Der Rauch war so schwarz und dick, dass sie in São Paulo die Straßenbeleuchtung bereits um drei am Nachmittag einschalten mussten. Die brasilianische Mega-Stadt hätte anders schlicht und einfach nicht mehr funktioniert. Der Rauch des brennenden Amazonas, von Winden aus fast 3.000 Kilometern herübergetragen, machte den Tag für Dutzende Millionen Menschen zur Nacht. Mitte 2019 war das. Die Welt blickte nach Brasilien und war entsetzt.
Wenige Monate zuvor, am 1. Januar, hatte Jair Bolsonaro sein Amt als Präsident Brasiliens angetreten. Ein Rechtsextremer, dessen radikalste Anhänger Evangelikale, Holzfäller und Goldsucher waren und immer noch sind. In Bolsonaro sahen und sehen sie den Mann, der ihnen den Amazonas zur Abholzung freigibt. Bolsonaro hatte das versprochen. Und er hat Wort gehalten.
Bis heute verschwand unter Bolsonaro Regenwald von der Fläche Belgiens. Die Umwelt-NGO IPAM hat errechnet, dass die Abholzungen und Brandrodungen im Vergleich zu den vier Jahren vor seiner Amtszeit um 56 Prozent gestiegen sind. Mehrere Forscher wie der brasilianische Wissenschaftler und Meteorologe Carlos Nobre oder Chris Boulton von der University of Exeter sehen den riesigen Regenwald kurz vor dem Kippen und somit nahe an jenem Punkt, wo es kein Zurück mehr gibt. Der Amazonas brauche inzwischen viel länger, um sich von Zerstörungen oder Feuer zu erholen. Irgendwann sei der Punkt erreicht, wo das nicht mehr gutzumachen sei.
Der Amazonas ist der größte CO2-Speicher der Welt und die Feuchtigkeit, die er verteilt, hält halb Südamerika am Leben. Seit vier Jahren greift Bolsonaro die Lunge der Welt an. Um die indigene Bevölkerung schert er sich ebenso wenig wie um die Natur. Es geht ihm um den Machterhalt, und dafür muss er „Biblia, Boi e Bala“, Bibel, Rinder und Waffen, zufriedenstellen, die Grundwerte jener Hardcore-Christen, Großgrundbesitzer und Waffennarren, die den Kern der Wählerschaft des Rechtsextremen bilden.
Am Sonntag entscheidet sich, ob Bolsonaro das gelingt. 156 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer sind dann dazu aufgerufen, sich in der Stichwahl zwischen dem Rechtsextremen und dem ehemaligen linken Präsidenten Luiz Inacio „Lula“ da Silva für den nächsten Präsidenten zu entscheiden.
Lula, der ehemalige Gewerkschafter, lag in der ersten Runde und liegt auch in den Umfragen vor der zweiten Runde vorne. Doch der Vorsprung ist knapp, die Umfragen weisen starke Schwankungen auf und Bolsonaro hat längst nicht aufgegeben. In der ersten Runde hatte er deutlich besser abgeschnitten, als ihm vorausgesagt worden war. Einen solchen Coup will er auch am Sonntag landen.
Auch wenn Brasilien sehr weit von uns entfernt liegt: Eine zweite Amtszeit Bolsonaros wäre nicht nur für das Land und seine Leute eine Katastrophe. Die Wahl wird sich auf die ganze Welt auswirken. Bolsonaros Extremismus gehört gestoppt. Damit Brasilien wieder zu sich finden kann. Und damit der Amazonas-Regenwald eine Zukunft hat. Lula gegen Bolsonaro – es ist die wichtigste Wahl der Welt.
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