum in Luxemburg bei.
Chanel – Boutique
5, rue Philippe II
Tel.: 27 85 65 00
L-2340 Luxemburg
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