Je näher der Krieg, desto größer sind seine Schatten. Nach zwei kargen Corona-Jahren sollten dieses Jahr in den Bettenburgen an Bulgariens Sonnen- und Goldstrand endlich wieder die Kassen klingeln. Bis zum 24. Februar, dem Tag des Ausbruchs des Ukraine-Kriegs, seien die Vorbuchungen zu Jahresbeginn „extrem gut angelaufen“, berichtet Stojan Stojanow, der Verkaufsmanager der 30 Kilometer nördlich von Varna gelegenen Hotelstadt Albena: „Gegenüber dem Vorjahr konnten wir die Zahl unserer Reservierungen selbst vervierfachen.“
Doch der Krieg hat dem 40 Hotels und 16.000 Betten zählenden Tourismusgiganten einen frühen Strich durch die Saison-Rechnung gemacht. Zu „normalen Zeiten“ machten die russischen und ukrainischen Besucher gut ein Viertel der Gäste in Albena aus, berichtet Stojanow: „Und die fallen nun weg.“
Aber nicht nur der Ausfall der Ostmärkte und der durch den Krieg beschleunigte Preisanstieg bereitet dem Manager Sorgen. Auch für das Sommergeschäft auf den westeuropäischen Schlüsselmärkten von Albena wäre es wichtig, dass der Krieg „so schnell wie möglich endet“: „Wenn ein deutscher Tourist über sein Urlaubsziel entscheidet, wird er auch schauen, wo wir uns auf der Landkarte befinden: Luftlinie sind wir genau 400 Kilometer von Odessa entfernt.“ Zwar gebe es „keinen Krieg in Bulgarien“: „Aber die Leute könnten ins Zweifeln geraten, ob sie nicht doch lieber nach Spanien fliegen sollten.“
Sorgen um Touristen in Montenegro
Auch in den Touristenhochburgen im kleinen Adria-Staat Montenegro wird der Waffengang in der eigentlich fernen Ukraine mit Sorge verfolgt. Nach dem benachbarten Serbien hatte sich Russland seit der Unabhängigkeit 2006 für den Staatenneulings zum wichtigsten Tourismusmarkt gemausert. Auch die Zahl der ukrainischen Gäste war bis Corona stetig am Steigen. In den Hotels von „Budvanska Rivijera“, der größten Hotelgruppe des Landes, machten Russen und Ukrainer laut Auskunft der PR-Chefin Jelena Kaludjerovic bis zur Pandemie gemeinsam über 20 Prozent der Gäste aus: „Wir hoffen, dass wir ihren Ausfall nun mit mehr Besuchern aus der Region kompensieren können.“
Doch in Montenegro stützt sich nicht nur der Tourismus auf die Gäste aus dem Osten. Auch der Immobilien- und Bankensektor in dem Küstenstaat speist sich stark aus russischem Kapital. Da das NATO-Mitglied Montenegro die Sanktionen gegen Moskau mitträgt, haben tausende der in dem Adria-Staat lebenden Russen keinen Zugang mehr zu ihren Bank-Guthaben im Heimatland. Die Folgen davon sind vor allem auf dem Immobilienmarkt und dem Bau bereits zu spüren.
Reiche Russen pflegten bisher nicht nur ihre Yachten vor den Nobelherbergen von „Porto Montenegro“ in Tivat zu verankern, sondern auch kräftig auf dem Immobilienmarkt des Küstenstaats zu spekulieren – und zu investieren. In der bei Russen besonders beliebten Touristenhochburg Budva sind laut Presse-Berichten die Arbeiten auf mehreren Baustellen wegen des Mangels an Mitteln bereits zum Erliegen gekommen.
Kroatien zeigt sich entspannt
Auch Kroatien bekommt den Ukraine-Krieg zu spüren, allerdings in weit geringerem Maß als die Hoteliers im benachbarten Montenegro. Reisegruppen aus der Ukraine und Russland hätten ihre Buchungen zwar abgesagt, berichtet Maria Mogorovic vom Tourismusverband Kvarner in Opatija: „Die Vorbuchungen für diese Saison sind aber sehr gut angelaufen. Wir befürchten keine größeren Auswirkungen durch den Krieg.“
Tatsächlich dürfte sich die Nähe zu den mitteleuropäischen Märkten für Kroatien ähnlich wie in den letzten beiden Jahren auch im Fall eines länger währenden Kriegs als Krisen-Plus erweisen. „Selbst wenn die Flugpreise steigen sollten, sind wir mit dem Auto leicht und gut erreichbar“, sagt Mogorovic. Die Preise in Kroatiens Tourismussektor seien zwar „leicht gestiegen“, mit größeren Preissprüngen sei aber nicht zu rechnen: „Wir rechnen mit einem guten Jahr.“
Schon jetzt liege die Zahl der Gäste in der Vorsaison bei 99 Prozent des Rekordjahrs 2019, bestätigt in Zagreb Kroatiens Tourismusministerin Nikolina Brnjac. Seit dem Kriegsausbruch hätten sich die Reservierungen für die Sommersaison zwar etwas „verlangsamt“, „aber wichtig ist es, dass sie weiterlaufen: Wir können relativ zufrieden sein“.
Auch Spiros Zambelis vom Tourismusverband der Ionischen Inseln im griechischen Lefkada hält die direkten Auswirkungen des Kriegs für seine Region für begrenzt: „Wir haben ohnehin nicht so viele Gäste aus Russland und der Ukraine, weil unsere Inseln – mit Ausnahme von Korfu – nicht viele Direktflüge in diese Länder haben.“
Ähnlich wie seine Kollegen in Montenegro und Bulgarien hofft der Grieche, das Fernbleiben der osteuropäischen Gäste mit mehr Besuchern aus den Balkanstaaten auffangen zu können: „Wir werden nach der Pandemie auch diese Krise überleben und erwarten ein gutes Jahr.“ Trotzdem sei der Krieg „ein Unsicherheitsfaktor und das Hauptproblem“. Auf der einen Seite seien die Europäer nach zwei Corona-Sommern mehr als urlaubsreif: „Viele waren zwei Jahre lang praktisch eingeschlossen und reisten nirgendwohin – mich eingeschlossen.“ Auf der anderen Seite seien nicht nur die Benzin-, sondern auch die Lebensmittelpreise stark am Steigen: „Einige werden wegen der höheren Preise auch diesen Sommer nicht in die Ferien fahren können.“
Schon in den letzten beiden für Montenegro „sehr schweren“ Corona-Jahren habe der Tourismus seine „Unvorhersehbarkeit wie aus dem Lehrbuch demonstriert“, sagt Jelena Kaludjerovic in Budva: „Auflagen werden verhängt. Grenzen schließen und öffnen sich: Von einem Tag auf den anderen kann sich alles ändern.“ Trotz des Ukraine-Kriegs blickt sie der Saison dennoch verhalten optimistisch entgegen: „Auch wenn der Tourismus ein Wirtschaftszweig ist, der sehr leicht und empfindlich auf unvorhergesehene Ereignisse reagiert, ist er auch eine Branche, die sich relativ schnell erholen kann.“
Das schwarze Meer ist gegessen für viele Jahre.