Gibt es so etwas wie Nation-Branding-Verfolgungswahn?
Als ich kürzlich ins Flugzeug stieg, um nach Berlin zu fliegen, prangte auf dem kleinen Propellerflugzeug ein „Luxembourg for Finance“-Logo. In den langen Gängen des Flughafengebäudes erstreckten sich riesige Werbetafeln, die beim Reisenden den Anschein erwecken, dass Luxemburg wahrlich doch nur und exklusiv das Finanzzentrum ist, für das viele es immer noch halten. Dabei fällt auf, dass besagtes Nation-Branding-Logo, bei dem das „X“ als Fadenkreuz designt ist – als wolle man mit dem aggressiven Branding alles und jeden beschießen –, oft in den fast widersprüchlichen Kontexten Finanzen und Kultur auftaucht.
Als ich Stunden später in der Botschaft an einem Rundtischgespräch teilnahm, bestätigte sich der Eindruck: Das Nation-Branding-X ziert auch das „Reading Luxembourg“-Logo, mit dem Luxemburg seine Anwesenheit auf der Frankfurter Buchmesse zementieren will. Am Folgetag stach mir das in Nation-Branding-Typografie angefertigte Luxemburg-Logo vor der Philharmonie besonders ins Auge. Manchmal ist die Paranoia legitim. Dabei wirkt es so, als wolle man mit der Schwergewichtsverlagerung auf das Kulturelle die finanzielle Anziehungskraft Luxemburgs nicht etwa anfechten, sondern suggerieren, dass Luxemburg neben dem ganzen Finanzkram eben auch noch so etwas wie tolle Kultur produziert. Dass diese Kunst ein Mehrwert ist, den man sich leisten kann und will. Ein Prestigeobjekt für den Wohlstand.
Dass die Kulturschaffenden meist mindestens ein sehr gespaltenes, wenn nicht geradezu ablehnendes Verhältnis zur national-patriotischen Vermarktung ihrer Werke haben – man denke an Nico Helmingers „Branding“-Episoden in seinem Roman „Kuerz Chronik vum Menn Malkowitsch sengen Deeg an der Loge“ oder auf internationaler Ebene an „An Artist of the Floating World“ von Kazuo Ishiguro, der die möglichen verheerenden Konsequenzen für einen Künstler, der sich für nationale Interessen verbiegt, beschreibt –, interessiert da relativ wenig. Prangert ein Kulturschaffender dies an, wird er gemeinhin als Nestbeschmutzer bezeichnet. Das Geld vom Staat einstecken, dann aber, womöglich noch mithilfe jener staatlichen Gelder, in seinem Werk gegen den Staat ablästern – das ist doch etwas zu leicht.
Das Problem ist, dass Kulturschaffende hierzulande wenig Geld erwirtschaften können (weil das Land, ergo das Zielpublikum, sehr klein ist), es aber bisher einerseits wenige Strukturen gibt, die das Vermarkten der Kunst im Ausland fördern, die existierenden Strukturen andererseits von staatlichen Strukturen ausgehen – sodass die Exportmöglichkeiten dann wiederum in eine Form staatlicher Abhängigkeit eingebettet sind.
So macht sich der Kulturschaffende entweder rhetorisch mundtot – oder er verarmt. Dabei sollte der kritische Diskurs des Kulturschaffenden doch eigentlich unabhängig von seinen Subventionen sein – dass das Leitmotiv „Wer Geld bekommt, soll die Klappe halten“ mittlerweile Teil des kollektiven Verständnisses ist, ist einer der beunruhigenden Aspekte des späten Kapitalismus.
In einer optimalen Welt schafft der Staat Strukturen, die es guter Kunst erlauben, sich hierzulande und im Ausland durchzusetzen, ohne den Kulturschaffenden in eine wirtschaftliche oder moralische Abhängigkeit zu bringen. Dass dies eines der Ziele des Kulturentwicklungsplans ist, beruhigt. Nachher stolz auf die landeseigenen Kulturschaffenden zu sein, ist dabei legitim. Nur gilt es, diese nicht ungefragt in die Nation-Branding-Vitrine zu stellen, um zu kaschieren, dass man eigentlich gar nicht vorhat (und es sich auch gar nicht leisten kann), das schlechte Image des Finanzplatzes abzuschaffen.
Dofir Lëtzebuerg
LETZ'S MAKE IT "NOT ALL" HAPPEN !
Wann dei Kulturschaffenden eppes geifen dachen, dann hätten se och kommerzielen Succès an braichten net permanent vum Staat oder Gemengen subventioneirt ze ginn.
„Luxembourg for Finance“
Psst, sie fliegen auch damit nach London und da gibt's so was wie den BREXIT, die wollen die alle her locken.
Vermasseln sie uns das nicht. ?