Im Tageblatt-Interview hatte Verkehrsminister François Bausch („déi gréng“) vor gut einem Jahr gesagt, dass die Mobilität im Allgemeinen und die Fahrradpolitik im Speziellen seiner Meinung nach eines der Hauptthemen im Wahlkampf werden würden. Die Statistiken von 2022 scheinen diese These zu unterstützen. Über eine Million Fahrradfahrer passierten im vergangenen Jahr die Messpunkte in der Hauptstadt, was eine Steigerung von satten 36,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.
Dass das Fahrrad boomt, scheint bei so manchen Lokalpolitikern und -beamten noch nicht angekommen zu sein, wie die Episode um Europas längste Fahrradbrücke zeigt. Obwohl zwei Jahre im Bau, wurden erst zwei Wochen vor der offiziellen Eröffnung halbherzige und zudem noch gefährliche Fahrradstreifen in Belval eingezeichnet. Auf der anderen Seite in Esch endet die 47,5 Millionen Euro teure Brücke derweil im fahrradtechnischen Niemandsland. Eine Anbindung an das existierende Radwegenetz gibt es ebenso wenig wie eine Beschilderung in Richtung Stadtzentrum.
Damit Fahrradpolitik keine Alibipolitik bleibt, hat ProVelo am Donnerstag seine Forderungen für die Gemeindewahlen im Juni vorgestellt. Wobei Forderungen das falsche Wort ist. Vielmehr sind es Fragen, die die Bürger während des Wahlkampfes den Kandidaten stellen können respektive sollen. Sie sollen aber auch die Gemeindepolitiker dazu anregen, ihre (Mobilitäts-)Politik zu hinterfragen. Und natürlich sollen die am 11. Juni zur Wahl stehenden Kandidaten durch den Fragenkatalog sensibilisiert werden. „Die aktuelle Verkehrssituation in Luxemburg muss sich ändern. Wenn wir dem Verkehrsinfarkt und der Klimakrise entgegenwirken wollen, dann sind die nächsten Jahre entscheidend“, sagt ProVelo-Präsidentin Monique Goldschmit, „Mit einer Politik aus den 1970er und 80er Jahren, als das Auto alles bestimmte, geht das nicht. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel, deshalb unser Forderungskatalog“.
Acht Kapitel
Der ist in acht Kapitel unterteilt: Planung, Radwege, Reglementierung, Bildung, Radinfrastruktur, Planung, urbane Logistik und Bürgerbeteiligung. Daraus ergeben sich insgesamt 26 Fragen. Das erste Kapitel Planung beginnt mit der Frage: „Wësst Dir, wéi vill Leit bei Iech an der Gemeng mam Vëlo fueren?“. Anschließend wird nach dem „Modal Split“ der einzelnen Verkehrsmittel gefragt. Im zweiten Themenbereich, Radwege, wird z.B. nach den sicheren Orten gefragt, in denen in der Gemeinde Fahrrad gefahren werden kann. Oder ob der Anschluss an das nationale Radwegenetz hergestellt ist. Beim Thema Reglementierung geht es darum, wie der (potenzielle) Lokalpolitiker zur Einführung von Tempo-30-Zonen steht.
Bildung kümmert sich um den Bereich Schule und den sicheren Schulweg mit dem Rad. Dabei geht es auch darum, einen Teufelskreis zu durchbrechen. Eltern bringen ihre Kinder mit dem Wagen zur Schule, weil sie den Schulweg als zu gefährlich einschätzen. Indem sie das tun, tragen sie dazu bei, dass dieser durch ein zusätzliches Auto im Bereich der Schule tatsächlich gefährlicher wird. Inzwischen gibt es in Luxemburg Initiativen zur Einführung eines „Vëlobus“ in Anlehnung an den vielerorts praktizierten „Pedibus“: Anstatt dass die Kinder mit erwachsenen Begleitpersonen den Schulweg zu Fuß bestreiten, tun sie es mit dem Fahrrad. In Roeser, Strassen und Schrondweiler hat man bereits gute Erfahrungen mit entsprechenden Pilotprojekten gemacht, wie die ProVelo-Verantwortlichen betonen.
Beim Thema Infrastruktur geht es derweil um Abstell- bzw. Parkplätze für Räder. Gibt es genügend Abstellmöglichkeiten an den sogenannten „Points of interest“ (POI), also überall dort, wo viele Menschen sind? Kapitel sechs widmet sich der Planung: Hat die Gemeinde einen Mobilitätsschöffen oder ist zumindest geplant, die Schaffung eines solchen Postens zu unterstützten? Der Themenbereich urbane Logistik dreht sich um den Einsatz von Cargo-Fahrrädern im innerstädtischen Bereich, während Kapitel acht die Bürgerbeteiligung bei Mobilitätsprojekten hinterfragt.
Ausgearbeitet wurde der Forderungs- bzw. Fragenkatalog von ProVelo und den Radaktivisten von VELO Diddeleng, Esch Biken und Velorution. „Die Zeiten sind vorbei, in denen man es jedem gerecht machen kann“, unterstreicht Monique Goldschmit zum Abschluss, „die sanfte Mobilität muss Vorrang haben. Der Mentalitätswechsel ist bei den Bürgern da. Aber wir haben das Gefühl, dass viele unserer Politiker das noch nicht anerkennen.“ Damit sich das endlich ändert, sollen sie bei Wahlkampfveranstaltungen von den Bürgern mit den Fragen aus dem Forderungskatalog konfrontiert werden.
Generalversammlung mit François Bausch
Am heutigen Freitag findet ab 19.00 Uhr im „Centre culturel Paul Barblé“ in Strassen die alljährliche Generalversammlung von ProVelo statt. Die Vereinigung wurde 1985 als „Lëtzebuerger Vëlos-Initiativ“ ins Leben gerufen. Die eigentliche Geburtsstunde war aber der 4. Oktober 1984, als die Stadtsektion des „Mouvement écologique“ ihre erste Fahrraddemonstration organisierte. 2020 wurde die Vereinigung dann in ProVelo umgetauft. Bei der Generalversammlung steht neben den üblichen Aktivitäts- und Finanzberichten der Gastauftritt von François Bausch im Mittelpunkt, der eine Bilanz seiner Arbeit als Mobilitätsminister ziehen wird. Nach zehn Jahren an der Spitze des Ministeriums wird der Grünen-Politiker sich bei den Parlamentswahlen im Oktober zwar den Wählern stellen, eine weitere Amtszeit als Minister schließt Bausch allerdings aus.
@ Phil / Genee esou wärt et sin. Awer vir d'éischt gi nach Milliounen dovir onsënneg zur Fënster eraus geworf.
@Jemp Zitat: "...verschwindend kleng Minoritéit..."
Dat géif jo dann heeschen, dass de Problem vun de Velosfuerer sech mat der Zäit op natierlech Art a Weis geif selwer léisen...
@Jemp / Absolut richteg an zoutreffend. Just de Bausch an e bësselchen den Turmes wëlle sech domat politesch wichteg machen wât se jo ower guer net sin.
Kee Wonner, datt sech d'Politiker net besonnesch fir Velosfuerer interesséieren. D'Velosfuerer sinn nämlech eng vernoléissegbar a verschwindend kleng Minoritéit, och wann se vill Kaméidi deremmer machen. Et sinn emmer déi puer selwecht. Eist Land eegent sech nun mol aus topografeschen a klimatesche Grenn absolut net fir de Velo, och wann déi puer Velosfans dat net welle wouer hunn. Et ass awer eng Tatsach.
Esou laang mir den giganteschen Grenzverkéier zouloossen, ännert sech an Saachen Verkéiersinfarkt glat an guer näischt. Firwat deet sech hei am Land näischt am Ausbau vun Buslinien?